Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Beifall der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren auch vonseiten der FDP, ich kann Ihnen nur raten: Hören Sie an dieser Stelle auf Herrn Pinkwart. Nehmen Sie nicht an erster Stelle das Interesse der Großkonzerne ins Auge, sondern haben Sie das Interesse der Menschen im Auge, und sorgen Sie dafür, dass wir eine tatsächlich sichere Energieversorgung bekommen, ohne die Risiken, die mit der Atomkraft verbunden sind. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „SchwarzGelb macht Atomkonzerne hoffnungsfroh“, titelte die „Welt“ vor einigen Tagen. In der Tat waren es die Aktien der großen Energiekonzerne, die nach der Wahl zu den Gewinnern an der Börse gehörten. Dort interessiert man sich nämlich nicht für das Leck in Krümmel oder die Sumpfsiebe in Biblis; denn die Kosten für die Folgen tragen nicht die Konzerne, die sie verursachen, sondern die Kosten trägt die Allgemeinheit.

Analysten haben überschlagen, dass eine Laufzeitverlängerung von acht Jahren für E.ON 12 Milliarden c zusätzliche Einnahmen erbringt, für RWE immerhin noch 8 Milliarden c. EnBW hofft nach dem Regierungswechsel auf „unvoreingenommene Gespräche“ über die Laufzeitverlängerung. RWE-Chef Jürgen Großmann ist ebenfalls optimistisch: Er vertraue darauf, dass Union und FDP die Weichen für eine Laufzeitverlängerung stellen.

Die Energiekonzerne beschränken sich aber auch bei Schwarz-Gelb nicht darauf,zu vertrauen.Sie spenden fleißig an die Parteien; denn Vertrauen ist gut, bezahlen ist sicherer.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Durch die Bundestagswahl ist eingetreten, worauf sich Spekulanten und Monopole lange gefreut haben. Die Atomlobby reibt sich die Hände in der Erwartung der zusätzlichen Milliardenprofite. Aber es ist ein wenig früh, um sich zu freuen; denn es gibt in der Bevölkerung eine deutliche Mehrheit gegen Laufzeitverlängerungen. Das zeigen alle Umfragen. Union und FDP haben die Wahl nicht wegen, sondern trotz ihrer atompolitischen Positionen gewonnen, und das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wahlergebnis ist eben kein Votum für Atomkraft. Deshalb haben Sie ja versucht, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten.Sie haben Ihre Pläne nicht an die große Glocke gehängt. Eine von E.ON beauftragte Unternehmensberatung warnte davor, eine scharfe emotionale Debatte zu führen,weil das die politischen Gegner mobilisieren würde.Als „politische Gegner“ gelten dabei natürlich alle, die die völlig berechtigten und weit verbreiteten Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

In dem Strategiepapier der E.ON-Unternehmensberatung war übrigens auch zu lesen, dass sich bei der Linkspartei Lobbying nicht lohne.Ich darf zitieren:„Das Strickmuster der Linkspartei gilt auch in der Energiepolitik: Protest pur.“ – In dem Fall stimmt das. Etwas anderes als Protest haben wir der Atomlobby in der Tat nicht zu bieten.

(Beifall bei der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

RWE erklärt jetzt, man wolle dem Staat etwas von den Extraprofiten abgeben. Davon abgesehen, dass die Risiken der Atomkraft auch dadurch nicht sinken – wie verlässlich ist denn die Zusage der Atomkonzerne? Ist sie wirklich belastbarer als der sogenannte Atomkonsens,der gerade aufgekündigt wird? Die großen Energiekonzerne blockieren die Energiewende, und deshalb müssen sie entmachtet werden. Die Energieversorgung gehört in die öffentliche Hand.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

Gerade jetzt zeigt sich, dass die Zusagen der Atomenergiekonzerne nichts, aber auch gar nichts wert sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt rächt sich auch die Halbherzigkeit des rot-grünen Atomausstiegs. Bei den langen Restlaufzeiten war von Anfang an klar, dass die Vereinbarung von jeder kommenden Regierung kassiert werden konnte. Es wurden keine unumkehrbaren Tatsachen geschaffen. Der Ausstieg aus dem Ausstieg blieb praktisch möglich. Darauf haben die Konzerne gesetzt. Das kommt – leider – davon, wenn man mit Werner Müller einen Energiemanager zum Wirtschaftsminister macht und ihn mit der Energiewirtschaft über den Atomausstieg verhandeln lässt. Keine zwei Jahre später ist er als Manager zu E.ON zurückkehrt.

(Beifall bei der LINKEN)

Müller hatte einen maßgeblichen Anteil daran, dass es nicht zu einem schnelleren Atomausstieg kam.Für die politische Entscheidung in der Zukunft ist aber nicht nur entscheidend, wer regiert, sondern auch, wer opponiert. Der Streit um die Atomkraft wird der erste große Konflikt mit der neuen Bundesregierung sein. Die entscheidende Frage ist doch nur, von welcher Seite der Druck größer ist – vonseiten der Energiekonzerne oder vonseiten der Gesellschaft. Deshalb brauchen wir eine neue Anti-AKWBewegung.

(Beifall bei der LINKEN)

Bereits vor etwa einem Monat haben über 50.000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Mal richtig abschalten“ demonstriert. Die Koalitionsverhandlungen werden von Protesten begleitet. Einen offenen Brief mit der Aussage: „Nicht rütteln am Atomausstieg“ haben innerhalb weniger Tage 60.000 Menschen unterzeichnet. Nächste Woche wird im Rahmen des Sozialforums eine große Demon

stration im Wendland stattfinden – gegen die Atomenergie, für den Ausstieg.

(Beifall bei der LINKEN – Lebhafte Zurufe von der CDU und der FDP)

Christoph Bautz von Campact stellt klar: „Wer eine Renaissance der Atomkraft unterstützt, provoziert das Comeback ihrer Gegner“.

Ich komme zum Schluss. Auch in der CDU gibt es Atomkraftgegner. Der Bundesverband Christliche Demokraten gegen Atomkraft erklärt – ich zitiere –:

Die Atomkraftgegner aus der Union wollen aus christlicher Verantwortung die nukleare Geisterfahrt beenden. Die körperliche Unversehrtheit von Menschen darf nicht weiter auf dem Altar der Profitinteressen einer verschwindend kleinen Minderheit von Betreibern nuklearer Anlagen geopfert werden.

Meine Damen und Herren, machen wir endlich Schluss mit dieser Risikotechnologie. Ein Ausstieg aus dem Ausstieg ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Rentsch, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will etwas zu den Ausführungen von Kollegin Hammann sagen. Ich teile Ihre Auffassung, Frau Kollegin Hammann, dass es in der Frage der Atomtechnik sehr viele Bedenken bei den Menschen in unserem Land gibt. Deshalb sagen wir Liberalen: Für uns ist die Atomenergie eine Übergangsenergie.

(Beifall bei der FDP)

Aber wir haben in der Diskussion mehrere Fragen zu klären. Die können wir nicht einfach mit Ideologie zur Seite wischen. Sie haben von der Endlagerproblematik gesprochen. Ich muss ehrlich sagen: Ich frage mich, wer in den letzten zehn Jahren in Deutschland Verantwortung getragen hat. Die Liberalen waren es nicht, das darf ich Ihnen sagen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wir auch nicht!)

Dass die GRÜNEN, die an der Regierung von Gerhard Schröder beteiligt waren, in der Endlagerproblematik überhaupt nichts zustande gebracht haben, ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Echt platt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht doch bei der Frage der Endlager nicht nur darum, was passiert, wenn die Atomkraftwerke länger laufen, sondern auch darum, was mit den Brennstäben und dem Atommüll passiert, den wir jetzt schon haben. Der muss doch auch irgendwo hin. Diese Frage haben Sie nicht geklärt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Niemand auf der Welt hat die bisher geklärt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens.Wir wollen nicht, dass die Strompreise zur sozialen Frage des 21. Jahrhunderts werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lebhafte Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Strom muss für alle Menschen in unserem Land weiterhin bezahlbar bleiben. Deshalb kann es nicht sein, dass wir uns in dieser Sache vom Ausland abhängig machen. Wir brauchen auch in Deutschland eine unabhängige Stromproduktion.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lebhafte Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum letzten Punkt und wende mich dabei insbesondere an die GRÜNEN. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir allein aufgrund ideologischer Vorstellungen, aufgrund von Technikfeindlichkeit sagen, wir wollen mit der Atomenergie überhaupt nichts mehr zu tun haben. Wenn wir gemeinsam der Auffassung sind – das sieht übrigens Herr Pinkwart genauso, den Sie zitiert haben, worüber ich mich freue –,dass die Atomtechnologie eine Übergangstechnologie ist,

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann müssen wir auf der anderen Seite das tun, was unsere Ministerin hier in Hessen macht, nämlich in innovative Technologien investieren.Auch darum geht es.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb macht es keinen Sinn, bei diesem Thema nur schwarz-weiß zu malen. Wir müssen die Bedenken, die Ängste der Menschen ernst nehmen, aber wir müssen genauso ernst nehmen, dass sich viele Menschen die Frage stellen, ob sie ihre Stromrechnung in den nächsten Jahren noch bezahlen können. Diesen Zwiespalt werden wir nicht durch Ideologie lösen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lebhafte Zu- rufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Da es einige Nachfragen gegeben hat, teile ich mit: Der erste Redner der FDP-Fraktion hat zwei Minuten lang gesprochen,der zweite Redner hatte noch drei Minuten Redezeit. Wir haben schon einmal gesagt: Grundsätzlich spricht nur ein Abgeordneter pro Fraktion in einer Aktuellen Stunde, aber zumindest soll ein Abgeordneter nur einmal sprechen.Wir haben uns hier im Präsidium geeinigt, dass die drei Minuten Redezeit dem zweiten Redner zugutekommen. Wenn einer etwas dagegen hätte, könnte er auch nichts mehr machen, weil Herr Rentsch schon gesprochen hat.