Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Beifall bei der SPD)

Doch gibt es seit 2002 das massive Betreiben der Kernkraftwerkseigner, den Atomkonsens zu unterlaufen. Immer mit Blick auf die jeweils nächste Bundestagswahl setzte man Hoffnungen auf die atomenergiefreundlichen Parteien und verlängerte mit künstlichen Pausen nach Störfällen oder durch verzögerte Wartungsarbeiten die Betriebsdauer der Anlagen Biblis A und B.

Den Höhepunkt dessen, was da hinter den Kulissen stattgefunden hat, hat „Spiegelonline“ wenige Tage vor dem Wahlgang am 27. September berichtet, dass nämlich die Energieversorger ganz offensichtlich eine Agentur beauftragt haben, massiv in den Bundestagswahlkampf indirekt

und direkt einzugreifen – durch massive Unterstützung von CDU, CSU und FDP sowie auch durch den Versuch, in die SPD einen Spalt zu treiben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das gibt einen Hinweis darauf, dass die Argumente der Energieversorger offensichtlich sehr schmalbrüstig sind, wenn mit solchen Methoden, die mich an andere Zeiten erinnern,versucht wird,öffentliche Meinungsbildung zu manipulieren. Dass die beiden Blöcke zu den ältesten in Deutschland gehören und ihre Betonhüllen dünner sind als die neuerer Atomkraftwerke,dass eine externe Notstandswarte fehlt, die bei Unglücken eine Steuerung von außen ermöglicht, dass die Konzeption völlig veraltet ist, spielte alles keine Rolle. Es ging und geht einzig um den Profit der Energieversorger, die Atomkraftwerke betreiben. Biblis A und B sind für RWE Beton gewordene Gelddruckmaschinen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Nicht ohne Grund knallten am Abend des 27. September in den Vorstandsetagen der großen Stromerzeuger wahrscheinlich die Champagnerkorken.

(Volker Hoff (CDU): Weil es verlässliche Politik gibt! – Weitere Zurufe von der CDU)

Dort verspricht man sich nun den Erfolg, für den man sieben Jahre lang hart gearbeitet hat. – Herr Hoff, wie man öffentliche Meinung manipuliert, verstehen Sie am besten in diesem Hause.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Dabei reihte sich in deutschen Kernkraftwerken eine Panne an die andere. Biblis A ist mit 406 meldepflichtigen Ereignissen auf Platz 3, Biblis B mit 399 Ereignissen auf Platz 4 der Störfallstatistik. Es ist völlig klar: Biblis A und Biblis B sind Schrottreaktoren, die vom Netz gehören. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sowie bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Herr Greilich,zu Ihrem Zwischenruf:Ich kann die Ängste der Beschäftigten verstehen. Aber es ist völlig klar, dass, selbst wenn die Reaktoren abgeschaltet werden, viele dieser Arbeitsplätze noch Jahrzehnte für den Abbau der Anlagen gebraucht werden. Dabei ignorieren Sie konsequent, dass der Einstieg in erneuerbare Energien Zigtausende neue Arbeitsplätze schafft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie müssen zum Schluss kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Weg, den Sie in den Verhandlungen einschlagen, ist falsch. Er ist

rückwärtsgewandt. Nehmen Sie sich ein einziges Mal ein Beispiel an Herrn Müller, dem saarländischen Ministerpräsidenten, der wahrscheinlich nicht nur aus innerer Überzeugung, aber in der Sache völlig zu Recht davor gewarnt hat, aus dem Atomkonsens auszusteigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Stephan, CDUFraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich könnte ich bei der heutigen Debatte genau an das anknüpfen, was am 16.09. von mir hier gesagt wurde, und zwar mitten im Bundestagswahlkampf. Sie haben damals eine Wahlkampagne gegen Kernenergie geführt. Herr Schäfer-Gümbel, um Ihre Worte zu verwenden: Nun haben Deutschlands Bürger eine wegweisende Entscheidung getroffen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, die Bürger haben am 27. September ein deutliches Signal gesetzt. Sie haben CDU und FDP beauftragt, in Deutschland die Regierung zu bilden. Sie haben CDU und FDP beauftragt,das umzusetzen,was die beiden Parteien vor der Wahl im Wahlkampf versprochen haben. Herr Schäfer-Gümbel, alles das, was Sie eben an kritischen Punkten bei der Kernenergie aufgeführt haben, war den Bürgern doch hoffentlich durch Ihre Wahlkampagne ausreichend bekannt. Im Bewusstsein dessen haben sie sich trotz allem für CDU und FDP entschieden. Wenn Sie ganz gezielt Ihre Wahlergebnisse in Biblis und der Umgebung betrachten,werden Sie feststellen:Gerade dort hat die SPD dramatisch verloren und haben CDU und FDP gewonnen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wollen Sie den Bürgerwillen erneut nicht akzeptieren? Der Bürgerwille ist in der Wahlentscheidung am 27. September doch sehr deutlich geworden. Gerade das Thema Kernenergie war eines der wenigen, wenn nicht das einzige Thema, wo wirklich Gegensätze zwischen CDU und FDP einerseits und SPD und GRÜNEN andererseits im Wahlkampf aufgetreten sind. Die „FAZ“ schrieb vorab: Herr Gabriel versucht, durch maximale Verunsicherung maximale Stimmengewinne zu erzielen. – Wenn Sie das Ergebnis betrachten, haben Sie nicht maximale Stimmengewinne, sondern maximale Verluste eingefahren, die größten Verluste, die je eine Bundespartei bei einer Bundestagswahl erreicht hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das sollte Ihnen zu denken geben. Wir sind der Auffassung, dass wir das, was wir vorab versprochen haben, auch weiter durchsetzen, nämlich weiterhin übergangsweise Kernenergie zu nutzen.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Doch lassen Sie mich nach vorne schauen. Der Wahlkampf ist vorbei. Es geht darum, aus dem Ergebnis jetzt eine vernünftige Politik zu machen. Erstens stelle ich fest, dass die Kernkraftanlagen in Deutschland sicher sind. Sie waren sicher, sie sind sicher, und sie sind auch in Zukunft sicher.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Hessen keine Schrottreaktoren.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Erde ist eine Scheibe! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)

Schon der Titel Ihrer Aktuellen Stunde „Schrottreaktoren abschalten“, ist falsch. In Hessen sind, seit CDU und FDP wieder im Amt sind, seit zehn Jahren, die Sicherheitsauflagen durch die Hessische Landesregierung deutlich forciert und umgesetzt worden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herr Schäfer-Gümbel,Ich stimme Ihnen zu:Wir brauchen eine Lösung für die Lagerung der Abfälle.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich habe vor vier Wochen ausgeführt, dass in diesem Punkt zehn Jahre Zeit verloren wurden, als Sie von den GRÜNEN und der SPD den Bundesumweltminister gestellt haben. Das wird korrigiert werden.Wir werden auch dafür sorgen und uns darum kümmern – das ist Aufgabe in Berlin, aber auch Aufgabe in Hessen –, dass dort, wo notwendig, eine Hochrüstung der Sicherheitstechnik erfolgt.

Es ist auch bekannt, dass der Weiterbetrieb dieser Anlagen zusätzliche Gewinne erzeugt, ob 1 Million c pro Tag oder 20 Milliarden c insgesamt. Es gibt viele Zahlen. Ich bin der Auffassung, wir sind der Auffassung – das haben wir oftmals geäußert –, dass diese Zusatzgewinne zu wesentlichen Teilen in die öffentlichen Haushalte fließen sollen, vor allem für die Weiterentwicklung der regenerativen Energien.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich sage auch: Da lassen wir uns auch von einem Herrn Großmann nicht vorschreiben, wie viel Prozent das sein sollen. Wenn Herr Großmann schon heute tönt, 55 % seien das Maximale,

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

dann kann ich nur sagen: Da fangen wir an zu diskutieren. Hier wird die Industrie ihren Beitrag leisten müssen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es gilt nun, dieses Energiekonzept nicht nur für Hessen, sondern auch für Deutschland im Rahmen eines Energiemixes aufzustellen. Wir werden auch darauf achten – Sie wissen, das neue kerntechnische Regelwerk ist in der Erprobung –, dass dieses Regelwerk sauber erprobt und dann eingeführt wird. Auch dies wird sicherlich zu einer größeren Sicherheit bei den Anlagen führen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich daher zusammenfassen. Die Bürger in Deutschland haben sich am 27. September für die Politik von CDU und FDP entschieden. Damit haben sie sich auch für den übergangsweisen Weiterbetrieb der Kernkraftanlagen entschieden.

(Beifall bei der CDU)

Diese Entscheidung für CDU und FDP haben meines Erachtens auch andere Parteien zu respektieren.Wir werden diesen Auftrag mit der notwendigen Sensibilität angehen und umsetzen, ganz getreu dem Spruch, der dem früheren Bundespräsidenten Rau zugeschrieben wird: „Sag vor der Wahl, was du tun wirst, und tue danach, was du gesagt hast.“ In diesem Sinne werden wir handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Stephan. – Das Wort hat der Abg. Sürmann, FDP-Fraktion.