Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Dass die Landesregierung nach diesem ganzen Eklat rund um den Kulturpreis und vor allem auch jetzt nach der Ei

nigung weiterhin schweigt, verfestigt diese Vermutung, dass Koch selbst der Akteur war.

(Horst Klee (CDU):Was heißt Koch selbst?)

Über die von mir vermutete politische Motivation habe ich schon in meiner letzten Rede zu diesem Thema gesprochen. Ich glaube, dass Koch seine Klientel in Fulda und Limburg im Kopf hatte und dass daher – wenn wir es einmal freundlich ausdrücken – die Pferde mit ihm durchgegangen sind.

(Horst Klee (CDU): Unverschämt wie immer!)

Mit einer Entschuldigung hätte er vielleicht nicht unbedingt mehr Größe beweisen können. Dazu hatte er schon zu viel Porzellan zerschlagen. Er hätte aber das Mindestmaß des Umgangs miteinander gewahrt. Von einer Entschuldigung haben Koch und die Landesregierung aber nie gesprochen, sondern sind nach dem Motto verfahren: schweigen, Schwamm drüber und durch.

Es ist nicht nur die Entschuldigung, die hier von unserer Seite verlangt wird, sondern das ist auch die Aufklärung. Herr Dr. Müller, Sie haben gerade Herrn Grumbach dafür gelobt,dass er heute hier das Hohelied der Aufklärung gesungen hat.

In diesem ganzen Verfahren rund um die Preisverleihung gibt es eine ganze Reihe von Ungereimtheiten. Beispielsweise steht nach wie vor im Raum, dass Herr Kermani nicht von der Staatskanzlei selbst, sondern über die Medien von der Aberkennung des Preises erfahren hat. Hierzu gab es noch keine Aufklärung, wie das Ganze wirklich gelaufen ist. Beispielsweise haben Frau KühneHörmann und die Staatskanzlei wiederholt öffentlich behauptet, dass das Kuratorium diese Aberkennung des Preises in seiner Sitzung einstimmig entschieden habe.

Mir liegt nun das Protokoll einer Sitzung der Deutschen Akademie für Dichtung und Sprache vor, in dem Klaus Reichert sagt – ich zitiere –, dass darüber nicht abgestimmt worden sei. Es habe eine Telefonkonferenz gegeben,in der über das weitere Vorgehen gesprochen worden sei. Eigentlich hätte zunächst ein privates Gespräch unter den vier Preisträgern stattfinden sollen, nach dem man habe entscheiden wollen, ob der Preis überhaupt verliehen werden sollte. Weiter unten heißt es, entweder habe sich das Kuratorium dem gebeugt, oder es liege eine falsche Aussage der Hessischen Staatskanzlei vor. Das sagt ein anderer Teilnehmer dieser Sitzung. Daraufhin sagt Klaus Reichert, dass dies eine falsche Aussage der Staatskanzlei sei. Er betont nochmals, dass nicht abgestimmt worden sei. Ob dem so ist, bitte ich Sie, Frau Kühne-Hörmann, heute hier aufzuklären.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

In der Presseerklärung der Staatskanzlei heißt es nun ganz lapidar: „Das Kuratorium sieht sich auch durch die Schwierigkeiten der letzten Monate bestärkt darin, mit der Verleihung des Kulturpreises für die Notwendigkeit eines verständnisvollen Umgangs der Religionen miteinander auf der Basis gemeinsamer kultureller Werte einzutreten. Das sei offenkundig, jedenfalls noch, nicht ohne Spannungen möglich.“ Aha, war da was? – Dass der Ministerpräsident jetzt im Nachhinein beklagt, dass der verständnisvolle Umgang der Religionen miteinander noch nicht ohne Spannungen möglich sei, ist wirklich an Hohn nicht zu überbieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war doch ganz offensichtlich Koch selbst, der hier die Spannungen im interreligiösen Dialog auf die Spitze getrieben hat. Erst die Spannungen selbst schüren und sich dann wegducken und „haltet den Dieb“ rufen ist wahrlich kein guter Umgang. Wir GRÜNE haben inzwischen mehrfach eine öffentliche Entschuldigung von Koch bei Kermani gefordert. Sie steht aber nach wie vor aus. Es bleibt allein zu hoffen, dass Koch selbst sieht, dass er mit der Verweigerung einer Entschuldigung bis zur Verleihung des Kulturpreises in einer peinlichen Lage bleibt.Ich hoffe daher und ich empfehle ihm, dass er wenigstens die Preisverleihung für eine persönliche Entschuldigung nutzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Sorge. – Jetzt hat sich Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Streit um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises 2009 war peinlich und unwürdig.Da will Ministerpräsident Koch einen Preis für religiöse Toleranz vergeben und scheitert dabei an seiner eigenen Intoleranz.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch immer schweigt die Landesregierung sich darüber aus, wie es zur Aberkennung des Preises kommen konnte. Die Landesregierung und allen voran Ministerpräsident Roland Koch stiehlt sich damit aus der Verantwortung, und das halte ich für erbärmlich.

Der Hessische Kulturpreis ist ein Preis des Landes, und deshalb muss Roland Koch als Ministerpräsident und damit als Vorsitzender des Kuratoriums die Verantwortung übernehmen, anstatt sich feige wegzuducken. Geben Sie den Fehler zu.Herr Koch ist heute nicht da,aber vielleicht kann jemand von der Landesregierung noch einmal Stellung dazu beziehen. Geben Sie den Fehler zu, und entschuldigen Sie sich endlich. Das ist das Einzige, was in diesem Fall noch zu tun ist. Denn Sie haben das ordentlich vergeigt.

Der Streit ist nicht nur peinlich, sondern er hat auch Schaden angerichtet, und zwar vor allem bei den Musliminnen und Muslimen in diesem Land, die das Gefühl bekommen haben müssen, dass sie eben nicht gleichberechtigt auf Augenhöhe behandelt werden. An die Musliminnen und Muslime, die seit dem 11. September 2001 vielerorts unter Generalverdacht stehen, die unverschuldet im Zuge vermeintlicher Terrorismusbekämpfungen in Rasterfahndungen geraten und die verstärkt rassistischen und religiösen Vorurteilen ausgesetzt werden, muss ein anderes Signal gesandt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Preis ist als eine Sanktion gegen missliebige Meinungsäußerungen missbraucht worden. Das schadet dem Preis nachhaltig.Es ist zudem der Eindruck entstanden,es seien Kardinal Lehmann und Dr. Steinacker gewesen, die den Ministerpräsidenten zur Aberkennung des Preises bewegt haben, weil sie Vorbehalte gegen Navid Kermani als Preisträger hatten. Sarah Sorge hat es gesagt: Kardinal Lehmann hat mehrmals erklärt, er sei nicht derjenige ge

wesen, der auf die Aberkennung des Preises hingewirkt hat.Aber der Verdacht steht natürlich so lange im Raum, bis die Landesregierung erklärt, wie es wirklich war, und Aufklärung darüber betreibt, wie es zur Aberkennung des Preises von Navid Kermani kam.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch das Kuratorium, das offensichtlich völlig überfordert war oder aber die Entscheidung mitgetragen hat, muss aufgrund dieser Entscheidung hinterfragt werden. Aufgrund der Unfähigkeit der Landesregierung mussten die Preisträger selbst das Problem lösen und die Preisverleihung retten. Auch das ist ein Armutszeugnis. Die vier designierten Preisträger haben sich zusammengesetzt. In einem zweistündigen Gespräch konnten die Missverständnisse ausgeräumt werden. Das bedeutet, dass die Preisträger in zwei Stunden das ausräumen konnten, was die Hessische Landesregierung in drei Monaten nicht geschafft hat. Da stellt sich die Frage, wer eigentlich das größte Hindernis für den interreligiösen Dialog in diesem Land ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Missverständnis auszuräumen wäre die Aufgabe des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei gewesen. Stattdessen hat man kurzerhand den Vertreter der Muslime von der Liste gestrichen, ohne ihn auch nur für würdig zu befinden, ihn rechtzeitig über diese Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Die Form, in der Kermani der ihm verliehene Kulturpreis entzogen wurde, spottet nicht nur jeder Form der Höflichkeit, sondern es ist eine politische Dummheit, und es ist integrationspolitisch ein Desaster.

Das sieht auch der stellvertretende Ministerpräsident und Integrationsminister so.Denn er hat auch erklärt,er hielte die Entscheidung für nicht klug,und der Integration in unserem Land habe die Entscheidung geschadet. Da haben Sie recht, Herr Hahn.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Danke schön!)

Es bleibt schwer vorstellbar, wie der Ministerpräsident Navid Kermani den Kulturpreis nach allem, was passiert ist, überreicht. Die „Frankfurter Rundschau“ gab ihm den Rat, eine Bußrede als Laudatio zu halten. Buße wäre in der Tat in diesem Fall angebracht – nicht nur in diesem Fall.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Aber vielleicht hofft der Ministerpräsident doch noch darauf, dass ihm diese unangenehme Preisverleihung erspart bleibt und er sich doch noch vorher nach Berlin absetzen kann – sozusagen auf zu neuen Peinlichkeiten.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Der Ministerpräsident und die Landesregierung haben eine Gelegenheit vertan, ihrem Image einen neuen toleranten Anstrich zu verpassen. Navid Kermani sagte dazu – ich darf zitieren –: „Kochs Versuch, sich durch die Vermittlerrolle im interreligiösen Dialog von früheren schmutzigen Wahlkämpfen reinzuwaschen, ist gründlich in die Hose gegangen.“

Recht hat er. Die hessische CDU bleibt verbunden mit dem Kampf für Leitkultur, mit den ausländerfeindlichen Wahlkämpfen und dem Anheizen gefährlicher Stimmungen. Sie schüren immer wieder ganz bewusst Ängste und Vorurteile. Nehmen Sie zur Kenntnis: Deutschland ist

multikulturell und multireligiös. Sie täten gut daran, sich dieser Realität zu stellen und an einem offenen Miteinander der Kulturen zu arbeiten. Denn sonst verkommen Integrationskonferenzen nur zu aufwendigen PR-Inszenierungen. Denn Ehrungen und Konferenzen helfen nichts, wenn dem keine Taten folgen, um den Dialog zwischen den Religionen voranzubringen und die Integration in diesem Land voranzubringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Rentsch, Sie haben jetzt Gelegenheit, für die Fraktion der FDP Ihre Positionen vorzutragen. – Vielen Dank, Frau Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Thema Kulturpreis hat dieses Parlament eine sehr ausführliche Debatte vor zwei Monaten abgelegt. Ich glaube, dass in dieser Debatte noch einmal sehr deutlich geworden ist, dass – ich glaube, das gilt für alle Fraktionen – der Dialog bzw.Trialog zwischen den Religionen in unserem Land allen sehr am Herzen liegt. Beim Kulturpreis können wir, so denke ich, feststellen, dass das Ganze ein gutes Ende genommen hat. Ich denke, das ist das Wichtige. Wenn man das liest, was die Preisträger dazu gesagt haben, dann muss ich sagen, dass ich großen Respekt vor diesen Preisträgern habe. Ich habe großen Respekt davor, wie sie es geschafft haben, aus einer sicherlich nicht einfachen Situation heraus wieder einen Dialog in Gang zu setzen und dann auch dazu zu kommen, dass dieser Preis verliehen werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Ich will das hier ausdrücklich noch einmal sagen: Sowohl Herr Steinacker als auch Herr Lehmann sagen beide, dass sie in einer sehr schwierigen Situation vielleicht früher den Kontakt zu Herrn Kermani hätten aufnehmen sollen, um dieses Problem bilateral zu lösen. Ich glaube, das ist ein wenig auch die richtige Richtschnur, die für diese Debatte gilt. Wenn man solche Probleme hat – die Debatte zeigt, dass es in einer Gesellschaft im Jahre 2009 auch zwischen den Religionen zu Missverständnissen kommen kann –,dann ist es wichtig,das relativ schnell auf direktem Wege auszuräumen.

Ein zweiter Umstand wird bei dieser Debatte auch sehr klar, und zwar die Tatsache, dass Glaube – wir hatten das vorhin in einer anderen Debatte;ich finde,Kollege Müller hat dazu sehr eindrucksvoll gesprochen – etwas höchst Persönliches ist. Glaube kann man nicht nach objektiven Maßstäben oder Kriterien beurteilen. Deshalb ist das, was Kardinal Lehmann und Herr Steinacker gesagt haben, dass sie sich durch die Debatte und den Artikel von Herrn Kermani in ihren religiösen Gefühlen verletzt gefühlt haben,auch zu akzeptieren.Meine Damen und Herren,auch diese Tatsache ist zu akzeptieren.

Man sieht an dem Thema aber, dass die Religionen im Jahre 2009 eben noch viel Gesprächsbedarf untereinander haben.Ich glaube,wir sind in Deutschland und auch in unserem Bundesland noch lange nicht so weit, dass man feststellen kann, dass es aufgrund der Tatsache, dass wir alle aufgeklärte Menschen sind, die Zugang zu neuen Medien haben, keine Konflikte mehr zwischen den Religionen gibt. Ich wünsche mir – das ist meine Bitte aus dieser

Debatte heraus –, dass wir es schaffen, einen geordneten Dialog – oder Trialog,wie es so schön heißt – zwischen den großen Weltreligionen in Hessen zu etablieren. Denn die Debatte hört doch nicht heute auf. Dieser Kulturpreis wird jetzt verliehen. Er wird an diese vier Preisträger verliehen,die sich nach einem langen Konflikt dazu bereit erklärt haben, den Preis für den Dialog der Religionen zu übernehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir aus meiner Sicht aber brauchen, ist ein regelmäßiger Dialog,Trialog zwischen den großen Weltreligionen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Denn noch immer gibt es aus den verschiedensten Gründen Missverständnisse über die Frage der Religionen. Ich glaube, dass, wenn wir beim Thema Integration weiterkommen wollen,die Frage,wie Religionen untereinander, miteinander umgehen,eine ganz zentrale Frage ist:Wie ist das Verhältnis der großen Weltreligionen untereinander?

Ich glaube,dass deshalb ein geordneter regelmäßiger Dialog stattfinden muss. Man kann das aus meiner Sicht entweder über die Landesregierung organisieren: dass die Landesregierung einmal im Jahr einen aus meiner Sicht regelmäßigen, auch öffentlichen Dialog organisiert, wo man auch Unterschiede merkt, aber wo ein Austausch stattfindet. Oder – das halte ich für fast noch besser – die Parteien in unserem Bundesland tragen dazu bei, diesen Dialog zu organisieren.Ich könnte mir gut vorstellen,dass die Stiftungen der Parteien, jedes Jahr eine andere Stiftung, diesen Dialog organisieren. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung – warum sollten diese Stiftungen nicht auch versuchen, in ihrer Bildungsaufgabe, aber auch in ihrer guten Verwurzelung in der Gesellschaft, diesen Dialog,Trialog, zwischen den Religionen zu organisieren?

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass ein geordneter Dialog in diesem Bereich für unsere Gesellschaft eine Voraussetzung ist, wenn wir in den nächsten Jahren Integration, aber auch das Zusammenleben der Religionen richtig und offen gestalten wollen. Diesen Vorschlag will ich noch einmal machen. Ich glaube, wir sollten als Parteien vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung machen und vorauseilen. Warum sollten die Parteien oder auch die Landesregierung das nicht organisieren? Auch das würde ich für keinen schlechten Vorschlag halten.

Herr Rentsch, bitte kommen Sie zum Schluss.