Wenn Sie das sagen,dann hat Ihr anderer Satz wieder eine Logik, Herr Schäfer-Gümbel. Wenn man glaubt, dass alle Probleme der Welt ausschließlich dann gut gelöst werden, wenn es im Staatshaushalt steht und es von staatlichen Bediensteten vollzogen wird, dann ist Ihre Art und Weise des Vorgehens logisch, auf der einen Seite über Schulden zu philosophieren und auf der anderen Seite dauernd über Mehrausgaben zu reden und am Ende die Rechnung dem Steuerzahler zu schicken. Das ist aber nicht unsere Politik.
Deshalb wird uns in dieser Legislaturperiode auch die Frage beschäftigen: Wie kann man es schaffen, bürgerschaftliches Engagement einzubeziehen, statt es an jeder Stelle zu diskreditieren, wie Sie es tun? Wir haben in der gestrigen Debatte vom Herrn Innenminister gehört, dass 97 % aller Rettungs- und Hilfeeinsätze von Ehrenamtlichen der Feuerwehren geleistet werden. Auch der Sozialbereich wird nicht überleben können, wenn wir das lange und traditionell gut arbeitende Ehrenamt immer weiter schwächen. Wir werden in der Frage, wie man gerade jungen Menschen helfen kann, die leider Gottes oft nicht genug Zuwendung von der Familie bekommen, nicht allein auf staatliche Infrastrukturen setzten. Das bedeutet nicht, dass wir uns an der Stelle zurückziehen, sondern es bedeutet, dass wir das, was wir nicht in ausreichendem Maße machen können, unter gar keinen denkbaren Umständen alleine dadurch werden hereinholen können, dass wir versuchen, all das in neuen hauptamtlichen staatlichen Organisationen unterzubringen. Daran werden wir scheitern. Seit Willy Brandt haben die Sozialdemokraten versucht, gerade das zu machen. Es war ein vorsichtiger Versuch von Gerhard Schröder, von Franz Müntefering und anderen, die Sie nun in das Geschichtsbuch gestellt haben, die Sozialdemokratie darauf hinzuweisen, dass das in Zukunft so nicht mehr funktionieren wird. Sie von der SPD kommen doch jetzt glücklich von Ihrem Parteitag zurück, weil Sie in die Zeit des letzten Jahrhunderts zurückgefallen sind. Das hat Ihre heutige Rede deutlich gezeigt, Herr Kollege Schäfer-Gümbel.
Wir gehen mit einem erheblichen Selbstbewusstsein an die Frage heran, wer diese Politik gestalten soll – sowohl national als auch in diesem Bundesland. Wir sind froh, dass es eine Bundesregierung aus Vertretern von CDU und FDP gibt, dass wir mit ihr gemeinsam arbeiten können. CDU und FDP in Hessen waren bei vielen Elemen
ten der Art des Zusammenarbeitens und der programmatischen Entwicklung durchaus die Blaupause, weil unsere Zusammenarbeit in diesem Bundesland gelungen ist. Wenn Sie den Herrn Kollegen Hahn in der Weise attackieren wollen, wie Sie es getan haben, sage ich Ihnen: Ich glaube, die hessische FDP hat mit ihrem Maß an Verlässlichkeit viel dazu beigetragen, dass das Wahlergebnis in Hessen und in Deutschland so ausgefallen ist. Das tut Ihnen sehr weh, und deshalb versuchen Sie, die FDP anzugreifen. Das wird Ihnen aber nicht in besonderer Weise gelingen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie glauben, im Rahmen der Abteilung Schlammwerfen auch über den jetzigen Bundesarbeitsminister reden zu können, sage ich Ihnen: Ein Teil dieses Selbstbewusstseins kommt durchaus daher, dass Sie damit leben müssen, dass im Wahlkreis Groß-Gerau in einer ziemlich historischen Dimension ein Christdemokrat – und kein Sozialdemokrat – das Vertrauen der Wähler gewonnen und von diesen einen Auftrag bekommen hat.
Ihnen tut es aber doch weh, dass Sie uns seit Monaten hinterhergehen und jetzt zugeben mussten, dass diese Regierung selbst aus Ihrer Sicht – Sie haben ja wirklich nicht die Absicht, ein gutes Haar an uns zu lassen – die Dinge im Zusammenhang mit Opel richtig gemacht hat. Dafür bedanke ich mich, aber ich sage auch: Hören Sie auf, Schlammkanonen aufzustellen, wenn Sie in der Sache nichts zu einer solchen Entwicklung beizutragen haben.
Wir haben uns in dem, was wir tun, für die kommenden Jahre eine klare Agenda von Prioritäten und Positionen gegeben. Das drückt sich auch in diesem Haushaltsplan aus. Das wird die Politik in den nächsten Monaten und Jahren prägen. Damit meine ich nicht, dass wir nur all das fortsetzen, wovon wir überzeugt sind, es in den letzten zehn Jahren gemeinsam angelegt zu haben, sondern ich meine natürlich auch, dass diese Regierung in den nächsten Jahren, zu Beginn des neuen Jahrzehnts, neue Herausforderungen annehmen muss.
Wenn ich sage, wir ignorieren nicht, was wir bisher gemacht haben, dann meine ich z. B., die Debatte über die Verkehrsinfrastruktur geht weiter. Aber wir sagen Ihnen auch ganz offen: Wir haben auf diesem Feld die grundlegenden Entscheidungen getroffen und werden sie Stück für Stück weiterhin verwirklichen. Wir sehen übrigens inzwischen grundlegende Erfolge, sodass es darüber keinen Streit mehr geben kann. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Wir haben inzwischen eine erhebliche strukturelle Verbesserung Nordhessens erreichen können. Wenn Sie wissen wollen, was das bedeutet, will ich Ihnen nur eine Zahl nennen, die aus einer wissenschaftlichen Untersuchung der Landesbank Hessen-Thüringen stammt und vor wenigen Wochen veröffentlich worden ist.Die Region Nordhessen erreicht inzwischen ein Bruttosozialprodukt, das 102 % des gesamtdeutschen Durchschnitts beträgt
und damit höher ist als das durchschnittliche Bruttosozialprodukt in Nordrhein-Westfalen oder in Niedersachsen.
Wenn ich diesen Satz vor zehn Jahren im Hessischen Landtag gesagt hätte, hätte ich Proteststürme in Nordhessen und Ihr Gelächter ausgelöst. Wenn es heute anders wäre, würden Sie sagen, wir hätten uns nicht um Nordhessen gekümmert. Wir sehen, dass das, was wir beschlossen haben, seit vielen Jahren Stück für Stück und Schritt für Schritt umgesetzt wird. An dieser Stelle nehme ich auch die SMA für uns in Anspruch; denn es waren Walter Wallmann und Wolfgang Gerhardt, die die Idee hatten, diese Technologie einzuführen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Günter Rudolph (SPD):Geschichtsklitterung!)
Über lange Jahre hinweg haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen, um die Möglichkeiten zu schaffen, die wir heute haben.
Ich weiß, das tut Ihnen weh, aber es ist nun einmal so. Die Zukunftsentscheidungen für Technologie sind in Hessen noch nie bei Regierungen unter Ihrer Führung gefallen.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Größenwahn! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Daraus schöpfen wir die Diskussionsautorität, auch über neue Projekte zu sprechen. Wir beginnen jetzt mit neuen Projekten. Eines der neuen Projekte, im letzten Jahr begonnen und von uns fortgesetzt,läuft unter dem Stichwort Nachhaltigkeit.
Die Nachhaltigkeit ist ein Projekt,das uns in den nächsten Jahren sehr beschäftigen wird, weil wir eine sehr konkrete Absicht haben. Das sage ich sehr offen. So, wie Sie, Herr Al-Wazir, sagen, Sie seien die neue Führung der linken Mitte, so sage ich, wir werden Ihnen die Definitionshoheit über den Begriff Nachhaltigkeit streitig machen.Wir werden mit den Bürgern darüber reden, wie eine wirklich nachhaltige Politik aussieht.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie auch die Nachhaltigkeit erfunden? – Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, nachhaltiger Schaden!)
Dazu gehört sehr Unterschiedliches. Da wird das Präsentieren von Windrädern nicht reichen, sondern wir reden ganz konkret darüber, dass sich diese Landesverwaltung in eigener Verantwortung das Ziel gesetzt hat, in dem, was sie produziert, leistet und verbraucht, eine CO2-neutrale Verwaltung zu werden.
Keiner von Ihnen hat das als Erster beantragt, sondern die Nachhaltigkeitskonferenz hat das beschlossen. Danach haben auch Sie es beantragt. Das macht das Projekt prinzipiell aber noch nicht schlecht. Das wollen wir uns gegenseitig zugestehen.
Sie werden damit leben müssen, dass Sie gelegentlich Rudimente Ihres eigenen Schaffens in meiner Arbeit wiederfinden.
Sie werden aber gleich sehen, wo der Unterschied ist. – Das ist Ihre Hoffnung. Herr Kollege Al-Wazir, Sie sind ja ein großer politischer Führer, wie ich sehe.
Es sollte für die Sozialdemokraten ein interessanter Gedanke sein, dass die GRÜNEN inzwischen der Meinung sind, sie – und nicht mehr die Sozialdemokraten – seien die Führer der linken Mitte. Jetzt müssen sich die SPDKollegen überlegen, ob sie das für arrogant, überheblich oder für einen realistischen Anspruch halten. Das zu tun ist nicht meine Aufgabe.
Aber eines ist an der Stelle klar: Sie hatten durchaus die Chance, näher über die Frage zu reden, wie viel Einfluss Sie in einer bürgerlichen Regierungen haben können. Sie wollten diesen Einfluss nicht haben. Das machen jetzt andere in Deutschland und übernehmen die politische Führung. Es waren Sie – da meine ich in der Tat Sie von der Partei mit dem großen S vorne –, die sich nicht getraut haben, politische Diskussionen über Ihre alten Kampflinien hinaus zu führen. Auch dafür haben Sie vom Wähler eine Quittung bekommen. Seit ich meine Partei führe, sind wir an der Regierung,seit Sie Ihre Partei führen,Herr Kollege Al-Wazir, sind Sie in der Opposition. Auch das ist ein Stück Realität, mit dem man an der Stelle umgehen muss.
Das enthebt Sie zwar nicht der Chance, einen guten Gedanken zu haben, aber es enthebt Sie der Chance, diesen Gedanken in die Politik der Regierung einzubringen.Wir machen das, was wir für richtig und notwendig halten. Ich sage es noch einmal: Eine CO2-neutrale Landesverwaltung ist ein Ziel, dass uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren von Projekt zu Projekt zunehmend beschäftigen wird.
Heppenheim in diesen Tagen: Im Rahmen eines PPP-Projekts soll bundesweit erstmals ein Behördengebäude nach dem Passivhausstandard ausgebaut werden.
Ja, wir wollen das zeigen. Wir haben zusammen mit den hessischen Hochschulen ein gesamtes Programm erstellt. Wir schaffen jetzt über Verwaltungsdienststellen eine Wettbewerbsstruktur, bei der es darum geht, über die unterschiedlichsten Modelle so schnell wie möglich den Energieverbrauch zu reduzieren.
Ja, wir wollen Energieverschwendung vermeiden. Wir wollen die Energie effizient einsetzen. Wir werden bei dem, was am Ende übrig bleibt, möglicherweise auch kompensieren müssen.
Wir wollen das in eine Strategie umsetzen. Dies wird die erste Verwaltung in Deutschland sein, die ihr gesamtes Handeln an einem solchen Projekt ausrichtet. Inzwischen nehmen Hunderte von Mitarbeitern quer durch die Verwaltung daran teil. Sie lernen Neues und ändern ihr Verhalten – wie auch in einigen anderen Punkten, die ich beschreiben werde. Das geschieht, indem wir diesen Standard setzen und dann die Autorität entwickeln, dies auch anderen gegenüber zu vertreten.
Ja, sie ist dabei, und sie wird es so vorlegen, dass Sie genügend Zeit haben, darüber zu diskutieren. – Sie wird ein Energieprogramm erstellen, das davon ausgeht, dass wir mit Einsparungen arbeiten.
Aber auch die andere Seite bleibt wahr. Wir wollen, dass Energie weiterhin zu preiswerten Bedingungen zur Verfügung steht. Wir wollen erreichen, dass wir als ein wirtschaftstarkes Land mit nachhaltiger Wirtschaft und regenerativen Energien umgehen. Das war immer unser Konflikt.