Protokoll der Sitzung vom 08.12.2009

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich hatte mir vorgenommen, hier wirklich ohne Emotionen vorzutragen.Aber das fällt schwer. Herr Schaus, ich weiß nicht, wo Sie leben.

(Zuruf: Er lebt in Neu-Anspach!)

Lassen Sie das sein. Das ist kein Anlass, zu lachen.

Haben Sie eines wirklich völlig ignoriert? – Ich habe mir das mitgeschrieben. Sie haben gesagt, die Terrorismusbekämpfung sei kein Kernbereich der polizeilichen Arbeit. In Hessen und in jedem anderen Land sind Hunderte von Polizeibeamten jeden Tag mit nichts anderem beschäftigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE):Von 15.000!)

Haben Sie völlig ignoriert, dass z. B. drei Personen jetzt vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf stehen, weil sie 2 km von der hessischen Landesgrenze entfernt festgenommen wurden? Es geht dabei um die sogenannte Sauerland-Gruppe. Dabei geht es um Terroristen, die hier ein Blutbad anrichten wollten. Sie wurden im größten Einsatz, den die hessische Polizei jemals hatte, ein Jahr lang überwacht. Gott sei Dank wurden sie im Zusammenwirken mit der Bundespolizei im letzten Moment daran gehindert, hier Blutbäder anzurichten.

Ich habe gelegentlich den Eindruck,dass hier manche völlig frei von der Wirklichkeit diskutieren. Das kann ich nicht hinnehmen.

Die Leute, die da mitgewirkt haben, haben wochenlang wirklich in herausragender Weise gearbeitet. Wenn dann der Sprecher einer Fraktion hier erklärt, die Terrorismusbekämpfung gehöre nicht zum Kernbereich der Arbeit unserer Polizei, dann muss ich dazu sagen: Lieber Herr Schaus, Sie haben nichts verstanden. Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Deswegen die Kfz-Kennzeichenüberwachung! Deswegen der große Lauschangriff!)

Wir sollten nicht immer nur mit betroffenen Mienen dastehen, wenn etwas geschehen ist.Wir werden heute über das Grundgesetz der polizeilichen Arbeit beschließen. Das Land Hessen hat bereits eines der modernsten Polizeigesetze der Bundesrepublik Deutschland. Das ist un

bestritten. Denn wir hatten viele Instrumente schon vor Jahren in unserem Gesetz, die viele erst später aufgenommen haben.

Jetzt steht eine Novellierung an. Dabei wird das Polizeigesetz so novelliert, dass es Maßstäbe für eine moderne Arbeit der Polizei und für die Wahrung der Bürgerrechte setzt. Das Gesetz wird sich sehen lassen können.

Meine Redezeit ist beschränkt. Ich könnte zu allem Möglichen etwas sagen. Ich will das vermeiden.

Ich will auf zwei oder drei Gesichtspunkte eingehen, damit unsere Zuhörer wissen, über was wir hier eigentlich streiten. Sie haben hier erwähnt, die grundlegende Aufgabe von uns sei, Sicherheit und Freiheit auch unter dem Aspekt neuer Herausforderungen immer richtig abzuwägen. Das ist eine unserer wesentlichen Aufgaben. Das bestreitet doch niemand. Ich behaupte, dass das hiermit gut gelungen ist.

Ich beteilige mich auch nicht an dem nicht wirklich zielführenden Wettbewerb, wer der Liberalste oder wer der Nichtliberalste ist. Das kann für die Landesregierung kein Thema sein.

Mich interessieren auch keine Parteitagsbeschlüsse. Das sind alles Diskussionen, die Sie führen können, wo Sie wollen.

Herr Kollege Frömmrich und Frau Kollegin Faeser, was mich interessiert, ist Folgendes: Man kann der Auffassung sein, dass wir das alles nicht bräuchten. Dann muss man aber der Bevölkerung auch sagen, dass wir in weiten Teilen keine Möglichkeit mehr haben werden, zu handeln.

(Nancy Faeser (SPD) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Frömmrich, das stimmt. Wenn Sie der Auffassung sind, dass das nicht stimmt, dann fordere ich Sie auf, sich hierhin zu stellen.

Der Unterschied besteht in Folgendem.Wer die Telekommunikationsüberwachung, wie wir sie hier vorsehen, für nicht zulässig hält, der muss eine Antwort auf die Frage geben, was er für zulässig hält.

(Nancy Faeser (SPD): Das haben wir getan!)

Anders, als es vor ein paar Jahren noch der Fall war, steigt der Anteil der Internettelefonie permanent.Früher haben die Leute mit ihrem normalen Telefon telefoniert. Mittlerweile haben wir in der Bundesrepublik Deutschland mehr Handys als Einwohner. Es sind über 100 Millionen.

Mittlerweile gibt es die Internettelefonie. Das ist eine völlig andere Technik.Angesichts dessen, was wir heute auch an rechtlichem Instrumentarium haben, können wir die Internettelefonie nicht überwachen. Wenn wir das nicht können, erfahren wir nicht, was die Straftäter vorhaben.

Herr Frömmrich, ich sage das jetzt zum Mitschreiben. Die Gefahrenabwehr ist genau der Punkt, bei dem wir eine herausragende Pflicht haben.Die Strafverfolgung ist nicht die wichtigste Aufgabe der Polizei. Das ist eine nachrangige Aufgabe. Die wichtigste Aufgabe ist die Gefahrenabwehr.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es muss uns immer darum gehen, dass Unschuldige nicht Opfer werden. Es bringt jemandem relativ wenig, der umgebracht wird, der an Leib und Leben zerstört wird, dass man hinterher – hoffentlich – den Straftäter findet. Das

muss auch sein.Aber besser wäre es, es würde ihm erst gar nichts passieren.

Herr Kollege Bellino hat einige Beispiele genannt. Wir wissen, dass bei der organisierten Kriminalität heute nahezu zu 90 % über das Internet kommuniziert wird. Beim Terrorismus wird ausschließlich über das Internet kommuniziert.

Wo wird kommuniziert? – Ich muss das noch einmal erwähnen. Drei Täter stehen vor Gericht. Einer stammt aus dem Rhein-Main-Gebiet, also nicht irgendwo aus Kurdistan oder Afghanistan. Um ihn herum gibt es eine ganze Gruppe, die wir ununterbrochen überwachen müssen.

Das ist doch die Wirklichkeit.Sie können heute in der Zeitung lesen, dass wir jemanden, der hier lebt, gehindert haben,auszureisen.Denn er hat sich in einem Camp,das sich im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan befindet, zu einer terroristischen Ausbildung angemeldet.

Sie sind alle hier,nicht irgendwo sonst.Das ist unsere Aufgabe.

Wenn wir erfahren wollen, was sich dort tut, dann müssen wir der Polizei eine rechtlich saubere Grundlage für ihre Arbeit geben. Das wollen wir tun.

Man kann auch Zweifel haben, wie Sie das ausgeführt haben. Dann müssen Sie sagen, was Sie stattdessen tun wollen.

(Nancy Faeser (SPD): Das haben wir doch!)

Beim Internet gibt es außer der Quellen-TKÜ nichts.

Zweite Bemerkung. Ich halte es für richtig, das Kennzeichenlesegerät einzusetzen.Das Bundesverfassungsgericht hat mitnichten gesagt, dass das verfassungswidrig wäre.

(Nancy Faeser (SPD): Es hat Ihr Gesetz für nichtig erklärt!)

Es hat bedauerlicherweise unser Gesetz aufgehoben. Genau deshalb haben wir dieses Gesetz neu formuliert.

(Nancy Faeser (SPD): Nein, das haben Sie nicht!)

Wenn Sie sich die Mühe machen, beide Fassungen einmal miteinander zu vergleichen, dann werden Sie sehen, dass der Gesetzentwurf sehr sorgfältig entlang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt wurde. Herr Kollege Greilich hat darauf hingewiesen. Ich halte das für richtig.

Eines kann ich mir nicht vorstellen. Wenn die Hooligans, gerade bei Fußballveranstaltungen, alles kurz und klein schlagen, kommt es jedes Mal zu diesem tränenreichen Geheul. Wir haben ein System. Wir kennen einige, die jedes Wochenende unterwegs sind. Ich sage das jetzt einmal so, damit das nicht so theoretisch klingt. Ich möchte z. B. auf der Autobahn 3 mithilfe des Kennzeichenlesegerätes denjenigen herauswinken können, von dem wir wissen, dass er mit seinem Auto dahin fährt und nichts anderes vorhat, als Gewalttaten zu begehen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Schutzhaft!)

Ich finde es richtig,ihn erkennen zu können und ihn daran hindern zu können, Straftaten zu begehen. Das ist besser, als im Nachhinein tätig zu werden. Deshalb ist das notwendig.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Dabei geht es um die Juristerei. Sie haben erklärt, die Änderung der Betretungsrechte sei ein ungeheuerlicher Eingriff. Dazu ist die Sauerland-Gruppe genau das richtige Thema. Die drei, die da ihr hochexplosives Gemisch gemacht haben – –

(Zurufe)

Herr van Ooyen, Sie haben sicherlich Erkenntnisse, die weit über meine hinausgehen. Mit Ihnen will ich nicht streiten.

Diejenigen haben jedenfalls ihr hochexplosives Gemisch in der Garage hergestellt. Ich sage das jetzt nur kurz für Nichtjuristen zum Mitschreiben: Im Sinne des Rechts ist die Garage eine Wohnung. – Wenn man in die Garage nicht hinein darf – wie das vorgesehen war – und wenn dort keine Überwachung vorgenommen werden kann, dann weiß ich nicht, wie man verhindern will, dass dort 22 Fässer hochexplosives Gemisch zusammengebraut werden, die anschließend an irgendeiner Stelle der Bevölkerung unter den Hintern gelegt werden. Das ist die Wirklichkeit.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wenn Gefahr in Verzug ist, können Sie doch hinein! Das geht schon jetzt!)

Genau deshalb ist eine unserer Forderungen bundesweit gewesen, dass wir mit richterlichen Unterstützungen, also nicht,wie es uns irgendwie einfällt,unter ganz bestimmten Voraussetzungen auch in diesem geschützten Bereich entsprechende Maßnahmen durchführen können.

Herr Bouffier, gestatten Sie eine Zwischenfrage?