Protokoll der Sitzung vom 08.12.2009

Herr Bouffier, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte das nicht. Meine Redezeit ist sehr weit fortgeschritten.

Ich will eines ausdrücklich deutlich machen. Ich akzeptiere, dass jemand sagt: Ich halte solche Maßnahmen für falsch. – Ich erwarte dann aber, dass er intellektuell redlich ist und sagt: Dann machen wir das eben nicht. – Oder er muss sagen, wie man es anders machen kann. Sich hinzustellen und zu sagen: „Ich habe Bedenken, ich wiege in meinem Kopf die Überlegungen von A nach B“, nützt nichts.

Wir sind der Auffassung, dass zwischen dem Kernbereich der bürgerlichen Freiheiten, der immer zu achten ist, und der notwendigen juristischen Grundlage für polizeiliche Arbeit ein sehr guter Kompromiss getroffen wurde. Meine Damen und Herren, die Polizei braucht für ihre Arbeit vieles.Sie braucht aber vor allen Dingen einen klaren rechtlichen Handlungsrahmen. Der muss so klar sein, dass wir dann, wenn eine schwierige Lage entsteht, den Polizeiführer vor Ort nicht im Unklaren darüber lassen, was er darf und was er nicht darf. Deshalb bin ich dafür, dass die Dinge im Gesetz klar geregelt werden.

Wenn Sie mir eine abschließende Bemerkung erlauben: Die Polizei braucht neben Gesetzen, neben Ausstattung und Personal und vielem anderen auch die Unterstützung der Öffentlichkeit und eines Landesparlamentes. Wenn ich sehe, was z. B. in den vergangenen Tagen – Stichwort Frankfurt und Casinoräumung – einige Leute der Polizei vorwerfen, obwohl acht Fernsehteams bei der Räumung

waren und jeder gesagt hat, es sei ordnungsgemäß gelaufen und niemand verletzt worden,

(Zurufe der Abg. Janine Wissler und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

wenn es Professoren gibt, die von Übergriffen der Polizei sprechen, dann finde ich das nicht in Ordnung. Ich weise das in aller Form zurück. Die Polizei verdient unsere Unterstützung gerade dann, wenn sie in schweren Zeiten angegriffen wird. Beispiele gibt es in der Bundesrepublik zuhauf. Das, was wir heute haben, ist ein modernes Gesetz, ein gutes Gesetz. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Bouffier. – Die Reihenfolge der Wortmeldungen geht weiter. Herr Frömmrich, Sie haben fünf Minuten 30 zur Verfügung.

Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrter Herr Innenausschussvorsitzender! Sehr verehrter Herr Bouffier,Sie machen es immer wieder.Dadurch wird es nicht richtiger, wenn Sie sich hier vorne hinstellen, diese Beispiele bringen und diese Gefahrenszenarien darstellen.

(Minister Volker Bouffier: Die sind echt!)

Nein,ich weiß,dass die echt sind.Aber Sie tun so,als hätten wir heute keine adäquaten polizeilichen Mittel, um dem zu begegnen. – Herr Bouffier, Sie haben gerade gesagt,dass Sie bei der Sauerland-Gruppe so erfolgreich waren, liege daran, dass Sie genau diese Sachen alle gemacht haben. Herr Bouffier, Sie haben es alles ohne die Befugnisse gemacht, die Sie jetzt gerade versuchen ins Polizeigesetz zu schreiben, weil Sie die vorher schon hatten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Weil Sie beim Terrorismus – terroristische Vereinigung – waren, sind Sie im Bereich Verfassungsschutzgesetz. Darin haben wir es geregelt.Wir haben es in der Strafprozessordnung geregelt. Dort ist geregelt: „zur Vorbereitung einer Straftat …“ – Das fängt das schon ab.

Wir haben es im BKA-Gesetz geregelt. Wir sind vorhin von Herrn Greilich für Sicherheitsgesetze gescholten worden, dass die Koalition in Berlin gewisse Sachen gemacht hat.Tun Sie bitte nicht so, als ob man dadurch, dass man auf diese problematischen Dinge, die auch vom Bundesverfassungsgericht als sehr problematisch eingestuft werden, verzichtet, sozusagen dem Terrorismus und den Straftaten Tür und Tor öffnet. Das ist eben nicht der Fall. Sie spielen mit Ängsten der Menschen, und das geht so nicht, Herr Innenminister.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Es ist nicht nur die Opposition im Hause. Ich habe es vorhin schon gesagt, was die Jungen Liberalen angeht. Sie haben alle den Brief des Datenschutzbeauftragten bekommen, der sich noch einmal geäußert hat, was die Kfz-Lesegeräte angeht: Die gefundene Lösung enthält jedoch weiterhin Elemente, die dem repressiven Bereich zuge

ordnet sind und für die keine Gesetzgebungskompetenz beim Landesgesetzgeber liegt.

Es ist der Datenschutzbeauftragte des Landes, der das sagt. Das sollten Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie der Opposition nicht glauben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Ein weiteres Zitat. Wenn Sie sich bei der Anhörung, wo man sich den Sachverstand der Experten, der Professoren der Rechtswissenschaften und andere einlädt, einmal anhören, was z. B. Prof. Dr. Gusy von der Universität in Bielefeld zu dem gesamten Komplex sagt:

Während gegenwärtig in der Diskussion um Freiheit und Sicherheit eine neue Balance angemahnt wird, findet sie sich in diesem Gesetzentwurf nicht.

Nehmen Sie das doch zur Kenntnis. Oder zur Frage der Rasterfahndung und der Wohnraumüberwachung.Dr.Patrick Breyer, Jurist, Rechtsanwalt, war in der Anhörung:

Die Strafprozessordnung deckt den Bereich begangener Straftaten …, versuchter Straftaten …, geplanter Verbrechen... und terroristischer Gruppierungen …

dahinter stehen jeweils die Paragrafen –

bereits ab. Jenseits dieses Bereiches ist die praktische Relevanz einer Rasterfahndung, bei der Daten Tausender unverdächtiger Bürger aus den verschiedenen Lebensbereichen zusammengeführt werden, nicht dargetan. Bei Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben verbleibt kaum ein Anwendungsbereich für die Rasterfahndungen.

Herr Innenminister, wir können gern darüber streiten, welche Maßnahmen Sie für sinnvoll halten und welche Maßnahmen wir nicht für sinnvoll halten. Wir müssen alles im Blick darauf tun, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten. Hier geht es um elementare Grund- und Freiheitsrechte. Darauf sind wir stolz. Diese Grund- und Freiheitsrechte wollen wir erhalten, verteidigen und nicht permanent einschränken. Es ist nicht nur die böse Opposition,die das sagt.Es sind auch die Rechtsgelehrten in der Anhörung, die das gesagt haben. Es sind auch Praktiker, die das gesagt haben.

(Horst Klee (CDU): Nicht alle!)

Nehmen Sie das einfach zur Kenntnis, und tun Sie nicht so, als würden diejenigen, die anderer Auffassung sind, dem Terrorismus und Straftaten Tor und Tür öffnen. Das ist nicht der Fall, weil wir andere gesetzliche Regelungen in anderen Gesetzen haben, um Gleiches machen zu können. Wir brauchen es nicht in der Gefahrenabwehr. Wir brauchen es nicht im hessischen Polizeigesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke sehr, Herr Frömmrich. – Als Nächste hat Frau Kollegin Faeser für die SPD-Fraktion das Wort.Fünf Minuten 30, Frau Faeser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Innenminister, auch ich will dem Eindruck entgegentreten. Sie haben in Ihrer Rede das gemacht, was Sie immer machen, wenn Sie offensichtlich nicht auf die einzelnen Regelungen des Gesetzes eingehen wollen. Sie haben hier einen Popanz aufgebaut, dass alle, die etwas an dem Gesetzentwurf zu kritisieren haben, gegen die Polizei wären, gegen Regelungen gegen Terrorismus.Das ist schlicht falsch.Wir stehen hier, um ein modernes Polizeigesetz zu schaffen, das die Bürgerrechte wahrt – das, was Herr Greilich eigentlich eingefordert hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das völlig zu ignorieren ist schon ein Kunststück. Deswegen wollen wir dem entgegentreten und der Bevölkerung sagen, dass es uns gerade darum geht, dass die Polizei in Hessen auch ein rechtssicheres Gesetz hat, eines, das der Verfassung entspricht, und kein verfassungswidriges, das möglicherweise demnächst aufgehoben wird. Darum geht es hier. Darum wäre es in dieser Debatte gegangen. Herr Innenminister, Sie haben kein Wort dazu gesagt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich möchte Sie daran erinnern: Sie haben zur Kennzeichenerfassung gesagt: Ja, da gab es ein Problem. – Herr Innenminister, § 14 Abs. 5 Ihres jetzt geltenden Gesetzes ist für verfassungswidrig erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Absatz für verfassungswidrig erklärt.Es steht immer noch im neuen Gesetzentwurf.Mir hat noch niemand erklären können,warum es immer noch darin steht, obwohl das Bundesverfassungsgericht es bereits für verfassungswidrig erklärt hat.Was soll denn das? Herr Innenminister,dazu hätte ich eine Antwort erwartet.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Innenminister, Sie haben doch geklagt. Sagen Sie doch, was Sie wollen. Ich habe sehr umfangreich vorgetragen, was wir statt Ihrer Regelungen wollen. Darauf sind Sie in keinster Weise eingegangen.Wenn ich QuellenTelekommunikationsüberwachung lese und sage, dass Sie den Kernbereich der Privatsphäre nicht ausreichend schützen und dass es deshalb geändert werden muss, dann erwarte ich, dass darauf eingegangen wird. Der Eindruck, den ich von Ihrer Rede habe, bestärkt uns das darin, das rechtlich überprüfen zu lassen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Danke sehr, Frau Faeser. – Herr Greilich, Sie haben als Nächster das Wort. Fünf Minuten 30 stehen auch für Sie zur Verfügung.

Ich glaube kaum, dass ich fünf Minuten 30 brauchen werde.

Entschuldigung, fünf Minuten.

Auch die werde ich hoffentlich nicht brauchen.Aber so einiges, was die beiden Vorredner gesagt haben, kann einfach so nicht stehen bleiben.

Kollege Frömmrich, ich finde es schon mittlerweile mehr als unangenehm und reichlich dreist, wenn Sie hier aus einem Brief des Hessischen Datenschutzbeauftragten aus der Zeit vor der Ausschussberatung zitieren. Sie waren jedenfalls im Ausschuss dabei und haben leider nicht aufgepasst, dass wir genau das, was der Datenschutzbeauftragte vorgeschlagen hat,1 :1 in das Gesetz übernommen haben, womit das alles hinfällig ist. Das ist der eine Punkt.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Zweiter Punkt. Ich kann es nicht mehr hören – auch von Ihnen nicht, Frau Faeser –, wenn Sie sich um die Frage herummogeln, wie das denn ist, wenn der Terrorist oder der Vertreter der organisierten Kriminalität nicht mehr sein Handy nimmt,sondern einen Ohrhörer mit Mikrofon in den Computer stöpselt und per Internet telefoniert. Wollen Sie den nicht vernünftig überwachen lassen?

Wir haben eine Regelung gefunden, die rechtsstaatlich in Ordnung ist, mit der man vernünftig arbeiten kann und die wir brauchen. Das ist genau der Unterschied zwischen der Art und Weise, wie Sie mit diesem Gesetzentwurf umgehen, und der Art, wie wir damit umgehen. Wir gehen verantwortlich damit um. Wir sagen: Die Freiheitsrechte unserer Bürger bedeuten auch, dass wir überhaupt erst einmal die Sicherheit gewährleisten, in der diese Freiheitsrechte ausgelebt werden können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren,das haben wir in teilweise sehr mühsamen Verhandlungen – wer uns kennt, der kann das nachvollziehen – miteinander besprochen.Wir haben Regelungen gefunden, die tragfähig sind, um die die Rechte wie auch die Sicherheit der Bürger schützen.

Herr Kollege Frömmrich, ich empfehle Ihnen eines: Holen Sie sich ein bisschen Rat ein. Ich kann verstehen, dass die schwierigen Unterscheidungen zwischen Polizeirecht und Strafprozessrecht, für die andere viele Semester lang studieren müssen, nicht so einfach nachvollziehbar sind.