Protokoll der Sitzung vom 03.03.2009

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Trauen Sie denen nicht?)

Ich denke, es macht durchaus Sinn, eine gewisse Zielrichtung vorzugeben. – Dass ich mit meinen Befürchtungen nicht ganz alleine stehe, hat durchaus auch der Finanzminister auf der Pressekonferenz bestätigt. Er hält nicht jeden Kunstrasenplatz, den sich Bürgermeister vorstellen, für sinnvoll und wirkungsvoll. Von daher sollten wir schauen, dass wir den Investitionen eine bestimmte Richtung geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten auch dafür sorgen, dass tatsächlich in nachhaltige Projekte investiert wird. In der Vergangenheit hatte der Geldmangel in den Kommunen durchaus das Gute, dass nicht alles, was wünschbar war und nicht immer sinnvoll gewesen ist, ermöglicht werden konnte. Er hat disziplinierend gewirkt und war eine Stellschraube.

Wenn diese Stellschraube jetzt ganz weggenommen wird, entstehen natürlich andere Begehrlichkeiten. Daher unser Vorschlag: Lassen Sie uns hier in sinnvoller nachhaltiger Weise investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser eindringlicher Appell an Sie: Rücken Sie von der einseitigen Bevorzugung des Straßenbaus ab. Es gibt durchaus Maßnahmen, auch im ÖPNV, die schon 2009 umsetzbar sind.Auch Ihnen liegt eine Liste des RMV mit Maßnahmen vor, die 2009 umsetzbar wären. Ich kann es nicht akzeptieren, wenn gesagt wird, das sei 2009 nicht zu regeln. Es ist zu regeln, wenn Sie sich darauf einlassen. Dann können wir auch im ÖPNV einen Schwerpunkt setzen, statt nur Straßen zu sanieren und in den Kreis- und Gemeindestraßenbau zu investieren. Lassen Sie uns in nachhaltige Zukunftsprojekte investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein wichtiger Punkt betrifft die Finanzierung der Zinslasten. Die haben schon zu vielen Berechnungen Anlass gegeben. Es ist unbestritten – das wurde im Ausschuss von allen bestätigt –, dass eine Finanzierung der Zinslasten aus der Finanzausgleichsmasse des KFA zu einer stärkeren Heranziehung der finanzschwachen Kommunen führt und diese benachteiligt. Sie müssen nämlich die Kosten für Investitionen der einwohnerstarken Städte mitfinanzieren. Es ist sogar der Extremfall denkbar, dass eine Kommune, die überhaupt nicht investiert, Investitionen – z. B. für Eschborn oder Frankfurt – über die Zinsprogramme mitfinanzieren muss.

Daher unterbreiten wir Ihnen einen Vorschlag für eine Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs. Wir wollen, dass jede Kommune nur für die Zinszahlungen in Anspruch genommen wird, für die sie auch Investitionsvolumen abruft. Ich denke, das ist ein sinnvoller Vorschlag, um hier Ungerechtigkeit aus dem Weg zu räumen. Im Ausschuss konnten wir feststellen, dass auch die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände das als einen durchaus gangbaren Weg ansehen. Wir halten es für sinnvoll, jetzt im Gesetz festzulegen, dass wir den KFA an dem Punkt ändern wollen, statt sich darauf zu verlassen, dass man sich bei späteren Verhandlungen im KFA einigen wird. Daher unser Vorschlag: Lassen Sie uns das jetzt tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum letzten und wichtigsten Punkt, zu unserem Entschließungsantrag. Wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt und möchten damit einen Punkt ansprechen, der nicht im Gesetz verankert ist, der aber in engem Zusammenhang mit diesem Gesetz steht und aus unserer Sicht von großer Bedeutung ist. Es geht um das Vergaberecht.Wir stimmen Ihnen in unserem Entschließungsantrag zu, dass es sinnvoll ist, schnell Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, und dass es in der Situation, in der wir jetzt sind, durchaus Sinn machen kann, einige Regeln des Vergaberechts vorübergehend zu lockern. Das gestehen wir Ihnen zu.

Wir denken aber, das darf nicht über das Maß dessen hinausgehen,was der Bund festgelegt hat.Wir verstehen nicht – das kritisieren wir mit unserem Antrag eindeutig –, dass

Sie die Zeitspanne länger als der Bund fassen wollen. Das Gesetz betreffend kommunale Infrastrukturmaßnahmen soll ja Investitionen im Jahre 2009 pushen. Warum jetzt mit Hinweis auf dieses Gesetz die Vergaberichtlinien bis zum Jahre 2012 ausgesetzt werden sollen, erschließt sich mir nicht. Ich denke, wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht den engeren Zeitrahmen nehmen, den das Bundesgesetz vorschreibt.

Das Gleiche gilt für die Wertgrenzen für freihändige Vergaben. Auch hier sollten wir uns am Bundesrecht orientieren. Ich halte es auch für schwierig, in einem Gesetz sozusagen zwei verschiedene Rahmen für das Vergaberecht zu haben – weitere Vorschriften in Hessen und engere Vorschriften des Bundes. Daher unsere Bitte: Nähern Sie sich unserem Entschließungsantrag, und nähern Sie sich unseren Änderungsvorschlägen. Sie ermöglichen damit, eine breitere gesellschaftliche Basis für das hessische Infrastrukturprogramm zu schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank,Frau Erfurth.– Herr Schmitt,ich darf Sie für die SPD-Fraktion zum Mikrofon bitten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die informelle Anhörung, die wir am gestrigen Tage zu dem Gesetzentwurf betreffend ein hessisches Konjunkturprogramm durchgeführt haben – es war deshalb eine informelle Anhörung, weil wegen des Zeitdrucks das übliche Verfahren nicht eingehalten werden konnte –, hat deutlich gemacht, dass sehr viele Anzuhörende sagen: Es wird richtig gehandelt, wenn die Konjunktur angekurbelt wird, das ist dringend notwendig.– Die 2,6 Milliarden c,die aus Mitteln des Bundes und des Landes fließen sollen, sind immerhin ein beachtlicher Betrag; das wären etwa 0,6 % des hessischen Bruttoinlandsprodukts.

Wir haben deswegen den Vertreter der Bauwirtschaft, des Bauhauptgewerbes, der das Programm natürlich begrüßt hat, gefragt: Wie sind die Auswirkungen? Könnt ihr das überhaupt schaffen? Führt das nicht zu einer Überhitzung und vielleicht sogar zu einem Preisauftrieb, den wir nicht brauchen können? – Die Antwort lautete, dass die Bauwirtschaft das schafft, das Programm sei notwendig; man könne sich sogar vorstellen, dass das Programm über zwei Jahre gestreckt wird.– Darin steckt in der Tat der Hinweis, dass das möglicherweise nicht alles in diesem Jahr umgesetzt wird. Es wurde aber auch gesagt, das Programm werde nicht zu einem Preisauftrieb führen.Wir werden sehen, ob es tatsächlich so kommt. Wir fordern deshalb mit unserem Änderungsantrag, im Jahre 2010/2011 zu evaluieren, ob das tatsächlich eingehalten worden ist.

Das Ergebnis der Anhörung lautete, insgesamt gesehen: Ja, macht das, es ist richtig. – Allerdings gab es im Detail Kritik. Man muss sagen, dass der Gesetzentwurf nach der ersten Lesung nicht schlechter geworden ist. Er ist nämlich nicht geändert worden. Er ist aber leider auch nicht besser geworden.

Wenn man sich ansieht, wie die Kritik im Detail aussieht, kann man sagen, dass viele, viele Punkte, die wir in der Anhörung angesprochen haben, als kritisch bestätigt wurden.Herr Finanzminister,dazu könnte man sagen – das ist ein bisschen Ihre Haltung –: Einem geschenkten Gaul

schaut man nicht ins Maul. – Wer sich ein bisschen auskennt, der weiß aber, dass auch geschenkte Gäule sehr, sehr teuer werden und erhebliche Folgekosten nach sich ziehen können. Die kommunalen Wünsche bei den Investitionsmaßnahmen sind schon angesprochen worden. Man kann darauf vielleicht nur antworten: Was wir jetzt brauchen, sind sicherlich keine Dressurpferde, sondern Arbeitspferde. Diesen Hinweis gebe ich in Richtung kommunale Selbstverwaltung.

Ich will aber auf die Detailkritik zurückkommen. Da hat sich noch einmal bestätigt, was wir Ihnen hier vorgerechnet haben, dass nämlich die Zinslast für Maßnahmen des Programms sehr ungerecht verteilt wird. Die Hoffnung der Kommunalen Spitzenverbände ist, dass dies irgendwann einmal über den Kommunalen Finanzausgleich geregelt wird. Das ist aber nur eine Hoffnung. Die ist durch nichts begründet. Ich finde, wenn man in der Verteilung der Zinslast eine zusätzliche Ungerechtigkeit einführt, dann wird am Ende der Ausgleich, den wir alle brauchen, den wir befürworten, damit der Kommunale Finanzausgleich gerechter wird, nicht einfacher. Wer weiß, dass wir es da mit glühenden Eisen zu tun haben, die kaum jemand richtig anfassen will, der weiß auch, was hier zu meistern ist.

Wir haben Ihnen vorgerechnet, zu welchen Ungerechtigkeiten es kommen wird: Der Landkreis Gießen würde z. B. 1,6 Millionen c mehr Zinsen zahlen, als dem Anteil an den Maßnahmen, den er erhält, eigentlich entsprechen würde. Die Stadt Kassel müsste 1 Million c, der Landkreis Fulda – Herr Dr. Arnold, hören Sie zu – müsste 1,1 Millionen c mehr Zinsen zahlen,als es dem Anteil der Mittel entsprechen würde, die dort verbaut werden.

Wir versuchen, das mit unserem Änderungsantrag angemessen zu berücksichtigen. Die GRÜNEN zielen in eine ähnliche Richtung, aber ich glaube, das von ihnen vorgeschlagene Verfahren ist komplizierter. Wir sagen: Die Kommunen müssen die Zinsen für ihre jeweiligen Maßnahmen tragen. Das führt am Ende dazu, dass die Stadt Frankfurt am Ende 10 % der Zinslast zu tragen hat, wenn sie 10 % der Mittel bekommt. Das ist ein gerechtes Verfahren. Wenn Gießen nur 1,7 % der Mittel bekommt, dann soll Gießen auch nur 1,7 % der Zinslast aufzuwenden haben.Das wäre gerecht.Niemand würde ein anderes Verfahren anstreben.

(Beifall bei der SPD)

Bei dem nächsten Punkt, der in diesem Gesetzentwurf im Detail problematisch ist, handelt es sich darum, dass dort eigentlich an keiner Stelle geregelt ist, was mit den sonstigen kommunalen Investitionen ist. Es ist nicht einmal die Summe genannt.

Es ist eigentlich ein in der hessischen Gesetzgebung einzigartiger Vorgang, dass wir 436 Millionen c für kommunale Investitionen bereitstellen. Dass wir sie bereitstellen, ist eine schöne Sache: Aber die Folge ist, dass Schulden gemacht werden, die der Steuerzahler am Ende abtragen muss.

An keiner Stelle wird die Summe genannt. Das müssen wir über Rechnungsverfahren ermitteln.Das ist klar;denn die Bundessumme stand noch nicht fest. Aber mittlerweile steht sie fest. Der Bundesrat hat den Beschluss gefasst; denn die FDP konnte sich mit ihrer Verweigerungshaltung zum Glück nicht durchsetzen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP: Oh!)

Ich meine,das war ein billiger Erpressungsversuch.Aber Sie haben damit,wie es bei solchen Erpressungsversuchen ist, eine ziemliche Bauchlandung gemacht. Die gesamte deutsche Presse hat sich über Sie lustig gemacht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nicht nur die!)

Dass dies bei einem solch wichtigen Programm geschehen ist, zeigt, dass Sie den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Ich glaube, für parteitaktische Spiele ist ein Konjunkturprogramm wenig geeignet. Das werden wir auch sehen, wenn wir über Opel diskutieren.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP)

Obwohl also 436 Millionen c verteilt werden,wird in dem Gesetzentwurf weder die Summe genannt, noch wird definiert – jetzt kommt das Entscheidende –, welche Investitionen damit gefördert werden.

Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag gestellt: Wir wollen darin aufgenommen sehen, dass durch dieses Programm neben dem kommunalen Straßenbau auch der ÖPNV und die Sanierung oder der Neubau – meist wird es sich um die Sanierung handeln – von Trink- und Abwasseranlagen gefördert werden können. Das ist gerade für den ländlichen Raum ein besonders wichtiger Punkt.

Insgesamt war festzustellen – das ist angesprochen worden; natürlich hat sich von den Kommunalen Spitzenverbänden niemand aus der Deckung gewagt –, dass die Verteilung der Mittel stark nach dem Gießkannenprinzip erfolgt. Auch das ist ein Problem. Die Mittel werden nicht nach der Finanzkraft oder nach dem Bedarf, sondern pro Kopf verteilt. Auch da ist es wieder so, dass die eher finanzstarken Landkreise,Städte und Gemeinden mehr davon haben als die finanzschwachen.

Da hätten wir uns einen anderen Maßstab gewünscht. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn die Landesregierung so etwas vorgesehen hätte.

Ich komme zum nächsten Punkt der Detailkritik. Hier wird es besonders amüsant, allerdings weniger für die Landesregierung. Der Herr Finanzminister hat die Überlegung angestellt, ob von den Mitteln, die an die Kommunen fließen, nicht zunächst einmal auf Kreisebene anhand von Prioritätenlisten ein gewisser Anteil für den Brandund Katastrophenschutz sowie für den Sportstättenbau verwendet werden kann.

Wir haben schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass das sicherlich Ärger gibt, weil das zu einem Verteilungskonflikt zwischen den Bürgermeistern, den kommunalen Vertretungen und den Kreisen – sprich: den Landräten – führt. Genau dazu ist es gekommen.

Herr Innenminister Bouffier, wenn man zu schnell handelt, hat man ein Problem. Sie haben wohl mittlerweile schon die Sportkreise angeschrieben und darauf hingewiesen, dass es über eine solche Verteilung entsprechende Mittel gibt.Zu dieser Form der Verteilung hat der Herr Finanzminister in der Anhörung gesagt, er wolle das nicht machen, weil – Zitat – „es zu Mord und Totschlag auf der kommunalen Seite“ führt.

Jetzt weiß ich nicht, ob es wirklich zu Mord und Totschlag führt.Aber es bringt natürlich Auseinandersetzungen hervor. Deswegen hat der Herr Finanzminister gesagt – aus unserer Sicht zu Recht –, eine solche Vorabverteilung wolle er nicht vornehmen.

Ich hätte mir aber gewünscht – Stichwort: Einheitlichkeit der Landesregierung und Kommunikation untereinan

der –, dass die Landesregierung das geklärt hätte und der Sportminister nicht schon wieder nach vorne geprescht wäre, um sich mit der Aussage „Ich habe etwas für euch erreicht“ darzustellen – was aber am Ende nicht durchgehalten wird, weil man weiß, dass es zu einem Konflikt auf den kommunalen Ebenen führt.

(Beifall bei der SPD)

Auch an dieser Stelle haben Sie eine Bauchlandung gemacht. Das ist auch verständlich; denn diese Vorgehensweise führt zu harten Auseinandersetzungen.

Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal: Der Gesetzentwurf ist in seiner Zielsetzung richtig.

Herr Schmitt, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Ich berücksichtige auch, dass unter Zeitdruck gearbeitet worden ist. Wir haben sehr konstruktive Änderungsanträge gestellt, die in mancher Hinsicht in die gleiche Richtung zielen wie die Vorschläge der GRÜNEN. Wir hoffen sehr, dass in der Ausschussberatung, die heute Abend stattfinden wird, viele unserer Änderungsanträge einbezogen werden können. Das Ziel des Gesetzentwurfs ist nämlich richtig; aber viele Details sind ungeklärt oder falsch. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)