Darüber hinaus umfasst der Schutz des Sonntags weder liturgisch noch rechtlich allein die Gottesdienstzeiten am Vormittag, sondern z. B. auch nachmittägliche und abendliche Gottesdienste sowie li
dies gilt gemäß Art. 140 des Grundgesetzes, gemäß Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung sowie gemäß Art. 53 der Hessischen Verfassung –
sodass der vorgesehene schmale Schutzkorridor bis 13 Uhr nicht den rechtlichen und auch nicht den praktischen Erfordernissen entspricht.
Da sind sie also wieder, die verfassungsrechtlichen Bedenken, von denen der Herr Innenminister seinerzeit sprach und die jetzt in der neuen Koalition keine Bedeutung mehr haben sollen.
Das Bundesverfassungsgericht hat erst vor wenigen Tagen, nämlich am 1. Dezember 2009, eine Entscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz getroffen, die wir als LINKE-Fraktion in Hessen – um weitere Zwischenrufe zu vermeiden – sehr begrüßen. Aufgrund der Klage der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wurde verkündet und entschieden, dass alle bisher genehmigungsfreien Ladenöffnungen zwischen 13 und 20 Uhr an den vier Adventssonntagen unvereinbar mit Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung sind.
Inwieweit diese brandneue Entscheidung auch beim vorliegenden Gesetzentwurf berücksichtigt werden muss, sollte nun intensiv geprüft und diskutiert werden.Deshalb halten auch wir eine weitere Lesung und die Rücküberweisung an den Innenausschuss für zwingend und beantragen die dritte Lesung.
Da es an Weihnachten nicht mehr klappt mit dem Ausleihen, haben wir in der Fraktion überlegt, Herrn Hahn eine Videokassette zu überreichen. Wir sind uns aber nicht einig geworden. Wir schwankten zwischen „Die jungen Jahre des Che“ und „8 Frauen“.Also haben wir uns für einen dritten Film entschieden. Der Herr Minister ist nicht da, aber der Herr Staatssekretär steht bereit. Bitte übergeben Sie diese Kassette mit dem Titel „Ein Mann gegen die amerikanische Automobilindustrie“ an den Minister.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) übergibt Staatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit eine Videokassette.)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man lernt immer wieder dazu. Was die amerikanische Automobilindustrie damit zu tun hat, darüber mag man fabulieren. Ich sage Ihnen vorweg, dass ich ein bisschen stinkig bin, weil mir offenkundig niemand ein Geschenk mitgebracht hat.
Zurück zur Sache. Ich habe in der ersten Lesung dazu Stellung genommen und möchte das deshalb nicht noch einmal herunterbeten. Ich bleibe bei dem, was ich damals vorgetragen habe.
Ich möchte lediglich auf einige Aspekte eingehen. Was hätten Sie denn gemacht, wenn Sie mich nicht permanent zitiert hätten? Ich freue mich darüber.
Vor einem Jahr gab es einen Gesetzentwurf der FDPFraktion,dem die damalige Landesregierung nicht gefolgt ist. Jetzt gibt es keinen Gesetzentwurf der Landesregierung, sondern einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Darin kommt eine veränderte politische Gewichtsverteilung zum Ausdruck. Das ist doch klar. Darüber brauchen wir auch nicht zu diskutieren.
Also habe ich darüber zu entscheiden,ob mich die Grundelemente zu einem Einschreiten zwingen oder nicht. Worum geht es? Es gibt Interessen. Das ist legitim im politischen Leben.
Alle, die sich hier so aufgeregt haben, haben allein in diesem Plenum ununterbrochen reine Interessenanträge eingebracht. Das kritisiere ich nicht, aber man darf das doch wenigstens einmal sagen. Es geht also um Interessen. Das Parlament hat durchaus die Aufgabe, Interessen, die im Volk formuliert werden – durch Verbände oder Einzelpersonen –, zu prüfen und gegebenenfalls in die Gesetze aufzunehmen. Das ist unser Auftrag. Das ist nicht zu kritisieren.
Der zweite Punkt sind die verfassungsrechtlichen Leitentscheidungen für dieses Land, die unserer Arbeit zugrunde liegen. In der Hessischen Verfassung ist die Sonn- und Feiertagsruhe ein wichtiger Punkt.
Drittens. Nichts ist statisch, alles ist dynamisch. Von den alten Griechen stammt das berühmte Wort: panta rhei – alles fließt.Das heißt aber nicht,alles fließt unkontrolliert, alles ist egal. Der Kollege Dr. Blechschmidt hat recht, wenn er sagt – das ist verfassungsrechtlicher Standard –, dass die Interpretationen bestimmter verfassungsrechtlicher Grund- und Leitentscheidungen im Lichte gesellschaftlicher Realitäten immer wieder neu zu prüfen sind. Das ist genau der Punkt, um den es hier geht.
Meine persönliche Position war und ist:An keinem dieser Punkte gibt es eine Sorge. Niemand kann ernsthaft vortragen,dass da etwas verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre. Ich kenne niemanden, der das ernsthaft behauptet. Deshalb können wir das zur Seite legen.
Dann kommt die nächste Frage, nämlich die Interessenwahrnehmung. Das ist im politischen Geschäft eine übliche Aufgabe.
Damit bleibt für mich nur ein Punkt übrig, und der wurde z. B. schon vom Kollegen Bellino erwähnt. Meine Sorge ist,dazu bekenne ich mich,nicht völlig ausgeräumt.Meine Sorge war und ist, dass man, wenn man an einer Stelle anfängt zu lockern, immer größere Probleme bekommt, zu verhindern, dass weitere Stellen folgen.
Das ist meine Sorge bei dem Ganzen. Nur darum geht es mir.Auf diese Haltung habe ich mich in meiner damaligen und in meiner heutigen Funktion in der Regierung beschränkt. Die Regierung hat keine Initiative eingebracht. Ich stelle mich jetzt als Teil der Regierung nicht hierhin und sage,das halte ich für unvertretbar.Ich sage:Nein,das halte ich für vertretbar. Das ist ein Kompromiss.
Trotz des großen Aufwands, mit dem hier debattiert wird: Ich glaube nicht, dass das Gesetz in der Öffentlichkeit große praktische Auswirkungen haben wird. Wir haben schon an anderer Stelle – und auch öfter – über Sportwetten diskutiert. Gehen Sie einmal in die Städte, und schauen Sie sich an, was da sonntags stattfindet. Die Einrichtungen, wo man Sportwetten platzieren kann, haben allesamt geöffnet. Dort sehen Sie sehr viele junge Menschen. Ich wäre froh, das wäre nicht so, weil die Gefahren, die von dem Wettgeschäft ausgehen, viel größer sind. Darum hat sich aber noch gar keiner gekümmert. Dazu habe ich noch nie etwas von den Kirchen gehört. Das ist ihnen offensichtlich entgangen. Die Bedeutung dieser Sache ist viel, viel größer als das, was hier diskutiert wird. Ich will damit sagen: Man kann die Sache wesentlich nüchterner beschreiben. Es reduziert sich dann auf die von mir formulierten Fragestellungen. Die verfassungsrechtliche Leitentscheidung ist aus meiner Sicht nicht zu kritisieren.
Nächster Punkt: das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.Die vorliegende Regelung entspricht den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in vollster Weise. Da ist nicht einmal ansatzweise etwas zu kritisieren. Jedenfalls hat das bisher niemand behauptet, noch ist mir bisher etwas aufgefallen.
Es bleibt ein letzter Punkt, den ich ausdrücklich würdigen will. Entgegen dem, was wir bisher diskutiert haben und was auch vor einem Jahr Gegenstand der Gesetzesberatung war, enthält dieser Gesetzentwurf eine Reihe zusätzlicher Bedingungen, die bei der Auswiegung, wie man mit den Themen umgeht, von Bedeutung sind. Kollege Rudolph hat es zunächst nicht erwähnt, aber wir sind uns sehr einig, dass jetzt auch die Bibliotheken aufgenommen werden. Es geht also nicht nur um die Videogeschichten. Das ist ein neuer Sachverhalt.
Außerdem wird das Gesetz – darauf will ich hinweisen, weil es hochgradig streitig ist – einen absoluten Schutz des Gründonnerstags enthalten. Das war seit Jahren eine dringende Bitte der Kirchen,der das Haus bisher nicht gefolgt ist. Keiner in diesem Hause hat hierzu einen Antrag gestellt. Wenn das alles so wichtig gewesen wäre, hätte ja jemand einen Antrag stellen können.
Der Einzelhandel hält diesen absoluten Schutz für eine Einschränkung durch den Gesetzgeber, die nicht gerechtfertigt ist. Da werden Interessen wahrgenommen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich will nur sagen, was das praktisch bedeutet. Das sind Wertungsentscheidungen. Es gibt Leute, die sagen: Ich möchte, da Karfreitag einer der höchsten Feiertage der Christen ist, am
Gründonnerstag ab Mitternacht eine richtige Schaumparty mit 5.000 Leuten haben, eine richtig große, geile Nummer. – Es gibt Menschen, die das vertreten, und das darf man vertreten. Wenn man im Hessischen Landtag eine Leitentscheidung trifft, dass wir diesen gesetzlichen Feiertag in besonderer Weise schützen wollen, dann sage ich dazu Ja.
Das ist nicht vom Gesetz und von der Verfassung geboten, sondern eine politische Leitentscheidung, wie sie von den Fraktionen der CDU und der FDP getroffen wurde. Die Landesregierung steht uneingeschränkt zu dieser Entscheidung. Deshalb habe ich kein Problem, zu sagen: Das ist ein Gesetz, dem wir als Landesregierung entsprechen wollen.
Es ist dritte Lesung beantragt. Der Gesetzentwurf soll an den Innenausschuss zurücküberwiesen werden. – Der Gesetzentwurf wird zur Vorbereitung der dritten Lesung dem Innenausschuss überwiesen.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sammlungsgesetzes – Drucks. 18/1699 zu Drucks. 18/1639 –
Berichterstatter ist Herr Abg. Franz. – Wer übernimmt die Berichterstattung? – Herr Kollege Rudolph.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.
Schönen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Als Erster hat sich in der Aussprache Herr Frömmrich zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon am Dienstag trefflich über dieses Thema geredet. Ich will aber noch einmal den Versuch unternehmen, für unseren Gesetzentwurf zu werben. Ich glaube nämlich schon, dass wir als Hessischer Landtag eine Fürsorgepflicht haben, und zwar für die Menschen, die bereit sind, durch ihre Spende anderen Menschen zu helfen.