Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Schauen wir uns einmal anhand der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage an,wie sich die faktische Entwicklung zeigt, ob dieses Instrument, das wir nutzen, überhaupt das richtige ist. Wir stellen fest, dass sich die Zahl der Absolventen, die innerhalb der Regelstudienzeit studiert haben, kaum verändert hat. Das verwundert auch nicht; denn die nord- und mittelhessischen Universitäten bekommen wesentlich weniger Geld, als sie Studierende ausbilden.Von welchem Geld sollen sie denn ein besseres Lehrangebot schaffen? Wenn sich die Studierendenzahlen erhöhen, verschlechtern sich die Studienbedingungen immer weiter.

Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen und feststellen, dass mit diesem Modell ein Ziel erreicht werden soll, dieses Ziel aber nicht erreicht wird.

Der Hochschulpakt läuft Ende des Jahres 2010 aus. Wir haben es uns zur Hausaufgabe gemacht, hier einmal genauer hinzuschauen und die Bepreisung der Hochschulfinanzierung auf den Prüfstand zu stellen, damit wir die Ziele erreichen,die wir erreichen wollen.In der ersten Lesung haben wir uns bereits darauf geeinigt,dass es so nicht weitergehen kann. Deshalb finde ich diese Lobhudelreden etwas merkwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, dass wir im luftleeren Raum diskutieren, sondern wir diskutieren bundesweit darüber, dass wir mehr Studierende ausbilden müssen. Nach dem Hochschulpakt auf Bundesebene sind wir dazu verpflichtet, mehr Studierende auszubilden, weil mehr Menschen studierfähig sind und weil wir mehr gut ausgebildete Leute brauchen.

Eine weitere Ungerechtigkeit in der Finanzierung zeigt sich darin, dass der Hochschulpakt auf Bundesebene den Hochschulen, an denen die Studierenden am Anfang studieren, dieses Geld zur Verfügung stellt. Es zeigt sich jedoch die Tendenz, dass viele Studierende, die ihr Studium an einer Universität beginnen, während des ersten Semesters an eine Fachhochschule wechseln. Auch hierbei kommt es zu einer ungerechten Finanzierung; denn die Fachhochschulen bilden mehr Studierende aus, als ihnen entsprechend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Ich bitte Sie, dieses Thema wirklich ernst zu nehmen, Frau Kühne-Hörmann.Wir haben schon mehrfach besprochen, dass wir gemeinsam überlegen müssen, was diese Hochschulfinanzierung gebracht hat und wie wir sie ändern müssen, damit diese ungerechte Finanzierung insbeson

dere der mittel- und nordhessischen Hochschulen vermieden wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung erfolgt von Herrn Abg. Reißer für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich der Wissenschaftsministerin für die Beantwortung der 60 Fragen danken. Es gibt überhaupt keinen Grund, über die Hochschulfinanzierung zu jammern – schon gar nicht in der Weise, Frau Kollegin, dass Sie hier voodoomäßig herumschreien. Das muss überhaupt nicht sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Hochschulfinanzierung in diesem Lande seit unserer Regierungsübernahme im Jahre 1999 aussieht. Da gibt es einen Grund zur Freude. Das will ich als Erstes sagen.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Aufgabe war es, das Hochschulsystem zu stärken. Das ist auch gelungen. Dass noch nicht alle Ziele erreicht sind, will ich Ihnen gerne zugestehen, aber wir sind auf einem hervorragenden Weg.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man sich anschaut, was unter Rot-Grün vor 1999 der Fall war: Da wurden gerade einmal 900 Millionen c für diesen Bereich ausgegeben. Wir sind heute bei 1,8 Milliarden c.Das innerhalb von zehn Jahren geschafft zu haben, ist eine hervorragende Leistung. Das muss heute hier gesagt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD)

Schauen Sie sich die gesamte Hochschulfinanzierung und auch die Zusatzprogramme an, die wir haben, z. B. HEUREKA, die eine finanzielle Sicherung in Höhe von 3 Milliarden c darstellen. Herr Dr. Spies, Sie haben hier den Aspekt der Heizkosten eingebracht.Da bin ich bei Ihnen. Die Heizkosten haben deshalb etwas damit zu tun, weil die Gebäude teilweise sehr heruntergekommen sind. Sie haben nämlich in Ihrer Regierungsverantwortung nichts dagegen gemacht. Das war das Problem. Jetzt müssen viele Milliarden Euro aufgebracht werden, damit dort eine vernünftige Ausstattung vorhanden ist. Deswegen nehmen wir so viel Geld in die Hand.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Der andere Punkt ist, dass wir 250 Millionen c in das LOEWE-Programm stecken und mit dem Konjunkturprogramm zusätzliche Mittel ausgeben. Das sind für 2010 insgesamt 380 Millionen c.

(Beifall bei der CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD)

Ich will Ihnen diese Beispiele nennen, weil Sie immer alles, was in der Hochschulpolitik geschieht, schlechtreden. Der Kollege Büger hat auf LOMZ und anderes hingewie

sen; deshalb bin ich einmal in der anderen Richtung unterwegs.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Durch eine Änderung des Hochschulgesetzes haben wir erreicht, dass mit einer größeren Autonomie der Universitäten verbesserte Möglichkeiten einhergehen, Drittmittel einzuwerben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Dazu kommt der Hochschulpakt, der auf Bundesebene geschlossen wurde.Das ist ein gemeinsames Ziel des Bundes und der Länder. Wir haben den Hochschulpakt 2020, wir haben die Exzellenzinitiative, wir haben den Pakt für Forschung. Das heißt, in diesen Bereichen nehmen der Bund und die Länder unwahrscheinlich viel Geld in die Hand, insgesamt 18 Milliarden c. Auch das ist eine hervorragende Leistung.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir sind nicht bereit, hinzunehmen, dass Sie, wie Sie es in den letzten Tagen gemacht haben, das alles schlechtreden, sondern wir sagen ganz stolz: Wir sind auf einem guten Weg; es ist zwar noch nicht alles erreicht, aber wir werden daran arbeiten.Wir sehen das ganz entspannt.

Die Anfrage nehmen wir natürlich als Grundlage, um uns darüber zu unterhalten, was 2010 am Hochschulpakt zu machen ist. Das wird uns 2010 beschäftigen, und das werden wir sehr intensiv,sehr genau und zusammen mit Ihnen bearbeiten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Danke, Herr Reißer. – Jetzt könnten wir eigentlich Schluss machen, oder?

(Heiterkeit)

Frau Wissler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ich glaube,ich habe in dieser Sitzungswoche aus dem Mund der Redner der Regierungsfraktionen keinen Satz so häufig gehört wie den Satz:Wir sind auf einem guten Weg.

(Zurufe von der CDU: Das stimmt auch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Problem ist aber: Nur deshalb, weil man diesen Satz wie ein Mantra vor sich hinmurmelt, lösen sich die Probleme im Land nicht. Wir sind in vielen Bereichen eben nicht auf einem guten Weg. Die Hochschulfinanzierung gehört zu den Bereichen, wo wir nicht auf einem guten Weg sind. Sie wollen ja wohl nicht sagen,dass die Proteste,die wir derzeit an den Hochschulen erleben, deshalb stattfinden, weil die Studentinnen und Studenten bejubeln, dass von der Landesregierung so gute Wege beschritten werden.

Wir diskutieren im Hochschulbereich fast immer über eine möglichst effiziente Verwaltung des Mangels.Das haben wir eben auch beim Thema Hochschulzulassungen

diskutiert. Wie schaffen wir es möglichst effizient, zu wenige Studienplätze auf zu viele Bewerber zu verteilen? Auch bei der Finanzierung diskutieren wir über eine effiziente Verwaltung des Mangels. Das Tischtuch ist zu kurz, und statt von allen Seiten an diesem Tischtuch zu ziehen, sollten wir darüber diskutieren, wie man das Tischtuch vergrößern kann. Sie verlagern mit LOMZ und mit einer Verstärkung der Autonomie, wie Sie das gerne nennen, das Ziehen an diesem Tischtuch einfach auf die Hochschulen. In Zukunft sollen sich die einzelnen Fachbereiche darüber verständigen, wie das zu knappe Budget aufgeteilt werden kann. Das ist aber nicht die Lösung des Problems. Hochschulen sind keine Unternehmen, und deshalb brauchen wir keine betriebswirtschaftliche Steuerung, weder bei der Mittelzuweisung noch bei Lehre und Forschung. Nicht den Mangel gilt es zu verteilen, sondern es gilt, mehr Geld in die Hochschule zu investieren. Ich finde,man muss sich einmal sehr grundsätzlich fragen,was gerade in der Bundesrepublik passiert, bevor wir uns über Einzelheiten der Verteilung der Mittel unterhalten.

Die Hochschulen sind in Deutschland – und ganz besonders in Hessen – unterfinanziert. Sie sprechen in Ihren Sonntagsreden zwar gerne von der Stärkung von Forschung und Lehre, aber nur 3 % des Bruttoinlandsprodukts fließen faktisch in Forschung und Entwicklung. Der größte Teil davon sind private Ausgaben – und nicht staatliche.

(Zurufe von der CDU)

6.060 c pro Studienplatz: damit belegen wir den vorletzten Platz aller Bundesländer.Bei einer solchen strukturellen Unterfinanzierung ist es doch kein Wunder, wenn die Studierenden für bessere Bildung auf die Straße gehen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Was macht die neue Bundesregierung? Durch die 20. Runde Steuererleichterungen für Besserverdienende machen sie das Tischtuch noch kürzer. Das heißt, dass am Ende Geld fehlt – für die Bildung, für die Forschung, für die Hochschulen. Das Geld werfen Sie den Besserverdienenden in den Rachen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Die neue Bundesregierung hat jetzt angekündigt, für Bildung und Forschung bis zum Jahre 2013 12 Milliarden c zusätzlich bereitzustellen, also jährlich 3 Milliarden c. Wenn Sie auch nur das Ziel Ihres eigenen Bildungsgipfels erreichen wollten, müssten Sie 25 Milliarden c mehr investieren.Doch auch dann wären wir noch weit unter dem tatsächlichen Bedarf.

Jetzt hat die Finanzministerkonferenz verkündet, das Ziel des Bildungsgipfels werde sich in diesem Jahr von ganz alleine erreichen lassen, weil haufenweise Bildungsausgaben gefunden wurden, die man vorher nicht mit eingerechnet hatte, z. B. steigende Pensionszahlungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie Professoren, Steuererleichterungen für forschende Unternehmen und Ausbildungsfreibeträge bei der Einkommensteuer. Dazu kommt, dass das Bruttoinlandsprodukt im Zuge der Wirtschaftskrise sinkt. Das heißt, das Bruttoinlandsprodukt kommt Ihnen entgegen. So trügerisch können relative Zahlen sein. Sie werden also Ihr hehres Ziel durch statistische Tricks erreichen, ohne dass nennenswert mehr Geld in das marode Bildungssystem fließt, ohne dass es reale Verbesserungen gibt.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Der Bundespräsident hat das im Übrigen kommentiert. Er hat das kritisiert. Er sagte, wenn nun so lange gerechnet werde, dass das Ziel nominal erreicht scheine, ohne wirklich mehr Geld in die Hand zu nehmen, dann lasse das daran zweifeln, ob den Worten Taten folgten. Das sagt der Bundespräsident zu den Äußerungen der Finanzminister.

Schwarz-Gelb setzt auf eine Erhöhung der privaten Bildungsausgaben, um den prozentualen Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen. Aber wenn man auf die Erhöhung privater Bildungsausgaben setzt, dann heißt das immer, dass es eine soziale Selektion im Bildungssystem gibt. Hochschulfinanzierung ist eine staatliche Aufgabe. Wenn die nicht erfüllt wird, dann kann die mangelhafte Finanzierung nicht auf die Studierenden abgewälzt werden.