Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Das Wort hat der Herr Kollege Döweling von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss schon sagen: So oft wie bei der Lektüre dieser beiden Anfragen habe ich selten den Kopf schütteln müssen und mir selten solche Anmerkungen machen müssen.

Kollege Merz hat es ganz feinsinnig ausgedrückt: Sie gehen hier von einer gewissen Prämisse aus – sagte er –, die Ihren Fragen zugrunde liegt.

Ich sage es einmal ganz umgangssprachlich: Herr van Ooyen, Sie gehen von Mutmaßungen aus. Nichts anderes ist es, was Sie hier tun. Sie unterstellen – bewusst oder unbewusst, das lassen Sie noch offen –, es solle hier in Richtung einer Entgeltlichkeit des Schulsystems gearbeitet werden.

Ich muss, mit Verlaub, sagen: Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe, sogar von Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

So stellt sich für mich die Frage:Wie kommen Sie darauf? Das ist eine interessante Frage. Kollege Bauer hat es schon richtig ausgeführt: Das scheint ideologisch begründet zu sein.Anders kann ich mir das nicht vorstellen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Politisch!)

Wenn man schaut,was Sie da so schreiben – sowohl in dieser hier; wir hatten auch noch eine andere auf der Tagesordnung, die dem Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen worden ist –, dann muss ich doch sagen: Vertiefte Sachkenntnis verhindert mitunter die muntere Debatte.

(Heike Habermann (SPD): Das wissen Sie sehr gut, Herr Döweling! – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aus Ihren Fragen scheint mir das eindeutig herauszusprechen – wenn ich lese, was Sie da zur Durchführung des Abiturs schreiben, zu Oberstufenklausuren, wenn Sie sich wundern, warum dort mit Unmengen von Material gearbeitet werden muss. Oberstufenklausuren sind materialgebunden, das ist nun einmal so, lieber Herr van Ooyen, da sollten Sie sich noch ein bisschen schlau machen.

Das Gleiche gilt für Ihre Fragen zur IT-Ausstattung – Bereiche, die ganz originär in die Aufgabe des Schulträgers fallen.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Herr Bauer hat das richtig ausgeführt: Zum einen kann die Landesregierung diese Daten gar nicht vorrätig haben;zum anderen sollten Sie vielleicht einmal eine andere Adresse fragen. Es wurde schon angesprochen: Vielleicht wäre eine Schulträgerabfrage der richtige Weg. Wenn Sie sich beklagen,die Landesregierung antworte darauf nicht, so kann das wirklich nicht der richtige Weg sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich kann auch nicht ganz jene Äußerung in dieser Debatte nachvollziehen, die sich auf die Laptop-Klassen beziehen. Mir kann niemand schlüssig erklären, warum man bei einer entsprechenden IT-Ausstattung – und die ist an Hessens Schulen wirklich sehr gut – gerade die Laptop-Klassen anführt. Das ist ein gutes Instrument; aber warum es nur so geht, das müsste mir einmal jemand erklären: warum man in einem oder in mehreren ordentlich ausgestatteten Computerräumen nicht genauso gut arbeiten kann. Und ich kann Ihnen nur sagen, davon gibt es einige. Schauen Sie sich einmal Hessens Schulen an. Wir sind in Hessen sehr viel innovativer, als Sie das hier wahrhaben wollen. Gehen Sie einmal hinaus in die Landkreise. Ich empfehle Ihnen, besuchen Sie z. B. einmal den Vogelsbergkreis – dort gibt es flächendeckend nur noch digitale Tafeln. So viel zum Thema der geeigneten IT-Ausstattung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einmal auf Ihr Schreckgespenst eingehen: die selbstständige

Schule. Ich glaube, das treibt Sie wirklich um. Ich glaube, Sie wachen nachts schweißgebadet auf und denken sich: Oh mein Gott, die Landesregierung führt die selbstständige Schule ein.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Woher wissen Sie das?)

Das scheint Sie dermaßen zu beschäftigen, das spricht aus Ihren Fragen. Eine Schule, die selbstständig agiert und entscheidet, was gut für sie ist, losgelöst von staatlicher Gängelung,

(Zurufe der Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr van Ooyen, ich glaube, das ist der Albtraum, der Sie Nacht für Nacht quält.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ich schlafe ganz ruhig!)

Nur so kann ich mir manche Fragestellung hier erklären.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zum Abschluss möchte ich noch sagen – Kollege Bauer hat es erwähnt –, bei der Lernmittelfreiheit sind wir in Hessen auf einem äußerst guten Weg. Ich glaube nicht, dass es das Interesse unserer Bildungspolitik sein muss, dass sich das Land zu einem Schulbuchverleih auswächst, wie wir das beispielsweise in Rheinland-Pfalz haben. Ich glaube, das, was CDU und FDP in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, schrittweise bis zu 40 Millionen c in die Lernmittelfreiheit zu investieren, ist der richtige Weg. Das ist der Betrag,der ermittelt wurde,um Schulbücher in einem fünfjährigen Turnus auszutauschen. Natürlich muss die Schule vor Ort entscheiden, welche Bücher sie braucht. Diejenigen, die noch gut sind, muss man nicht wegschmeißen. Ich glaube, das ist bahnbrechend, einzigartig in Deutschland, und zeigt, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Die Landesregierung ist bei der Bildungspolitik in Hessen auf einem sehr guten Weg. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Brockmann. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich für unser Haus auf den Vorwurf von Frau Cárdenas eingehen – sie ist jetzt leider nicht mehr da –,

(Zurufe: Hinter Ihrem Rücken!)

wir hätten es uns mit der Beantwortung dieser Fragen zu leicht gemacht. Ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel nennen.

Die Frage 3 dieser Großen Anfrage lautet:

Trifft es zu, dass an vielen hessischen Schulen in regelmäßigen Abständen... Kopierkostenpauschalen für Kopien notwendigen Lernmaterials von den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern eingezogen werden?

Und dann folgen Unterfragen von a bis i. Ich will nur einige davon zitieren:

a) An wie viel Prozent der hessischen Schulen ist dies der Fall (bitte nach Schulformen aufgegliedert beantworten)?

b) Trifft es zu, dass Schülerinnen und Schülern, die diese Pauschalen nicht zu begleichen vermögen, teilweise... keine Kopien ausgeteilt werden, also notwendiges Unterrichtsmaterial vorenthalten wird?

c) Wie hat sich die Anzahl der diese Pauschalen erhebenden Schulen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

d) Wie hoch sind die erhobenen Kopierkostenpauschalen durchschnittlich pro Schülerin und Schüler pro Schuljahr (bitte nach Klassenstufen und Schul- formen aufgegliedert beantworten)?

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme! – Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis: Dies ist ein Beispiel für viele Fragen, und auf die Frage nach der Anzahl der Kopien in den Schulen haben wir namens der Landesregierung geantwortet, dass wir sie nicht beantworten können. Herr Bauer hat dafür einen möglichen Grund genannt. Wir kennen aber von der gesetzlichen Form, nämlich vom Urheberrechtsgesetz, her eine Begrenzung. Diese lautet, dass pro Buch höchstens 12 %, im Höchstfall 20 Seiten kopiert werden dürfen. Diese rechtliche Begrenzung führt nach unserer Wahrnehmung dazu, dass Schülerinnen und Schüler in diesem Bundesland pro Schuljahr zwischen 5 und 10 c und nicht mehr bezahlen müssen. Ich glaube, das war angesichts dieser Fragenfülle eine sachgerechte Form der Beantwortung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich stimme allen Vorrednern zu, die gesagt haben, es gehe um die Sache und nicht um die Vielzahl der einzelnen Fragen. Ich möchte dem ausdrücklich zustimmen und sagen:Wir haben in Hessen eine lange Tradition der Lehrmittelfreiheit, die verfassungsbegründet ist und die uns, glaube ich, auch alle verpflichtet. Um dies richtig wahrzunehmen, gehört dazu aber auch eine Grunderkenntnis: Zwischen dem Jahr 1999 und dem aktuellen Jahr, also in zehn Jahren, ist der Betrag, den das Land für Lehrmittel ausgibt, von 21 Millionen auf 34 Millionen c angestiegen – das sind mehr als 60 % in zehn Jahren –, allein in diesem Jahr um 6,2 Millionen c. In derselben Zeit ist die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in Hessen um 20.000 gesunken. Ich kann nicht sehen, dass aus dieser Zahl ein Grundprinzip der Unterfinanzierung im Lehrmittelbereich abzuleiten ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die hessische Tradition hat ihren guten Sinn. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass andere Länder andere Wege gehen. Hamburg, Niedersachsen und Saarland haben sich in den letzten zehn Jahren von diesem System der Lehrmittelfreiheit gänzlich verabschiedet und nur noch ein Leihsystem eingeführt. Ich weiß, dass Hessen eine gute und verfassungsbegründete Tradition hat, die ich unter keinen Umständen infrage stellen möchte. Aber im Vergleich zu anderen Bundesländern, und auch in absoluten Zahlen gesehen, tut dieses Land im Lehrmittelbereich außerordentlich viel, hat enorme Wachstumszahlen und hat in den letzten Jahren pro Schüler, wie ich finde, außer

ordentlich zugelegt.Wenn das Ziel für diese Legislaturperiode lautet, 40 Millionen c zu erreichen, dann wird dies noch einmal deutlich unterstrichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zweite Bemerkung. Das Hessische Schulgesetz, das uns alle bindet, schränkt ein, wie die Versorgung mit freien Lehrmitteln sein muss. Ich zitiere:

Gegenstände geringeren Wertes... Schreib- und Zeichengeräte, Musikinstrumente und Taschenrechner, sowie Kochgut und Material, das die Schülerinnen und Schüler für eigene Zwecke verarbeiten,... gelten nicht als Lernmaterial.

Sie sind also von den freien Lernmitteln ausgenommen. Das heißt, das Gesetz selbst hat die Vorstellung, dass es bestimmte Dinge gibt, die Schülerinnen und Schüler klugerweise selbst besitzen. Es hat die Vorstellung, dass Bildung ein Gut ist, das auch für Eltern einen bestimmten Aufwand bedeutet; und es hat die Vorstellung, dass die Schule auch das Lernen, mit bestimmten Dingen umzugehen, vermitteln muss. Ich finde, das gehört auch zum Thema Lehrmittelfreiheit,nicht nur die Frage,ob man – in irgendwelchen Bereichen finden sich da immer Nischen – etwas entdecken kann, was Kinder und Jugendliche oder deren Eltern doch noch selbst bezahlen müssen.

Dritte Bemerkung. Meine Damen und Herren, es ist kein kluger Blick und verstellt die Wahrnehmung dessen, was im Bildungsbereich in Wirklichkeit passiert, wenn man nach der Anzahl der Kopien, dem Alter der Schulbücher, der Lektüre, die in der Oberstufe selbst bezahlt werden muss, und nach der Anzahl der Arbeitshefte fragt, die Schülerinnen und Schüler deswegen selbst bezahlen müssen, weil sie in diesen herumschreiben sollen.