Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Dritte Bemerkung. Meine Damen und Herren, es ist kein kluger Blick und verstellt die Wahrnehmung dessen, was im Bildungsbereich in Wirklichkeit passiert, wenn man nach der Anzahl der Kopien, dem Alter der Schulbücher, der Lektüre, die in der Oberstufe selbst bezahlt werden muss, und nach der Anzahl der Arbeitshefte fragt, die Schülerinnen und Schüler deswegen selbst bezahlen müssen, weil sie in diesen herumschreiben sollen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nicht „herumschreiben“!)

Ich finde, dass es bei der Bildung um diese Fragen nicht geht. Die Frage, wie alt ein Schulbuch ist, wird von manchen Schulkonferenzen in eigener Zuständigkeit so beantwortet: Wir wollen das alte. Wir wollen nicht das neueste, sondern wir wollen das zurückhaben, das zehn Jahre und älter ist. – Solche Beschlüsse kann ich Ihnen zeigen.

Meine Damen und Herren, die Frage des Alters von Schulbüchern ist auch in Bezug auf eine Lektüre nicht so sonderlich diskussionswert.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Wir müssen miteinander nicht über die Frage streiten, ob man „Die Leiden des jungen Werther“ in der Schule lesen soll, Erscheinungsjahr 1775. Die Frage nach der Anzahl der Kopien ist nicht sonderlich interessant. Die Frage, wofür etwas eingesetzt wird und ob man es didaktisch vernünftig macht, ist sinnvoll. Die Frage, wie viele Arbeitshefte Schülerinnen und Schüler der Oberstufe selbst bezahlen müssen, hängt unter anderem damit zusammen, ob wir wollen – und dies würde ich ganz entschieden wollen –, dass wir in unseren Schulen auch zu einer Kultur des Umgangs mit Büchern erziehen, die man selbst haben, pflegen und die man vielleicht sogar ein Leben lang besitzen will.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Staatssekretär, die Redezeit der Fraktionen ist zu Ende.

Mein letzter Satz. – Meine Damen und Herren, das sind Fragen der Bildung, und um diese Bildung geht es zunächst, und darum, wie sie gelingt – nicht um das Abzählen von Kopien und Arbeitsheften.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Cárdenas.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedauere inzwischen auch, dass wir es nicht in den Ausschuss gegeben haben. Ich denke, die Diskussion ist doch sehr fruchtbar geworden. Ich würde dazu gern noch einiges sagen, werde mich aber sehr beschränken.

Zum einen noch einmal zu Herrn Merz: Ich glaube, dass Sie das Vorwort – wir haben nur übersetzt, was dort steht – einfach nicht verstanden haben.

(Gerhard Merz (SPD): Ich habe es verstanden!)

Wir fanden das Zitat so interessant – egal, ob es über Marokko, Island oder sonst irgendetwas geht –, weil es einfach die Strategie aufzeigt, den Widerstand in der Bevölkerung zu brechen, wenn sich die Bevölkerung eben zunehmend gegen die Privatisierung von solchen Dingen wendet. Ich fand das Zitat eigentlich ganz interessant – als Vorwort.

Gut, aber noch zu ein paar anderen Punkten. Ich bin Herrn Wagner und Herrn Merz eigentlich dankbar, dass sie noch einmal einiges zurechtgerückt haben, was die Bedeutung dieser Großen Anfrage anbelangt. Ich gebe Ihnen recht, dass die Fragen vielleicht in manchen Punkten nicht differenziert genug formuliert worden sind.

(Zuruf von der CDU: Doch, doch!)

Aber noch mehr Differenzierung – Herr Staatssekretär Brockmann hat es noch einmal gesagt – wäre vielleicht auch falsch gewesen. Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, wenn wir Kleine Anfragen gestellt haben, dass uns gesagt worden ist: Wir können diese Fragen so nicht beantworten, da sie nicht differenziert genug sind. Dadurch kam es natürlich zu solchen Sachen wie a bis i, damit wirklich zu möglichst vielen Einzelpunkten konkrete Antworten gegeben werden können. Gut, das hat anscheinend nicht funktioniert.

(Zuruf von der CDU)

Übrigens gibt es solche Anfragen auch durchaus in anderen Bundesländern. Das ist nichts Neues von uns; und diese werden dort zum Teil sehr viel ausführlicher beantwortet. Das möchte ich auch noch einmal deutlich machen.

Noch einen Punkt zu den Kopierkosten. Das haben wir natürlich aufgenommen, weil uns viele Klagen von Eltern erreicht haben; diese haben Sie wahrscheinlich auch zu Gehör bekommen.Von daher hätten Sie diese Antworten

an vielen Punkten doch einfach sehr schnell geben können. Wenn Sie beispielsweise sagen, dass es von der Landesregierung zu den Nachhilfeinstituten keine Informationen gebe, dann hätte die Beantwortung, bitte schön, erstens nicht so lange dauern können. Zweitens ist es für uns ein Anlass, zu überlegen – deshalb werden wir im Kulturpolitischen Ausschuss auch noch so manches Mal nachhaken –,ob es nicht eine Möglichkeit wäre:staatliche Aufsichtsbehörden aufzufordern, genau zu untersuchen, inwieweit dort die Lernmittelfreiheit nicht gewährt wird und dann doch wieder über die Nachhilfebeträge eine soziale Selektion gegeben ist.

(Zuruf von der CDU)

Von daher müssen wir damit deutlich klarer umgehen.

Letzter Punkt. Sie haben gesagt, es gibt Bundesländer, wo die Lernmittelfreiheit gänzlich aufgehoben worden ist. Dann kann ich nur sagen: Dann scheinen wir die Antwort schwarz auf weiß zu haben, dass Sie sich zwar nicht gänzlich von der Lernmittelfreiheit verabschiedet haben, aber doch zu einem gewissen Teil. Wir haben diese Große Anfrage gestellt, weil wir eben nicht wollen, dass die Lernmittelfreiheit weiter ausgehöhlt wird. Ich denke, das hat sich damit deutlich gezeigt. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Große Anfrage besprochen.

Ich rufe dann Tagesordnungspunkt 29 auf:

Große Anfrage der Abg. Faeser, Hofmann, Waschke (SPD) und Fraktion betreffend Personalausstattung des allgemeinen Vollzugsdienstes in den hessischen Justizvollzugsanstalten – Drucks. 18/1182 zu Drucks. 18/732 –

Vereinbart sind fünf Minuten Redezeit. Frau Hofmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion hat diese Große Anfrage zur Personalausstattung des allgemeinen Vollzugsdienstes in den Justizvollzugsanstalten gestellt, nicht nur weil wir eine entsprechende Datenabfrage machen wollten und Zusatzerkenntnisse gewinnen wollten, sondern auch weil der sogenannte AVD für uns eine Grundvoraussetzung für einen guten Behandlungsvollzug ist. Eine auskömmliche und gute Personalausstattung gerade in dem Bereich ist für uns unabdingbar. Meine Damen und Herren, es darf eben keinen Verwahrvollzug geben, sondern es muss ein guter Strafvollzug in Hessen praktiziert werden können.

Der AVD ist für uns sozusagen das Rückgrat des guten Vollzugs. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, den Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes für ihre schwierige Arbeit, die sie tagtäglich, Jahr für Jahr in den Justizvollzugsanstalten leisten, recht herzlich im Namen der SPD-Landtagsfraktion zu danken.

(Beifall bei der SPD – Demonstrativer Beifall und Zuruf des Abg.Hans-Jürgen Irmer (CDU):Können wir mitdanken?)

Denn diese Arbeit führt oft ein Schattendasein und steht nicht gerade im Lichte der öffentlichen Wahrnehmung.

Meine Damen und Herren, die Arbeit im allgemeinen Vollzugsdienst ist in den letzten Jahren nicht einfacher, sondern schwerer geworden, auch aufgrund faktischer Gegebenheiten, nicht nur weil die Gefangenenpopulation schwieriger geworden ist. Wir bekommen oft Berichte, dass die Gefangenen psychisch auffälliger, also schwieriger werden. Die Arbeit ist vielmehr auch durch faktische Gegebenheiten schwieriger geworden, die von dieser Landesregierung gesetzt worden sind. Ich möchte hier exemplarisch die 42-Stunden-Woche herausgreifen,die zu einer erheblichen Mehrarbeit für den allgemeinen Vollzugsdienst, wohlgemerkt: ohne Lohnausgleich, geführt hat, sowie die Streichung des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes. Das hat nicht gerade zur Motivationssteigerung im allgemeinen Vollzugsdienst geführt. Es stellt sich auch die Frage, wie die angehobene Wochenarbeitszeit auf die Rasterdienstpläne umgesetzt wird. Das hat bis zum heutigen Tage zu schwierigen organisatorischen Problemen in den Anstalten geführt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wissen, dass die Personalsituation im allgemeinen Vollzugsdienst angespannt ist. Es gibt zum Teil relativ hohe Krankenstände, auch was den Anteil von Dauerkranken anbelangt. Zum anderen sind viele Stellen unbesetzt. Zum Beispiel waren es in der JVA Darmstadt zum 1.August 2009 2,5 Stellen, in der JVA Frankfurt am Main 3 Stellen, wie man der Antwort auf die Große Anfrage entnehmen kann. Hinzu kommt – das wissen wir aus vielen Gesprächen aus der Praxis –, dass der allgemeine Vollzugsdienst viele Mehrarbeitsstunden, d. h. Überstunden, vor sich herschiebt. Das ergibt sich auch aus der Beantwortung der Großen Anfrage.

Ich möchte hier nur zwei Beispiele benennen: zum Stichtag 30.Juni 2009 in der JVA Dieburg:1.782 Stunden,in der JVA Frankfurt: 4.800 Stunden. Diese Zahlen verdeutlichen, wie hoch belastet der allgemeine Vollzugsdienst in Hessen ist.

Meine Damen und Herren, die Überstunden, die viele Justizvollzugsbedienstete vor sich herschieben, sind immer noch ein großes Problem. Das Justizministerium sollte darauf hinwirken, dass diese Mehrarbeitsstunden abgebaut werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist auch gemacht worden.Aber Faktum ist, dass viele AVDler bis zum heutigen Tage Überstunden vor sich herschieben, noch und nöcher.

Was den Justizvollzugsdienst auch belastet – ich möchte ein exemplarisches Beispiel benennen –,sind z.B.die Ausführungen in externe Krankenhäuser oder die Ausführungen im Allgemeinen. Dies führte allein in diesem Bereich z. B. im Jahre 2009 zu über 4.334 Stunden, die das Personal extrem belasten.Was für uns nicht nachvollziehbar war – vielleicht kann das Justizministerium dazu noch einmal etwas sagen –, ist, warum es in dem Bereich sehr hohe Schwankungen gibt. Das ergibt sich zumindest aus der Beantwortung der Großen Anfrage.Aber, wie gesagt, nicht nur die Ausführungen in Krankenhäuser sind sehr personalintensiv, sondern alle externen Ausführungen sind sehr personalintensiv.

Meine Damen und Herren, uns wird aus der Praxis insbesondere von Gefangenen berichtet, dass durch die angespannte Personalsituation einzelne Stationen z. B. nur noch mit einem Bediensteten versehen und entsprechend bewacht werden. Aufgrund dessen wird schon früh, etwa

um 16 Uhr, um 16:30 Uhr eingeschlossen. Das führt zu großer Unzufriedenheit bei den Gefangenen und ist nicht im Sinne eines guten Behandlungsvollzugs.

Diese tägliche Praxis lässt sich auch nicht durch eine noch so schöne Statistik des Justizministeriums schönreden. Deshalb hat die SPD-Landtagsfraktion auch in finanziell schlechteren Zeiten dazu einen Haushaltsantrag gestellt. Wir haben in diesem Bereich nur zwei Prioritäten gesetzt. Eine davon war, für den AVD 30 zusätzliche Stellen zu schaffen. Wir haben das mit einem Haushaltsantrag entsprechend dokumentiert. Meine Damen und Herren, das wurde von den Mehrheitsfraktionen leider abgelehnt. Das halten wir für einen großen Fehler. Denn, wie Sie alle im Hause wissen, werden wir in naher Zukunft ein Erwachsenenstrafvollzugsgesetz beraten, einen Gesetzentwurf der Landesregierung und einen von uns. Das stellt uns in Gänze vor neue inhaltliche Herausforderungen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Ich komme gleich zum Schluss. – Wie ich gerade dokumentiert habe: Wir brauchen auch im allgemeinen Vollzugsdienst eine auskömmliche Personalsituation, damit wir einen guten Vollzug in Hessen praktizieren können. Dafür wird sich die SPD-Landtagsfraktion auch in Zukunft starkmachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Nächste Wortmeldung, Herr Dr. Jürgens für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst leisten einen wichtigen und sehr schwierigen Dienst für die Allgemeinheit. Sie haben täglich Umgang mit Menschen, denen die meisten von uns vermutlich am liebsten aus dem Wege gehen. Sie arbeiten in einem Bereich, der von den meisten Menschen am liebsten verdrängt wird. Wer beschäftigt sich schon gerne mit Strafvollzug?

Sie ernten für ihre Arbeit in der Regel nur geringes Ansehen in der Öffentlichkeit. Sie müssen sich von den Gefangenen beschimpfen und vielfach – wir kennen das aus dem Unterausschuss Justizvollzug – denunzieren lassen. Sie müssen jeden Tag mit Disziplinarverfahren oder auch Strafverfahren rechnen, wenn in der Anstalt irgendeine Unregelmäßigkeit zutage tritt.