Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Weiter heißt es: Die Landesregierung habe als Trägerin der Landesplanung in der Begründung der LEP-Änderung 2007 die grundsätzliche Entscheidung zugunsten der Fughafenerweiterung mit dem Verbot planmäßiger Flüge zwischen 23 und 5 Uhr verbunden.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Gleichzeitig weist der VGH an anderer Stelle aber auch darauf hin, dass die Festlegung von Nachtflugbeschränkungen in der Form eines landesplanerischen Ziels in die Kompetenz der Fachplanung eingreife und deshalb – er drückt sich vorsichtig aus – rechtlich unzulässig sein könne. Hier stellt sich mir folgende Frage – das sage ich in aller Offenheit –: Wie kann im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung dann ein Rechtssatz aufgestellt werden, nach dem schon die bloße Begründung zu einem landesplanerischen Grundsatz,der per Gesetzesdefinition, wie es in der Urteilsbegründung weiter heißt, weniger verbindlich ist als ein landesplanerisches Ziel, ein, wie es in der Urteilsbegründung weiter heißt, generelles Verbot planmäßiger Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr vorschreibe?

Wie kann die Begründung eines rechtlich nicht zwingenden Grundsatzes geeignet sein, ein teilweises Betriebsverbot vorzuschreiben? Die Begründung des Landesentwicklungsplans, also die Begründung einer untergesetzlichen Landesplanungsnorm, nicht einmal die landesplanerische Norm selbst,soll eine so gewichtige Wirkung entfalten, dass sie einer auf Basis von Bundesrecht und im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung handelnden Planfeststellungsbehörde für ihre fachplanerische Entscheidung keinen Entscheidungsspielraum mehr lässt.

Ich sage in aller Deutlichkeit: Wenn wir diese Auffassung möglicherweise so stehen lassen, und das ist Gegenstand der gegenwärtigen Prüfung, nehmen wir in Kauf, dass sich der rechtliche Rahmen aller Verfahren, die mit einem Planfeststellungsbeschluss enden, grundlegend ändert. Das, was hier angesprochen wird, hat nicht nur Gültigkeit für die Entscheidung beim Frankfurter Flughafen, sondern der rechtliche Rahmen aller Verfahren, die mit einem Planfeststellungsbeschluss enden, wird davon tangiert.

Sie werden mir zugeben, dass es Sinn macht, darüber nachzudenken. Ich nehme mir das Recht heraus, über die sehr grundlegende Frage wirklich nachzudenken, weil es im wahrsten Sinne des Wortes eine grundlegende Bedeutung hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sollten an dieser Stelle auch an das denken, was wir im Begleitbeschluss zur Landesentwicklungsplanänderung mit den Fraktionen von CDU, SPD und FDP am 31. Mai 2007 gemeinsam beschlossen haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Schön, dass Sie sich an unsere alten Beschlüsse erinnern!)

Darin steht:

Zum anderen wird eindeutig klargestellt, dass der Landtag in keiner Weise beabsichtigt, in die Plan

feststellungskompetenz des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und seine eigenständige Ermessensausübung einzugreifen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Natürlich!)

Meine Damen und Herren, dies haben wir mit der Mehrheit der genannten Fraktionen der Planfeststellungsbehörde damals mit auf den Weg gegeben und konzediert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Auch die Landesregierung hat dies so gesehen, als sie die Landesentwicklungsplanänderung beschlossen hat. In der Begründung heißt es:

Die Prüfung von Einzelheiten und die Erfüllung spezifisch fachgesetzlicher Anforderungen an ein [wirksames] Lärmschutzkonzept bleiben...der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in der Planfeststellung vorbehalten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich der Landesplanung und Raumordnung ist dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel bewusst.Deshalb hat er die Revision gegen sein Urteil vom 21.August 2009 ausdrücklich zugelassen. Nicht nur das; zur Begründung der Zulassung der Revision heißt es wörtlich:

Das Verfahren

gemeint ist hier die Revision –

gibt dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, sich grundsätzlich zu Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Fluglärmschutzgesetz sowie zum Verhältnis von Fach- und Landesentwicklungsplanung zu äußern.

Meine Damen und Herren, dieser Hinweis ist für mich und sollte für uns alle Anlass sein, nicht übereilt Planänderungen einzufordern, sondern über die Bedeutung dieses Hinweises nachzudenken. – Vielen herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine kurze Information zur Lage. Allen Fraktionen sind gemäß unserer Geschäftsordnung jetzt siebeneinhalb Minuten Redezeit zugewachsen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur der Opposition!)

Herr Kollege Kaufmann, Sie wissen vieles, aber nicht alles. – § 32,Aktuelle Stunde, lautet in Abs. 7:

Überschreiten die Mitglieder der Landesregierung oder ihre Beauftragten die Redezeit der Fraktionen, verlängert sich die Redezeit für jede Fraktion um die Dauer der Überschreitung.

Aber wir sind uns immer einig, wir beide. Es sind siebeneinhalb Minuten für jede Fraktion plus die Redezeit, die noch offen ist. Das bedeutet für Herrn Al-Wazir, der sich zu Wort gemeldet hat, nach Adam Riese jetzt elf Minuten. Viel Spaß. – Sie haben das Wort.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das war jetzt eine verdeckte Rüge an den Minister!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der langen Rede, die der Wirtschafts- und Verkehrsminister hier am Rednerpult abgegeben hat, war immerhin ein sehr wahres Wort: Das VGH-Urteil wirft eine sehr grundlegende Frage auf.

Herr Posch, da haben Sie recht. Ich sage Ihnen auch, was die grundlegende Frage ist: Ob das Wort eines Ministers vor der Wahl auch nach der Wahl etwas gilt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Minis- ters Jörg-Uwe Hahn)

Genau Sie habe ich gemeint,Herr Hahn.Ich darf es vielleicht sagen: Herr Hahn hat gerade per Zwischenruf an die hessischen Verhältnisse erinnert. – Ich sage Ihnen sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und vor allem von der FDP:Das gilt nicht nur für das Wort eines Ministers. Das gilt auch für das Wort jedes einzelnen Abgeordneten von CDU und FDP, die vor der Wahl versprochen haben, dass Gegenstück zum Ausbau ein Nachtflugverbot sein soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

An dieser Aussage muss sich jeder Einzelne hier messen lassen.Ich finde,wenn eines klar geworden ist an den eher gequälten Redebeiträgen der Abgeordneten von FDP und CDU und des Vertreters der Landesregierung, dann ist das: Es ist verdammt schwer, wenn man sein Wort halten darf.

Sie versuchen wortreich, darum herumzureden, dass Sie Ihr Wort nicht nur halten dürfen, sondern nach Auffassung des VGH sogar halten müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Deswegen sage ich von dieser Stelle aus in die Reihen von CDU und FDP: Schluss mit dem Wortbruch in Hessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Schluss mit dem Wortbruch in dieser Frage. Sie haben jahrelang etwas versprochen. Sie haben jetzt die Begründung des Gerichts vorliegen. Ich finde es interessant, in welcher Tiefe der Wirtschaftsminister aus der Begründung zitiert. Offensichtlich hat er die 417 Seiten schon gelesen, Herr Müller.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie haben jahrelang etwas versprochen, und das höchste hessische Verwaltungsgericht gibt Ihnen jetzt die Möglichkeit, Ihr Versprechen zu halten. Es sagt, Sie müssen es sogar halten. Aber Sie wollen ernsthaft gegen diese Entscheidung in Revision gehen. Wie verwirrt kann man in dieser Frage eigentlich sein?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Würden Sie es bitte lauter sagen, Herr Greilich?

(Wolfgang Greilich (FDP): Sie haben keine Ahnung von gründlicher Arbeit! – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das ist wirklich interessant. Ich habe keine Ahnung von gründlicher Arbeit? – Es ist relativ einfach. Sie haben in der letzten Legislaturperiode gesagt: Ich, Greilich, bin Jurist. Ich sage Ihnen, ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren ist nicht möglich.Wer etwas anderes behauptet,hat keine Ahnung.

Der VGH sagt nun, ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren ist nicht nur möglich, es ist sogar geboten, Herr Jurist Greilich.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP))

Das ist doch Ihr Problem. Der Verwaltungsgerichtshof sagt, das Nachtflugverbot muss als Ausgleich sein, und weist den Weg des ergänzenden Planfeststellungsverfahrens. Jetzt frage ich Sie: Warum wollen Sie Ihr Versprechen nicht halten? Sagen Sie das. Sie haben noch einmal Redezeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Sagen Sie es.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Problem ist doch, dass hier 20 Abgeordnete der FDP sitzen, die in den Landtag mit einer Wahlkampagne gekommen sind, bei der überall auf den Plakaten stand: „Unser Wort gilt“. Aber jetzt wollen Sie von Ihrem Wort nichts mehr wissen. Das ist Ihr Problem.