Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben klargemacht, dass Sie dieser Auffassung sind. Man kann dieser Auffassung sein.

(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das ist aber eine Frage, die durch die Urteilsbegründung des VGH nicht beantwortet wird.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie haben doch etwas versprochen, Herr Arnold!)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Urteilsbegründung, gerade auch die Auswirkungen der Aussagen des VGH, welche Bindungswirkung landesplanerische Aussagen im Vergleich zu einer bundesrechtlichen Regelung haben, was Planfeststellungsverfahren anbelangt, ist eine ganz wichtige Frage, die in diesen Tagen beurteilt wird. Wenn Sie hier auch vollmundig von einer „Woche der Wahrheit“ gesprochen haben:

(Zurufe von der SPD: Ja! – Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Wir als CDU-Landtagsfraktion möchten, dass diese Landesregierung sehr verantwortungsvoll, auch mit Blick auf die Nachtruhe der betroffenen Bevölkerung,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was haben Sie denn versprochen?)

aber auch mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes – auch dafür ist der Ausbau des Flughafens von entscheidender Bedeutung –, über diese Frage nachdenkt.

(Zurufe der Abg.Petra Fuhrmann (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben vier Wochen Zeit. Die Landesregierung wird diese Frage mit Ruhe und Augenmaß klären.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Arnold, haben Sie auch noch ein bisschen Ehre als Abgeordneter? Haben Sie etwas versprochen? – Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann und Nancy Faeser (SPD))

Wichtig ist, dass endgültige Rechtssicherheit notwendig ist und dass wir das in einem überschaubaren Zeitraum erreichen.

Ich möchte noch eines deutlich sagen: Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben zitiert, was Ministerpräsident Roland Koch Ende Oktober in der „Frankfurter Sonntagszeitung“ gesagt hat, nämlich: Das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, ist „keine Aussage für den Ausbau des Frankfurter Flughafens“. – Ich darf zitieren:

Das weitere Verfahren wird natürlich nach den geltenden Regeln ablaufen. Die Passage ist keine „Lex Frankfurt“,und wir werden daraus auch keine „Lex Frankfurt“ machen.

Herr Schäfer-Gümbel, der Ministerpräsident hat sich nicht als Privatperson geäußert, sondern als Ministerpräsident des Landes Hessen. Das bitte ich entsprechend zu berücksichtigen.Ich sage eines:Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung hier in jedem Fall folgen und eine Abwägung treffen. Das werden wir gemeinsam diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das Wort hat Herr Wirtschaftsminister Posch.

(Petra Fuhrmann (SPD): Die ganze Region systematisch angelogen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die lange erwartete Begründung des Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.August zum Ausbau des Frankfurter Flughafens liegt seit wenigen Tagen vor. Sie hat uns am letzten Freitagnachmittag erreicht.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit allen Aspekten dieses in seiner Komplexität und seiner Bedeutung beispiellosen Ausbauvorhabens auseinandergesetzt. Das Gleiche gilt für das umfangreiche Vorbringen im Rechtsstreit,für die Zehntausenden von Seiten an Schriftsätzen, die das Gericht zu bewältigen hatte. Wir danken dem Gericht für seine Sorgfalt und Mühe in seiner Entscheidung.

417 Seiten umfasst dieses Urteil. Seine Begründung – darauf ist eben schon in der Diskussion hingewiesen worden – ist ganz überwiegend eine eindrucksvolle Bestätigung der Arbeit der Planfeststellungsbehörde. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeitern, die in den letzten Jahren daran gearbeitet haben, recht herzlich bedanken. Diesen Dank haben sie verdient.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren,ich möchte mich auch bei meinem Amtsvorgänger, Herrn Dr. Rhiel, bedanken, der seinerzeit die Verantwortung hierfür übernommen hat. Ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr verehrter Herr Kollege Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten, wenn Sie in diesem Zusammenhang – ich habe es mir notiert – von Rechtsverdreherei sprechen und von 417 Seiten Trickserei und winkeladvokatischen Verrenkungen, dann weise ich diese Formulierungen ausdrücklich zurück.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Nein! Zitieren Sie ordentlich! Zitieren Sie mich redlich!)

Herr Schäfer-Gümbel, ich füge hinzu: Eigentlich ist es auch nicht nötig, Ihrerseits auf diese Art und Weise dieses Werk von 417 Seiten zu kommentieren.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie verdrehen mir das Wort im Mund! Unglaublich! – Tarek AlWazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat das Gegenteil gesagt!)

Dazu ist die Materie viel zu komplex und bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD):Ich habe das Gegenteil von dem gesagt, was Sie erklären!)

Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben zu Recht auf insbesondere 20 Seiten der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hingewiesen, in denen die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde kritisiert wird, was sich insbesondere zu zwei der zahlreichen Regelungen im Planfeststellungsbeschluss zum Schutz der Nachtruhe äußert. Diese Kritik war uns nicht unbekannt. Bereits in den Eilbeschlüssen vom 15. Januar dieses Jahres und in knapper Form auch in seiner Presseinformation zur Verkündung der erstinstanzlichen Urteile am 21. August hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zu diesen beiden Regelungen deutlich gemacht.

Was wir noch nicht kannten, das sind die tragenden rechtlichen Erwägungen des Gerichts, seine Überlegungen im Einzelnen und seine rechtlichen Vorgaben für eine Planergänzung. Das liegt uns nun vor. Erwarten Sie bitte nicht, dass dieses komplexe Urteil in den wenigen Tagen von uns schon umfassend ausgewertet und im Einzelnen geprüft werden konnte. Es geht dabei auch nicht nur um diese 20 Seiten. Es geht um Querbeziehungen einzelner Begründungsabschnitte, es geht um den Abgleich mit der bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, und es geht dabei auch um Halbsätze und die Verwendung einzelner Begriffe.Da begnügen wir uns nicht mit einem schnellen ersten Eindruck. Das wäre der weitreichenden Bedeutung dieses Urteils nicht angemessen. Deshalb haben wir Spezialisten mit der Auswertung dieses Urteils und mit der Auswertung seiner rechtlichen Auswirkungen befasst.

Das Ergebnis dieser Überprüfungen werden wir mit aller Sorgfalt in unsere Entscheidung über den weiteren Umgang mit diesem Urteil einbeziehen.Bei mir verstärkt sich dabei der Eindruck – deswegen will ich auf das eingehen, was Sie, Herr Schäfer-Gümbel, gesagt haben –, den ich bereits im September-Plenum vor einem deutlich geringeren Informationshintergrund hierzu dargestellt habe. Dieses Urteil, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirft grundlegende Fragen auf.

Ich will eine Frage nennen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Beispiel, ob Ihr Wort gilt!)

Da heißt es zum Beispiel: Der Antrag der Fraport AG auf null Flüge in der Mediationsnacht mache den hiervon abweichenden Planfeststellungsbeschluss nicht rechtswidrig. Der Antrag der Fraport AG sei ein Vorschlag an die Planfeststellungsbehörde,dem sie sich anschließen könne, von dem sie aber auch im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsbefugnis abweichen könne. Das von der Fraport AG vorgesehene Betriebskonzept mit null Flügen zwischen 23 und 5 Uhr sei von der Planfeststellungsbehörde vor allem im Hinblick auf die Einwendungen Dritter, die im Rahmen des Verfahrens eingebracht werden, zu prüfen. Das gelte umso mehr, als zahlreiche Fluggesellschaften Einwendungen dagegen erhoben hätten. Das heißt, der VGH akzeptiert also an dieser Stelle, dass nicht das Betriebskonzept der Fraport AG Gegenstand der rechtlichen Betrachtungsweise ist, sondern das aufgrund von Einwendungen durch die Planfeststellungsbehörde geänderte Betriebskonzept.

Das Abwägungsgebot, so sagt der VGH weiter, erfordere nicht nur einen Ausgleich zwischen dem Flughafenbetreiber auf der einen und der lärmbetroffenen Bevölkerung auf der anderen Seite, sondern auch eine Einbeziehung der allgemeinen wirtschaftlichen Belange der Flughafennutzer, hinter denen das öffentliche Interesse an der Op

timierung der Luftverkehrsinfrastruktur stehe.Umfassender kann man die Notwendigkeit des Abwägungsvorganges und die Einbeziehung aller Belange nicht beschreiben. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel bezieht sich auch auf das Kriterium des Bundesverwaltungsgerichts für die Zulassung von Nachtflügen, nämlich auf das Vorliegen eines standortspezifischen Nachtflugbedarfs.

(Zuruf von der CDU: Schön!)

Die Planfeststellungsbehörde geht zu Recht davon aus, dass für den Frankfurter Flughafen ein solcher Bedarf bestehe. Allerdings sagt der Hof, dann müsse bei der Zulassung von Frachtflügen die Expressfracht überwiegen.

Die Fraktionsredezeit ist erreicht.

Das sei im Planfeststellungsbeschluss nicht konkret zahlenmäßig dargelegt worden. Dies ist der kritische Ansatzpunkt des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes.

Ich habe Sie darauf hinweisen müssen, dass die Fraktionsredezeit erreicht ist.

Danke. – Die Planfeststellungsbehörde hat drei Gutachten zum Nachtflugbedarf eingeholt. Das hat bisher dem Bundesverwaltungsgericht genügt. Eine konkrete zahlenmäßige Bilanz von Express-Frachtflügen im Jahr 2020 ist bislang nicht verlangt worden.Keiner der Gutachter hatte Zweifel, dass der zentrale und größte Umschlagplatz für Luftfracht in Europa, der Frankfurter Flughafen, auch im Jahr 2020 für die Unternehmen dieser Region und weit darüber hinaus in der Nacht einige Luftfracht abzuwickeln hat. Ich referiere das, was wir an Gutachten in das Planfeststellungsverfahren einbezogen haben.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Letztlich,so der Hessische Verwaltungsgerichtshof,sei der Aspekt der Dringlichkeit nächtlicher Fracht nicht ausschlaggebend für seine Auffassung,dass die Zulassung der 17 Ausnahmen rechtswidrig sei. Ausschlaggebend sei – und über diese Frage haben wir uns hier häufig schon unterhalten – die Änderung des Landesentwicklungsplans 2007.Der Grundsatz zum Nachtlärmschutz in dieser LEP-Änderung schränke den Gestaltungssielraum der Planfeststellungsbehörde auf annähernd null ein. Herr Kollege Dr. Arnold hat das eben angesprochen. Der Grundsatz zum Lärmschutz in der LEP-Änderung 2007 – da zitiere ich den Hof – sei als grundsätzliches Verbot planmäßiger Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr zu verstehen. Ausnahmen hiervon seien nur dann gerechtfertigt, wenn außergewöhnliche Betriebsbedingungen vorliegen.

Die Kompetenz zur landesplanerischen Festsetzung eines Vorranggebietes für den Bau einer Landebahn umfasse auch die Befugnis der Landesregierung, im Landesentwicklungsplan eine konkrete Zeitspanne für die Nacht

ruhe festzusetzen. Eine solche Feststellungskompetenz für den Landesentwicklungsplan jenseits von Zielen und Grundsätzen war bislang in der Rechtsprechung unbekannt.

Weiter heißt es: Die Landesregierung habe als Trägerin der Landesplanung in der Begründung der LEP-Änderung 2007 die grundsätzliche Entscheidung zugunsten der Fughafenerweiterung mit dem Verbot planmäßiger Flüge zwischen 23 und 5 Uhr verbunden.