Protokoll der Sitzung vom 28.01.2010

Frau Präsidentin, liebe – –

Herr Kollege Dr. Müller, bitte entschuldigen Sie noch einmal kurz.– Ich habe Frau Kollegin Wissler gerade deutlich gesagt, dass sie sich hier im parlamentarischen Rahmen verhalten soll. Wenn Sie Kritik an mir üben wollen, dann können Sie jederzeit den Ältestenrat einberufen.Wir hatten dieses Thema schon öfter. Hier in der Öffentlichkeit bitte ich Sie nochmals – wie in unserer Geschäftsordnung vorgesehen –, an mir keine Kritik zu üben. – Ich erteile jetzt Herrn Kollegen Dr. Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin – –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Auf den „Hassprediger“ kommen wir zurück! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE):Tun Sie das! – Zuruf von der CDU: Sie können sich nicht benehmen! – Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Müller hat das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Wissler, Sie haben sich heute wieder einmal als rhetorisches Schnellfeuergerät des Neokommunismus hervorgetan.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Ich muss sagen, was wir von Ihnen erlebt haben, war wirklich eine Hetze.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe es Ihnen vorgelesen, Herr Müller!)

Ich komme dazu. – Das war wirklich eine Hetze gegen einen Abgeordneten, den erneut und mehrfach die große Mehrheit seines Wahlkreises mit großem Vertrauen in diesen Hessischen Landtag entsandt hat.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD):Was für ein Hetzer!)

Wir werden es – ich habe das ganz deutlich gesagt,und unser Fraktionsvorsitzende tat dies in seinem Zuruf auch – als CDU-Landtagsfraktion nicht zulassen, dass ein Kollege wie Hans-Jürgen Irmer, der kompetent, fleißig, engagiert, übrigens gebildet und durchaus streitbar ist, von Ihnen in dieser Art und Weise diffamiert wird.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er diffamiert sich doch selbst!)

Ich hätte an sich erwartet, dass man hier nicht in dieser Form einen Kollegen angreift, sondern dass wir – was wir bereits mit der Diskussion über das Minarettverbot in der Schweiz begonnen haben – endlich einmal damit beginnen, die im Moment überall auftretende aktuelle Diskussion über die Grenzen der Islamkritik, die übrigens von Muslimen selbst wie von Nichtmuslimen geführt wird, in einer anderen Art, als Sie es hier getan haben, zu führen.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Ich verstehe nicht, dass gerade Sie hierüber reden müssen!)

Ich gehe auf die Artikel im „Wetzlar Kurier“ ganz direkt ein. Der „Wetzlar Kurier“ zeichnet sich – das wissen wir alle – durch eine sehr pointierte Sprache aus.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Er hat eine klare inhaltliche Ausrichtung, wie übrigens auch andere Zeitungen in diesem Lande. Die sind aber nicht so erfolgreich wie der „Wetzlar Kurier“.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Kollegin Wissler, Sie haben heute schon Ihren Beitrag geleistet, und ich meine, das wird einmal reichen.

(Beifall bei der CDU)

Vor Ihrer Lebenserfahrung – nach dem Motto: vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal – können wir jetzt gerade einmal Ruhe haben.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kommen Sie doch einmal zur Sache!)

Ich muss doch auch auf die hochintelligenten Zwischenrufe von Frau Wissler eingehen dürfen, Herr Al-Wazir. – Die Zuspitzungen der Formulierungen in diesem „Wetzlar Kurier“ ecken zugegebenermaßen an.Sie sind nicht jedermanns Sache, und ich gebe ganz ehrlich zu: auch nicht immer meine. Ich glaube aber, wir sollten eines ganz deutlich machen: Es kann niemand bestreiten, und das wäre der Ansatzpunkt gewesen, dass in diesen Artikeln des „Wetzlar Kuriers“ ein durchaus in der Gesellschaft diskutiertes Problem aufgegriffen wird und dass er vor allen Dingen keine Ängste provoziert, sondern auf Ängste eingeht, die doch in dieser Gesellschaft existieren.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Deswegen wundere ich mich, dass Sie hierzu reden! – Gegenruf von der CDU: Hören Sie doch zu! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie aufgegriffen?)

Und eines ist klar – wissen Sie, Herr Al-Wazir, davon haben Sie doch immer gelebt –: Wer Tabus anspricht und bricht, der kommt in seiner Unbequemheit auch einmal an Grenzen der Ablehnung.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Er schürt! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das ist eine Dauererscheinung!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn der türkische Ministerpräsident

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

in der Kölnarena seinen Landsleuten zuruft, Assimilierung stoße an die Grenzen der Menschenwürde, oder wenn Menschen Angst vor Parallelgesellschaften haben, dann gehen wir gegen diese Ängste nicht vor, indem wir sie tabuisieren und verschweigen, sondern, ich glaube, Ängste kann man am ehesten überwinden, wenn man sie offen anspricht, nicht indem man sie negiert, denn das ist keine Lösung des Problems.

(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Er schürt sie doch!)

Das geschieht im „Wetzlar Kurier“ in einer Sprache, die oft provozierend ist. Wir wissen auch, dass Provokation ein Mittel ist, mit welchem man überhaupt erst einmal Diskussionen anstößt.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind doch klüger, als Sie hier reden!)

Herr Al-Wazir, das unterscheidet uns. – Ich will Ihnen einmal eines sagen:Wenn Frau Wissler hier den Eindruck erweckt, dass Brandanschläge auf Moscheen und das Bedrohen von muslimischen Bürgern in einem direkten Zusammenhang mit dem stünden, was Herr Irmer in seiner Zeitung an Ängsten aufgreift, dann ist die Grenze dessen

überschritten, was man in diesem Landtag ansprechen darf.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Petra Fuhr- mann (SPD): Nein!)

Was wir in – –

Herr Kollege Dr. Müller, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich sage Ihnen, wir werden darauf zurückkommen, weil dies nicht geht. Sie unterstellen anderen immer niedere Motive und sehen sich selbst in der Position einer höheren moralischen Wahrheit. Dadurch fehlt Ihnen – auch darüber sollten Sie einmal nachdenken – die Möglichkeit zur Selbstkritik.

Da wir über den Antrag der GRÜNEN noch nicht diskutiert haben, sage ich: Wir werden diesen diffamierenden Antrag der LINKEN selbstverständlich ablehnen. Wir bitten, über den Antrag der GRÜNEN in Ziffern abzustimmen, weil man aus gutem Grunde zumindest die Positionen in den Ziffern 1 und 2 nicht ablehnen kann,weil wir den interkulturellen Dialog, den wir hier einmal begonnen haben, auch weiterführen wollen,

Herr Kollege, Herr Dr. Müller, ich darf Sie nochmals bitten, zum Schluss zu kommen.

aber anders, als wir dies von Frau Wissler gehört haben.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Müller. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Öztürk für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier nicht um irgendwelche Diffamierungen eines Abgeordneten, sondern darum, dass er diffamierende Äußerungen gegenüber Muslime in diesem Land getätigt hat. Und das wollen wir heute debattieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Um es ganz klar vorweg zu sagen: In diesem Land gibt es die Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder Zeitungsherausgeber oder Journalist kann in seiner Zeitung schreiben, was er denkt, solange es im gesetzlichen Rahmen ist. Das ist auch gut so. Aber es ist auch ganz klar, dass es in diesem Land die Aufgabe eines jeden Demokraten ist, hinzuschauen, was geschrieben wird, und darauf hinzuweisen, wenn grenzwertige Äußerungen zulasten anderer getätigt werden, meine Damen und Herren; denn wir brauchen

eine Kultur des Hinschauens und nicht des Wegschauens und nicht des Banalisierens.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Dr. Rolf Müller (Geln- hausen) (CDU):Wer schaut denn weg? – Gegenruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie, Herr Müller!)

Genau darum geht es heute in dieser Aktuellen Stunde, und der Anlass ist wieder einmal die Äußerung eines Herrn Irmer, der in seinem „Wetzlar Kurier“ gesagt hat: „Danke, Schweiz: Minarette sind politische Symbole“.

Nun können wir uns doch alle ganz bestimmt noch an die letzte Aktuelle Stunde erinnern, die auf Antrag der FDP gestellt worden ist. In der letzten Aktuellen Stunde ist in diesem Landtag die Minaretten-Debatte geführt worden. Es ist von den Regierungskoalitionen auch ein Antrag gestellt worden, in dem es ganz klar heißt,