Protokoll der Sitzung vom 02.03.2010

effekt erzeugen. Zudem wäre diese Einsparung nicht einmalig, sondern dauerhaft und damit nachhaltig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dazu müsste man Investitionshemmnisse beseitigen, die Förderung unbürokratischer und transparenter machen und die Fördersumme deutlich erhöhen. Zu diesem Aspekt werde ich in meiner Rede nachher noch einmal zurückkommen.

Frau Staatsministerin Lautenschläger hat heute kaum ein Thema ausgelassen. Sie hat sich zur Nutzung der Windkraft und der Kernkraft positioniert. Sie hat klar Position für einen Energiemix bezogen. Auch für uns ist die Nutzung der Kernenergie die Nutzung einer Übergangsenergie. Wir benötigen zurzeit noch einen Energiemix, und zwar so lange, bis die Erzeugung regenerativ hergestellter Energie wirtschaftlich ist. Frau Staatsministerin Lautenschläger hat insbesondere die Bedeutung der Versorgungssicherheit, des Erhalts der Schöpfung und der wirtschaftlichen Effekte gerade für das Handwerk aufgezeigt. Aus meiner Sicht gibt es da wichtige Argumente.

Ich will aber noch zwei weitere Punkte zur Diskussion stellen,die meiner Einschätzung nach wichtig sind und die eng miteinander verknüpft sind. Dabei geht es um die Wirtschaftlichkeit und damit die optimale Allokation der Ressourcen, um einen maximalen Effekt für den Klimaschutz zu erzielen. Darüber hinaus geht es um die Frage der sozialen Verteilung der Lasten für einen Umstieg auf die regenerative Erzeugung der Energie. Diese beiden Themen sind meiner Ansicht nach heute hier nur relativ kurz vorgekommen.

Auf der Erde gibt es ausreichend Potenziale,um alle Menschen ausreichend mit regenerativ erzeugter Energie zu versorgen. Die Musterrechnungen dazu sind jedem von uns bekannt.

Bei der wahren Frage geht es um die Entscheidung, wie man diese Energie in welcher Zeit, mit welcher Verlässlichkeit und zu welchen volkswirtschaftlichen und ökologischen Kosten verfügbar macht.Wenn ich diese Frage beantworten will, muss ich auch die soziale Frage, also die Verteilung der Belastungen auf die einzelnen Bürger, genau beobachten. Um diese abstrakte Argumentation ein wenig greifbarer zu machen, möchte ich das an zwei Beispielen darlegen.

Die Frage nach wirtschaftlich vernünftigem Handeln würde sich z. B. stellen, wenn wir 3 TWh Strom pro Jahr mit Fotovoltaik erzeugen würden. Auch nach der reduzierten Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz würden für den Stromverbraucher jährlich Kosten in Höhe von mehr als 1 Milliarde c entstehen.Um diese Strommenge zu erzeugen, müssten für mindestens 12 Milliarden c Anlagen auf hessischen Dächern installiert werden. Ich glaube, das sind gewaltige Zahlen.

Jetzt muss man sich einmal betrachten, wie die sozialen Lasten verteilt werden. Man muss sich also mit der sozialen Frage beschäftigen. Das soll hier immer ein Thema sein. Ich möchte das anhand eines Eigenheimbesitzers und eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers darstellen.

Ein Eigenheimbesitzer kann sich einen zinslosen KfWKredit für eine Fotovoltaikanlage für sein Dach besorgen und für 20 Jahre sichere finanzielle Gewinne einstreichen. Dem ALG-II-Empfänger fehlen die Immobilie und die finanzielle Ressource, um eine Anlage betreiben zu können. Allerdings bekommt er bekanntlich Wohngeld und

Heizkosten erstattet.Die Stromkosten trägt er aus seinem Regelsatz von 359 c. Das ist auch eine Wahrheit, vor der man sich nicht wegducken kann. – Dies sind drastische Beispiele, und sie zeigen die Schwächen des Systems auf.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

1 Milliarde c – das ist fast das Doppelte des Sozialetats des Landes Hessen.Das ist eine gewaltige Summe.Ich will deshalb eine andere Rechnung aufmachen. Statt 1 Milliarde c Jahr für Jahr für die Fotovoltaik investiert die Gesellschaft das Geld in Investitionszuschüsse für Wohneigentümer,

(Widerspruch des Abg.Timon Gremmels (SPD))

um so die Modernisierungsquote auf über 3 % zu erhöhen. Der Effekt wäre gewaltig. Allerdings würden Wohneigentümer finanziell massiv bevorteilt. Dies stellt natürlich auch wieder eine soziale Frage über die Verteilung der Lasten.

Mit diesen Beispielen will ich deutlich machen, dass wir unsere gesetzlichen Instrumente, insbesondere die Förderinstrumente, permanent hinterfragen und verbessern müssen. Der lokale Schwerpunkt in der Klimadebatte muss sich stärker auf Einsparung von Energie fokussieren und genau hier einen Förderschwerpunkt setzen.

(Timon Gremmels (SPD): Beides!)

Die regenerative Erzeugung von Strom ist nicht lokal gebunden, sondern muss ganz besonders der Effizienzüberlegung Rechnung tragen. Deshalb begrüße ich, dass Frau Staatsministerin Lautenschläger eine Öffnungsklausel eingebaut hat, die vorsieht, dass der geplante Ausbau der regenerativen Stromerzeugung nicht ausschließlich auf hessischem Boden stattfinden soll.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Im Zeitalter der globalisierten Wirtschaft ist es einfach ein absoluter Rückschritt, wenn man globale Probleme in seinem Vorgarten lösen will.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Eieiei!)

Ich sage nicht, dass man nichts tun soll. Deutschland erzeugt ungefähr 2,5 % des globalen CO2-Ausstoßes. Auch 100 neue Windkraftanlagen an deutschen Küsten verhindern den Anstieg des Meeresspiegels nicht. Deutschland muss die Europäische Union stärker als Transmissionsriemen für den Aufbau eines Netzwerkes regenerativer Stromerzeugung nutzen.Deutschland muss Anrainerstaaten einbinden. Wir benötigen ein europäisches HGÜStromnetz, um optimal regenerativ erzeugten Strom verteilen zu können und um, wo möglich, der Grundlastfähigkeit nahezukommen. Mich hat das Konzept von Dr. Czisch zumindest grundsätzlich überzeugt.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – HansJürgen Irmer (CDU): Stellt doch einmal den Krakeeler ab!)

Wir müssen uns vernetzen, um dort Energie zu erzeugen, wo sie am wirtschaftlichsten zu erzeugen ist, um die Kosten für die Umstellung der Stromerzeugung so niedrig wie möglich zu halten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich möchte eine deutliche Warnung aussprechen. Die ist gut gemeint. Wir müssen der Welt beweisen, dass Klima

schutz nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Wer diese Erkenntnis in seinen Überlegungen nicht ausreichend berücksichtigt,wird am Ende mit seinen Ideen scheitern und mit leeren Händen dastehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Kopenhagen war eine Warnung an all die Idealisten, die glauben, ihre Erkenntnis und Überzeugung würde die Mächtigen in der Welt – in Amerika, China und Indien – beeindrucken und zum Handeln bewegen. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam an dem Ziel arbeiten, dem Klimaschutz politisch einen Stellenwert zu verschaffen, der notwendig ist, um erfolgreich gegen die Klimaerwärmung handeln zu können.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es geht Ihnen nicht um Systemwechsel!)

Hessen hat heute einen weiteren Schritt auf diesem Weg getan. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke sehr, Herr Rock. – Frau Wissler, Sie haben jetzt Gelegenheit,für die Fraktion DIE LINKE das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rock, ein weiterer Schritt ist getan. Die Frage ist nur:Wohin?

(René Rock (FDP): Nach vorne!)

Ein Schritt in Richtung Abgrund ist auch ein Schritt nach vorne, aber in die falsche Richtung.

Frau Ministerin, Sie haben Ihrer Regierungserklärung den Titel gegeben „Versorgung sichern – Schöpfung bewahren – Wirtschaft stärken“. Vielleicht hätten Sie lieber den Titel wählen sollen: Profite sichern – Wertschöpfung bewahren – Wirtschaft stärken.

(Horst Klee (CDU): Da ist sie wieder!)

Oder einfach nur: „Wirtschaft stärken – Wirtschaft stärken – Wirtschaft stärken“, weil Sie über etwas anderes nicht gesprochen haben.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Die Probleme, über die wir hier reden, sind nicht neu. Die alarmierenden Klimaberichte der Vereinten Nationen und anderer machen seit Jahrzehnten deutlich, dass Klimaschutz eine der drängendsten Zukunftsfragen ist. Dem Wachstum auf der Grundlage fossiler Brennstoffe sind Grenzen gesetzt. Wir haben nicht ewig Zeit, denn das Klima verändert sich dramatisch. Die Gesundheit der Menschen in den Industriestaaten leidet unter der hohen Belastung der Luft mit Schadstoffen, aber die Menschen in anderen Teilen der Welt leiden heute schon an Umweltkatastrophen infolge einer völlig unverantwortlichen Energie- und Verkehrspolitik.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino und Horst Klee (CDU): China!)

Herr Bellino, Ihre Regierung macht doch gerade eine Delegationsreise nach China. Sie können mitfahren und

sich vor Ort einmal informieren. Ich unterhalte dahin keine Kontakte.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Bitte zur Sache!)

Frau Ministerin, ich frage mich angesichts dieser dramatischen Situation, was Sie eigentlich im letzten Jahr getan haben. Offensichtlich ist es um Sie etwas einsam geworden. Ich weiß nicht, wo der Rest der Landesregierung ist. Vielleicht hat er sich irgendwo verkrochen und schämt sich noch.

(Ministerin Dorothea Henzler: Moment mal!)

Frau Kultusministerin, entschuldigen Sie. – Frau Ministerin, wenn Ihre Regierungserklärung ein Arbeitsnachweis für das letzte Jahr war, dann ist das doch sehr dürftig.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Die Bundesregierung hat vor eineinhalb Jahren das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet, dessen zurückhaltender Anspruch es ist, im Jahr 2020 einen Anteil von 20 % erneuerbare Energie als Minimum zu erreichen. Ihre Regierung definiert die 20 % als Maximalziel. Das bezeichnen Sie noch als ein ehrgeiziges Ziel.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Wer war denn früher dran?)