Protokoll der Sitzung vom 03.03.2010

Herr Blum,vielleicht war wieder eine Mövenpickerei im Gange. Das weiß ich aber nicht. Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP) – Alexander Noll (FDP): Gibt es noch eine Schublade?)

Ich habe noch viele Schubladen. Die Redezeit reicht aber leider nicht aus, um sie alle zu öffnen, Herr Noll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offenbar hat sich selbst die Koalition auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammengerauft. Sie haben uns gestern noch einen Dringlichen Antrag vorgelegt, in dem Sie deutliche Worte zur Steuerhinterziehung gefunden haben. Bei diesem Antrag bleiben Sie uns aber eine wesentliche Antwort schuldig: Was machen Sie, wenn es wirklich zum Kauf kommen sollte? Eine Antwort auf diese Frage haben Sie nicht gegeben.

(Leif Blum (FDP): Dazu steht in Ihrem Antrag auch nichts!)

Ich hoffe, dass sich der Finanzminister durchsetzen kann, sodass wir dazu kommen, diese Daten zu nutzen.

(Leif Blum (FDP): Dazu sagen Sie doch auch nichts!)

Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss und danke für den Hinweis, Herr Präsident.

Unser Antrag verhält sich sehr eindeutig dazu. Das ist die Linie, auf die wir uns verständigen sollten. Ich hoffe sehr, dass Sie hinter dem Finanzminister stehen und die gemeinsame Linie vertreten und sagen: Jawohl, die Hessen kaufen. – Außerdem hoffe ich, dass die unseligen Äußerungen hessischer Regierungsmitglieder über Diebesgut und Hehlerei der Vergangenheit angehören. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Danke, Frau Erfurth. – Zur Begründung des Antrags der Fraktion DIE LINKE hat nun Herr van Ooyen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rechtsstaat gilt das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Im Steuerrecht gilt dies offenbar nicht, wenn es um den Vollzug beispielsweise von Strafandrohungen geht. Zwar ist Steuerhinterziehung in schweren Fällen mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren bewehrt. Bestraft wird aber nur der, der sich nicht selbst anzeigt. Die mehr als 600 Steuerstraftäter, die sich in den vergangenen Wochen in Hessen selbst angezeigt haben, dürfen aber auf Milde hoffen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Na, na, na!)

Die Strafandrohung des Gesetzes wird damit ad absurdum geführt.

Ich erkenne aber an, dass im Antrag von CDU und FDP dem Ansinnen von GRÜNEN, der SPD und uns Rechnung getragen wird und die Straffreiheit ausdrücklich ausgesetzt werden soll. Das ist ein wichtiger Erkenntnisfortschritt; denn Straffreiheit gilt als unnötiges Dankeschön für die gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit der Steuerkriminellen, die sich ihrer Steuerpflicht entziehen und das Gemeinwesen in seinem Kern schädigen.

Der durchsetzungsfähige Staat muss deren Handeln sowohl präventiv als auch jetzt ganz konkret wirkungsvoll bekämpfen.Die Privilegierung der Privilegierten muss ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher hat die steuerrechtliche Verfolgung von Steuerkriminalität eher den Charakter staatlich organisierter Nachsichtigkeit. Dies zu ändern wäre ein Leichtes, würde man die Behörden in die Lage versetzen, Einkommensmillionäre und Unternehmer regelmäßig und eingehend zu prüfen. Dies wäre ein lohnendes Geschäft; denn jeder Betriebsprüfer kostet etwa 80.000 c pro Jahr, treibt aber durchschnittlich 1 Million c zusätzliche Steuern pro Jahr ein.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Schon deshalb ist die staatliche Laxheit bei der Verfolgung Steuerkrimineller völlig unverständlich.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Gott- fried Milde (Griesheim) (CDU))

Unverständlich ist auch, weshalb gerade in der hessischen Finanzmetropole Frankfurt weniger Steuerfahnder arbeiten als beispielsweise in Düsseldorf. Im Gegensatz zum dritten Punkt des Antrags von CDU und FDP,der die weimarsche Umsetzung des Systems Koch verfolgt, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen, wird die unzureichende Besetzung der Finanzämter über den Klee gelobt. Dem werden wir natürlich nicht zustimmen. Vielmehr sollten Sie unseren Antrag annehmen, sodass wir tatsächlich 100 Steuerfahnder mehr einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung versucht, in Hessen Standortpolitik der besonderen Art zu betreiben, indem sie sich nicht nur in die Arbeit der Steuerbeamten einmischt, sondern auch noch zu wenige von ihnen beschäftigt. Um dem unsäglichen Steuerwettbewerb zwischen den Bundesländern, der durch den Länderfinanzausgleich noch befördert wird, Einhalt zu gebieten, schlagen wir vor, die Finanzmittel für Steuerfahndung und Betriebsprüfung in Abzug von der Ausgleichsmasse zu bringen, sodass die einzelnen Steuereinnahmen mehr zur Geltung kommen. Der Vorschlag sieht vor, dass die Kosten für die Aufstockung des Personals in den Landesfinanzverwaltungen auf das Niveau der Personalbedarfsplanung im Länderfinanzausgleich zu berücksichtigen sind und dass Länder mit planmäßigen Personalausstattungen wegen ihres Bemühens um Mehreinnahmen und eine wirksame Durchsetzung der Steuergesetze nicht benachteiligt werden.

Um den unsinnigen Steuerwettlauf nach unten dauerhaft zu stoppen, halten wir perspektivisch eine Übernahme der Länderfinanzverwaltungen durch den Bund für geboten. In dieser Forderung sehen wir uns nicht zuletzt durch ein Positionspapier des Bundesfinanzministeriums bestärkt, in dem es heißt:

Die Aufsplittung in 16 unabhängige Steuerverwaltungen – stellt man ab auf die einzelnen OF-Bezirke, sind es sogar mehr – mit unterschiedlicher Vollzugs- und Prüfungspraxis (z.B.Personaleinsatz, technische Ausstattung, Prüfungsfrequenz, Prü- fungsschwerpunkte) bedingt schon als solche Vollzugsunterschiede, die immer wieder den Vorwurf an die Länder provozieren, den ansässigen Unternehmen Standortvorteile zu verschaffen.Verbindliche Ziel- und Qualitätsvorgaben für den Verwaltungsvollzug und ein darauf aufbauendes einheitliches, bundesweites Verwaltungs-Controlling bzw. Benchmarking im Steuerbereich gibt es in Deutschland nicht.

Dass es einen Schwarzmarkt gibt, auf dem Daten von Steuerkriminellen gehandelt werden, ist Ausdruck eines dramatischen Staatsversagens. In den vergangenen 20 Jahren haben unterschiedliche Regierungen Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachtet und damit Bürger zur Steuerhinterziehung ermuntert. So hatte z. B. der Bundesrechnungshof mehrere Male beklagt, dass Einkommensmillionäre viel zu selten geprüft werden. Eine Prüfung von Einkommensmillionären alle sechs bis sieben Jahre, wie sie Herr StS Dr. Schäfer für Hessen konstatiert, sei nicht ausreichend und zudem ungemein aufwendig allein deshalb, weil mehrere Jahre rückwirkend geprüft werden müssen.

(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Die werden doch nicht jedes Jahr geprüft! Die Sonderprüfung ist alle paar Jahre!)

Wir sind bereit, jährlich zu prüfen. Wenn es genügend Steuerfahnder gäbe, wäre das überhaupt kein Problem. Dann müsste man auch nicht mehrere Jahre rückwirkend prüfen.

DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, endlich gegen Steuersünder vorzugehen. Wir brauchen bessere Gesetze, mehr Steuerfahnder und weniger Einmischung der hessischen Regierung in die Arbeit der Finanzämter.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Kauf von Steuerdaten ist nur ein Notbehelf. Wir fordern, endlich systematisch gegen Steuerhinterziehung vorzugehen.

Es ist auch keine Unverschämtheit gegenüber den Unternehmern, wie Sie, Herr Blum, im Landtag kundgetan haben, wenn man Unternehmen auf Steuerehrlichkeit prüft. Es ist eine Unverschämtheit gegenüber denen, die ihre Steuern ehrlich zahlen, dies nicht zu tun.

(Beifall bei der LINKEN – Leif Blum (FDP): Das ist eine Unverschämtheit, weil Sie einen Generalverdacht aussprechen! Wenn Sie mich zitieren, dann müssen Sie mich schon richtig zitieren!)

Herr Blum, es ist zwar nicht Ihre Klientel, dennoch wissen Sie, was passiert, wenn das Kind einer alleinerziehenden Mutter, die Hartz IV bezieht, zum Geburtstag 10 c von der Oma geschenkt bekommt. In diesem Fall gilt kein Bankgeheimnis. Aus Ihrem Lager wird dann schnell der Vorwurf erhoben, dass ein Sozialhilfebetrug vorliegt. Das sind die Gegensätze, die hier kaschiert werden sollen, auch über das Steuerrecht.

Dass nun schon zum wiederholten Male Daten auftauchen, die massive Steuerhinterziehungen belegen, zeigt das Versagen der Regierungen in Bund und Ländern. Nicht erst der Skandal um die unter fadenscheinigen Vorwürfen geschassten Steuerprüfer in Hessen macht deutlich, dass die Durchsetzung der Steuerpflicht insbesondere gegenüber Vermögenden im Argen liegt. Wer nicht auf kriminell erworbene Daten angewiesen sein will,muss mit mehr Steuerfahndern, ausgetrockneten Steueroasen und strengen Finanzmarktregeln das Übel an der Wurzel packen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei Umsetzung der Maßnahmen, wie wir sie fordern, können Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe vermieden werden. Dies wäre hilfreich, um die dringendsten Finanzierungsprobleme solidarisch und kooperativ zu bewältigen.

Im Antrag von CDU und FDP erkenne ich, dass die Landesregierung bundesweit Anstrengungen unternehmen will, die „Selbstanzeigen“ aus dem steuerrechtlichen Verkehr zu ziehen.Allein mir fehlt noch der Glaube, dass dies wirklich angegangen wird. Aber Lernfähigkeit unterstellt ein Pädagoge allen Menschen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr van Ooyen. – Als Nächster spricht Herr Milde für die CDU-Fraktion.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gottfried, jetzt kein Rumgeeiere!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können alle sicher sein, dass Steuersünder nicht auf Milde hoffen können.

(Heiterkeit und allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich will hier aber gleich am Anfang auch sagen:Die Diskussion,die wir im Moment in Deutschland darüber führen, ist umfangreicher, als das von den GRÜNEN und auch von den LINKEN eben angesprochen wurde. Die Geschichte hat in der Tat zwei Seiten. Es sind zwei Seiten der gleichen Medaille, und wir müssen uns zum einen über die Frage unterhalten, ob wir zulassen können, dass Menschen ihre Zinseinnahmen im Ausland verstecken und nicht versteuern wollen. Gleichzeitig müssen wir uns darüber unterhalten, was für einen Staat wir haben wollen, wenn wir in jeder Form ungeprüft jederzeit bereit wären, Daten von Kriminellen anzukaufen, die nur zu dem einen Zweck, sich persönlich zu bereichern, an die Daten herangekommen sind. Sie haben die Daten geklaut, und sie bieten sie jetzt an. Das ist Hehlerware, und das muss man auch ansprechen dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Es ist Betrug an der Gemeinschaft, an den Menschen in unserem Land, wenn man Steuern hinterzieht. Hieran besteht kein Zweifel. Personen, die bewusst oder vorsätzlich – ich glaube, auch das sollte man sagen – Steuern hinterziehen, verlassen den Boden des Rechtsstaates und müssen einer konsequenten Strafverfolgung unterliegen.

(Beifall des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Nachdem bereits der Ankauf der Daten einer Liechtensteiner Bank im Jahr 2007 für reichlich Aufsehen sorgte, lösten die ähnlichen Bestrebungen zum Erhalten von Informationen über mutmaßliche Steuerstraftaten deutscher Staatsangehöriger in der Schweiz zwiespältige, aber nichtsdestotrotz umso heftigere Reaktionen und Debatten aus. In der deutschen Öffentlichkeit diskutieren Politiker, Juristen und Journalisten über die Rechtmäßigkeit von auf solchem Wege erlangten Daten und insbesondere über die Frage, ob die auf diesem Wege erlangten Daten überhaupt rechtmäßig verwertbar seien.