Herr Posch, immer wieder müssen wir das tun. Denn Sie bringen uns schließlich mit Ihrem Vorgehen dazu, mit einem Revisionsbeschluss vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen, das für Ihre Position sehr entlarvend ist. – Wir haben das schon sehr ausführlich in der Debatte während der Sondersitzung am 22. Dezember 2009 diskutiert. Die Landesregierung konnte schon seinerzeit nicht plausibel erklären, weshalb sie gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Revision zum Bundesverwaltungsgericht gehen will.
Schon seinerzeit war klar: Die Regierung Koch hat das Nachtflugverbot nie gewollt. Ihre im Mediationsverfahren gegenüber der leidgeplagten Bevölkerung im RheinMain-Gebiet gegebene politische Zusage, der zufolge es einen Ausbau des Frankfurter Flughafens nur in Verbindung mit einem absoluten Nachtflugverbot geben werde, ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde.
Herr Dr. Arnold, ich habe Ihnen leider nicht zuhören können. Denn die parlamentarischen Geschäftsführer haben sich draußen beraten. Das tut mir leid.
So ist das halt. In einer kleinen Fraktion ist man in mehreren Funktionen gefragt. Das kann dann einmal zusammentreffen.
Die Landesregierung hat inzwischen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben.Sie verfolgt damit ihr von Anfang an bestehendes Ziel, keine weitere Verringerung der Zahl der Nachtflüge zuzulassen. Wir wissen aus der eingereichten Klageschrift inzwischen so viel, dass die Landesregierung mit Vehemenz dafür eintritt, dass keine Veränderung an dem bestehenden Planfeststellungsbeschluss vorgenommen wird. Es soll also keinerlei Verringerung der Zahl der Nachtflüge geben.
Ein zentrales Argument der Landesregierung ist offenbar, dass, wenn die Zahl der im Planfeststellungsbeschluss genehmigten Nachtflüge gesenkt würde oder die Nachtfluggenehmigung ganz gestrichen würde, der ganze Planfeststellungsbeschluss inkonsistent würde. Deshalb sei eine Veränderung nicht möglich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dieser Auffassung schon deutlich widersprochen. Er sagte, die Anzahl der Nachtflüge könne sehr wohl mit einem Planänderungsverfahren reduziert werden, ohne dass der Planfeststellungsbeschluss dadurch inkonsistent würde. Das wäre dann in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Mediationsverfahrens und dem mit Ihrer Zustimmung festgeschriebenen Nachtflugverbot im Landesentwicklungsplan.
Herr Dr. Arnold, ich komme gleich darauf zu sprechen, was „annähernd null“ heißt. – An dieser Stelle muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Fraport selbst den Flughafenausbau mit einer Einschränkung des Nachtflugverkehrs beantragt hat. Das wird in der Diskussion oft vergessen. Die Landesregierung ist also mit dem Planfeststellungsbeschluss über die Forderung des Betreibers hinausgegangen.
Ja, das war die Planfeststellungsbehörde, die durch den Wirtschaftsminister vertreten wird. Der ist Teil der Landesregierung. Herr Dr.Arnold, ist das korrekt?
Ich gehe einmal davon aus, die Entscheidung für ein absolutes Nachtflugverbot war keine Finte zur Beruhigung der Gegner des Ausbaus des Flughafens. Das wird jetzt wieder infrage gestellt.
Eines ist aber klar. Wen wundert das? Es gibt einen weiteren Wortbruch. Denn noch im Dezember 2009 war in Koalitionskreisen zumindest von einer Verringerung der Zahl der Flüge auf durchschnittlich unter zehn in der Mediationsnacht die Rede. Herr Dr. Arnold, ich spreche Sie da jetzt direkt an. Ich weiß nicht mehr, ob das im Dezember 2009 oder eine Diskussionsrunde früher war. Sie haben damals gesagt:Die 17 sind kaputt.– Ich glaube,Sie haben diesen Begriff gebraucht.
Daraufhin ergab sich eine Diskussion,in der mehrere Personen, auch Sie, Stellung genommen haben. Sie haben immer von unter zehn Nachtflügen gesprochen.
Offensichtlich reden Sie im Klageverfahren überhaupt nicht mehr darüber. Herr Minister Posch, ich denke, das ist in der Tat eine Diskussion wert. Es sollen nämlich alle wissen,wie Sie sich dazu verhalten und wie Sie immer wieder in dieser Frage tricksen und täuschen und die Interessen der Anrainerkommunen und der Anwohnerinnen und Anwohner in keinster Weise berücksichtigen.
Gebetsmühlenartig hat Herr Minister Posch immer wieder ausgeführt, dass das Land Hessen schon allein aus Gründen der Rechtssicherheit in Revision gehen müsse. Die Frage ist nur: Für wen und mit welchem Ziel möchte Herr Minister Posch Rechtssicherheit erstreiten?
Aufgrund seiner Parteilichkeit – ich sage das einmal so vorsichtig – ist ihm aus dem Blick geraten,dass es ohne die Revision Rechtssicherheit gegeben hätte. Nach dem Abschluss des Hauptverfahrens beim Verwaltungsgerichtshof gab es für die lärmgeplagten Anrainer des Frankfurter Flughafens sehr wohl Rechtssicherheit, nämlich die Rechtssicherheit, dass die 17 geplanten Flüge in der sogenannten Kernzeit der Nacht nicht mit dem gesetzlich gebotenen Schutz der Bevölkerung vor nächtlichen Fluglärm vereinbar sind.
Herr Dr.Arnold,dann geht es natürlich um die Frage:Wie sieht denn dieser Zwischenraum aus? Den haben Sie definiert.Wir definieren das bei null. Es ist also möglich, der Forderung von Fraport Rechnung zu tragen und die Nachtflüge insgesamt zu verbieten.
Annähernd null ist bei eins. Darüber muss man diskutieren. Das ist dann nahe bei null, nicht weit weg von null. Wie Sie das durchsetzen wollen, ist natürlich eine Frage. Das ist nur hypothetisch. Das ist nicht unsere Position, um das klarzustellen. Annähernd null ist auf jeden Fall nahe bei null. Das ist auch die Definition. Davon sind Sie mit Ihrem Klageverfahren offensichtlich weit, weit weg. Sie sind sozusagen nicht annähernd null, sondern Sie haben sich in dieser Frage überhaupt nicht genähert.
(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Es gibt aber kein Klageverfahren, es ist eine Revision!)
Jetzt mache ich einmal weiter. – Dieser Satz aus der Urteilsbegründung des VGH, den ich zitiert hatte, behält vor und nach der Revision seine Gültigkeit; es sei denn, der Gesetzgeber ändert den gesetzlich gebotenen Schutz. Genau das betreibt die Landesregierung mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. Der Kollege Kaufmann hat schon darauf hingewiesen, dass sehr wohl in den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und FDP auf der Bundesebene eine Veränderung des § 29b des Luftverkehrsgesetzes vorgenommen werden soll.
Im Übrigen – soweit ich mich erinnere – hatte Herr Minister Posch schon vor dieser Koalitionsvereinbarung in einer Diskussion im Hessischen Landtag eine solche Überlegung angedeutet, und zwar bevor der VGH seine Entscheidung getroffen hatte – interessant für die ganzen Zeitabläufe.
Ich denke,das ist sehr wohl für die Betroffenen relevant, weil es um Bürgerschutz geht. Es geht hier um die Einhaltung von Versprechen und Beschlüssen dieses Parlaments, die von Ihnen in klarster Weise durch das Revisionsverfahren mit Füßen getreten wird.
Es ist auch klar, ich habe dies hier bereits zweimal aus den vertraulichen Protokollen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flugverkehrshäfen zitiert, was hier in Bewegung ist. Wenn nämlich das Bundesverwaltungsgericht zu einem gleichen Ergebnis wie der Verwaltungsgerichtshof kommt
die Experten sagen,das ist sehr wohl möglich –,dann ändern Sie ganz einfach das Luftverkehrsgesetz, machen die Nachtflüge nachträglich doch noch legal und setzen sie durch.
Meine Damen und Herren, es ist für uns klar – ich glaube, auch den Anrainern ist das klar –, dass Sie von Anfang an nicht die Interessenabwägung zwischen der Luftverkehrsgesellschaft auf der einen Seite und den Anrainern auf der anderen Seite vertreten haben. Deshalb bleibt mir nur noch am Schluss die zugegebenermaßen rhetorische Frage zu stellen, für wen und mit welchem Ziel Herr Minister Posch und die Landesregierung Rechtssicherheit in diesem Verfahren erstreiten möchten. Eine offene und ehrliche Antwort wäre mir lieb. Die erwarte ich allemal nicht. – Vielen Dank.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Müller, Ihre Beschwerde, dass wir schon wieder über den Wortbruch der Landesregierung und der Planfeststellungsbehörde beim versprochenen Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen debattieren, ist doch verkehrte Welt. Der zuständige Wirtschaftsminister schafft den Anlass, und anschließend beschweren Sie sich darüber,dass wir das im Landtag zum Gegenstand der Debatte machen. Das kann doch nicht wahr sein, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU):Was ist denn wahr?)
Herr Dr.Arnold,für mich ist nicht ganz nachvollziehbar, warum die Planfeststellungsbehörde nichts mit der Landesregierung zu tun haben soll – na gut, da mögen Sie mich einmal aufklären.
Jedenfalls war der Tag, an dem beschlossen wurde, dass man gegen das Urteil des VGH Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen will, ein schlechter Tag für die Nachtruhe der Menschen im Rhein-Main-Gebiet.Aber – das sage ich als Sozialdemokrat – es war auch ein schlechter Tag für die Akzeptanz des Ausbaus des Frankfurter Flughafens in der Region.
Wir Sozialdemokraten können für uns in Anspruch nehmen, dass wir die einzige Fraktion im Hessischen Landtag sind,die von Anfang an immer klare Kante und klare Haltung gezeigt hat.