Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde bezeichnet mit „Kein Platz für Nazis in Hessen – gegen Rassismus und rechte Gewalt in Wetzlar“. Ich füge einmal hinzu: „und überall“. Dem kann man nur zustimmen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich würde ihren Titel gern noch ein klein wenig ergänzen. Es wäre noch besser, wenn Sie geschrieben hätten: „und gegen jede Form von Gewalt“. Das muss auch sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler und Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir sind auch gegen Kriege!)

Die Landesregierung nimmt sämtliche rechtsextremistischen Entwicklungen außerordentlich ernst. Ich bedanke mich insbesondere für das, was Herr Dr. Büger und Kollege Bellino zum Dank für die Arbeit der Polizei gesagt haben. Weil es bisher nicht erwähnt wurde, will ich aber ausdrücklich die Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes würdigen. Das, was dort geleistet wird, ist aus meiner Sicht hervorragend. Dort ist viel Neues entwickelt worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir haben eine eigene Organisationseinheit, KOREX. Wir haben ein sehr waches Auge. Wir haben ein sehr erfolgreiches Aussteigerprogramm, gerade für Rechtsextremisten.Wir haben auch – und das kann niemand ernsthaft bestreiten – in Hessen eine sehr gute Situation im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet. Gemessen an den gesamten Straftaten sind wir ziemlich weit unten. Gemessen an den extremistischen Gewaltstraftaten sind wir seit Jahren auf dem besten Platz in der Bundesrepublik. Das ist ein Faktum.

Das wird uns aber nicht dazu verleiten, uns zurückzulehnen.Wir nehmen das sehr ernst.Wir dürfen aber schon mit einiger Genugtuung sagen: Weder Hessen noch Wetzlar ist ein Tummelplatz von Extremisten.

Das schließt nie aus, dass es Einzelne oder Gruppen gibt, die propagandistische Wege beschreiten – die Frau Kollegin hat das Thema Internet erwähnt; dort haben wir erhebliche Bewegungen auf allen Seiten, das stimmt –, die uns mit Sorge erfüllen müssen.

Ich habe im Innenausschuss darüber berichtet, dass die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.Das kann uns aber nicht daran hindern – und insofern ist das eine gemeinsame Position –, eine solche Tat nachdrücklichst zu verurteilen und Geschädigten unsere Anteilnahme, unser Mitgefühl auszusprechen, ohne dass wir das Ergebnis einer Ermittlung vorwegnehmen. Das ist doch klar.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, gehen Sie deshalb davon aus, dass diese Landesregierung die Bekämpfung des Rechtsextremismus nach wie vor mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln mit größter Intensität vornehmen wird.

Wegen der Zeit muss ich mich kurz fassen. Herr Dr. Büger hat es bereits angesprochen: Wir müssen immer allen gewalttätigen extremistischen Bestrebungen entgegentreten. Ein Anliegen ist dann besonders glaubwürdig, wenn man das Ganze in den Blick nimmt und nicht in den Verdacht gerät, auf einem Auge blind zu sein. Deshalb haben wir uns immer darum bemüht, Extremismus zu bekämpfen, gleichgültig woher er kommt, ob von rechts, von links, von ausländischer Seite oder woher auch immer.

Gestern hat der Bundesinnenminister der Öffentlichkeit eine Reihe von Informationen darüber vorgestellt, wie sich die Entwicklung darstellt. Bezogen auf Hessen haben wir einen Anteil an Straftaten aus der rechtsextremistischen Szene, der doppelt so hoch ist wie aus der linksex

tremen Szene. Ein beachtlicher Teil davon ist diese berühmte Geschichte mit Propagandastrafen – was im Internet passiert,Flugblätter und Ähnliches mehr.Das ist ernst zu nehmen.

Ernst zu nehmen ist aber natürlich auch, und ich finde, diesen Punkt muss man vertiefen: Der Bundesinnenminister hat darauf hingewiesen, dass die Gewalttaten aus der linksextremistischen Szene um fast 40 % angestiegen sind. Das ist ein Signal, um das wir uns kümmern müssen. Schauen Sie sich das einmal in Hessen an. Die Zahl der Gewalttaten aus dem extremistischen Spektrum war links mehr als doppelt so hoch wie rechts.Da bewegt sich etwas. Sehen Sie einmal alleine das Thema Brandanschläge, Autos abfackeln und vieles andere mehr: Diese Entwicklung muss einen besorgen, auf allen Wegen.

(Günter Rudolph (SPD): Einverstanden, aber das ist nicht Inhalt des Antrags! – Zuruf der Abg.Nancy Faeser (SPD))

Es wurden auch Vermutungen angestellt, aus welcher Ecke was kommt. Dazu will ich so viel sagen: Die Ermittlungsergebnisse, die sich teilweise abzeichnen, zeigen, dass die alten Muster nicht mehr stimmen. Wir haben sowohl Rechtsextremisten, die sich vom Äußeren her vermeintlich linksextremer Verhaltensweisen bedienen, wie auch umgekehrt.

Herr Minister, Sie denken bitte an die Redezeit.

Herr Präsident, ich will das gerne tun. Deshalb will ich zusammenfassend sagen: In der Vergangenheit haben wir mit großem Engagement – und ich denke: mit beachtlichem Erfolg – Extremismus von allen Seiten bekämpft. Das gilt gerade für den Rechtsextremismus, und das muss auch für die Zukunft gelten.

Ich will aber auch sagen: Die Bekämpfung des Extremismus kann nicht von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz alleine geleistet werden.Das ist eine vornehme Aufgabe, der wir uns engagiert stellen.

Ich will das aufgreifen, was die Kollegen gesagt haben: Der beste Schutz einer funktionierenden Demokratie sind engagierte Demokraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Bouffier.

Es gibt keine Wortmeldungen mehr. Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/2082.

Wer seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Dagegen? – CDU, FDP.

(Günter Rudolph (SPD):Ach du Schande!)

Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 59 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Einigung in Berlin – kommunale Betreuung von Langzeitarbeitslosen in Hessen gesichert) – Drucks. 18/2133 –

gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 60:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Freie Fahrt für Jobcenter und Optionskommu- nen – Hessens Hilfe aus einer Hand Erfolgsmodell für den Bund) – Drucks. 18/2135 –

Ich wäre dankbar, wenn sich ein Kollege der FDP melden würde. – Kollege Rock, Sie sind so lieb. Sie sind aus Seligenstadt und doch sonst immer sehr flott. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es muss einmal ein Rock durch den Plenarsaal gehen!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich war etwas überrascht über den abrupten Abbruch der Debatte; ich dachte, sie ginge noch ein bisschen weiter. Sinnvollerweise kommen wir jetzt zu einem äußerst wichtigen Thema.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Herr Kollege, soll das heißen, das eben war kein wichtiges Thema?)

Dieses wichtige Thema ist eine erfreuliche Situation. Sie bedeutet für uns alle hier eine wichtige Botschaft für viele Menschen.Wir konnten sie gestern in den Medien verfolgen. Sie lautet: Die Argen und die Optionskommunen in Hessen und ganz Deutschland sind gerettet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was bedeutet das im Einzelnen? Was bedeutet das konkret? Das bedeutet, dass mehr als sechs Millionen Menschen weiterhin Hilfe aus einer Hand erhalten und von den Strukturen profitieren können, die in den letzten fünf Jahren in den Kommunen auf kommunaler Ebene aufgebaut worden sind. Das bedeutet auch, dass Tausende von Mitarbeitern in Argen und Optionskommunen einen gesicherten Arbeitsplatz haben und die Qualifikation, die sie in fünf Jahren erworben haben, weiter zur Unterstützung von sechs Millionen Menschen einsetzen können. Das ist ein guter Tag für Hessen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn man von der menschlichen Dimension, die mir an der Stelle die wichtigste ist, zu den Strukturen kommt, bedeutet das auch, dass wir unglaublich viel Kompetenz gerettet und sichergestellt haben,dass Abermilliarden,die in den Aufbau dieser Verwaltungsstruktur geflossen sind, nicht umsonst ausgegeben worden sind. Es ist also auch ein Sieg der Vernunft.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Einer der zentralen Bestandteile der rot-grünen HartzIV-Reform ist gerettet worden. Ich bin mir heute nicht sicher,ob jeder aus diesem Lager das wirklich noch als freudigen Tag empfindet. Das bedauere ich ausdrücklich.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hätte schon viel früher kommen können!)

Mir ist auch klar, dass das gerade für die LINKEN ein schwarzer Tag ist, weil sie nämlich gehofft haben, über diese Möglichkeit die Hartz-IV-Reform durch die kalte Küche kassieren zu können. Das ist gescheitert.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Hermann Schaus (DIE LINKE):Wir geben unseren Kampf nicht auf! – Janine Wissler (DIE LINKE): Der Kampf geht weiter! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Sie bestätigen es sogar!)

Das befürchte ich. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass es mit Ihrem Kampf viel schwieriger geworden ist. Denn künftig wird der zentrale Bestandteil der Hartz-IVReform in der Verfassung stehen, sodass Sie dort nicht mehr mit einfachen rot-rot-grünen Mehrheiten die Axt anlegen können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Entschuldigung, wir haben das geschaffen! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich rede doch gar nicht mit Ihnen. Ich rede doch mit den Leuten neben Ihnen.– Damit wird Ihr Kampf absurd werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zurufe der Abg. Florian Rentsch (FDP), Dr. Thomas Spies (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Eigentlich wollte ich heute an dieser Stelle noch einmal vor den Gefahren warnen, wenn wir womöglich die Chance der Verhandlung verstreichen lassen. Aber seit gestern Abend wissen wir alle, dass diese Verhandlungen bereits zu einem Erfolg geführt haben. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Es ist kein monokausales Verdienst zu lokalisieren. Man kann nicht sagen, diese Person ist verantwortlich für diesen Erfolg. Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf ein paar Menschen eingehen, die sich hinsichtlich dieser Entscheidung Verdienste errungen haben.