Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Wir sind sicher, dass sich so gerade die in Wetzlar sich aufschaukelnden links- und rechtsextremen Gewalttaten Einzelner wirkungsvoll bekämpfen lassen.Wir sind sicher, dass dadurch solche Brandanschläge verschmähenswerte Einzelfälle bleiben. Wir verurteilen das – ich sage das noch einmal – auf das Schärfste und bleiben auch in Zukunft auf dem rechten wie auf dem linken Auge wachsam. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bellino. – Das Wort hat die Frau Kollegin Öztürk, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bellino, ich finde es schon sehr beschämend, dass Sie bei einem solch sensiblen Thema eine so polarisierende Rede halten, nur weil der Antrag von den LINKEN stammt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist eher peinlich! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich hoffe nicht, dass Sie diese Rede von Herzen gehalten haben. Für einen Vorsitzenden der Enquetekommission Migration und Integration möchte ich anderes voraussetzen

(Horst Klee (CDU):Was haben Sie denn gehört?)

und noch einmal unterstreichen, dass alle die Programme, die Sie aufgezählt haben,bestimmt ihr Gutes tun,uns aber ganz konkret in Wetzlar aktuell und momentan in keinster Weise helfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU): In „keiner“ Weise!)

Ich würde mir auch wünschen, dass die beiden Landtagsabgeordneten von der FDP und der CDU an der einen oder anderen Stelle, auch wenn der Redebeitrag von der Opposition kommt, ihn durchaus unterstützen und klatschen. Meine Herren, es geht auch um Ihre Stadt Wetzlar. Wir brauchen ein breites Bündnis.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Worum geht es? Am vergangenen Freitag, 19. März, hat sich ein breites Bündnis von Bürgerinnen und Bürgern, von Initiativen,Organisationen – alle sind aufgezählt worden, auch Migrantenverbände waren dabei – gemeinsam mit einer Person solidarisiert, die beispielsweise ganz gezielt und engagiert seit mindestens 2008 in Wetzlar ver

sucht, gegen rechte Gewalt und gegen rechtes Gedankengut zu arbeiten. Ca. 1.000 Menschen kamen zusammen und haben gemeinsam ausgerufen: „Wetzlar ist bunt!“ und „Wetzlar bleibt bunt!“ – Das möchte ich unterstreichen. Wetzlar ist bunt. Wetzlar bleibt bunt. Ich hoffe, dass heute aus diesem Hause ein solches Signal kommt. Genau das brauchen wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist klar, die Tat ist noch nicht aufgeklärt. Aber es gibt einen Verdacht, dass die Tat aus dem rechten Kreis kommen könnte. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich dieser Verdacht irgendwann einmal als falsch herausstellt. Glauben Sie mir, das würde ich mir sehr wünschen.

Wir möchten noch einmal daran erinnern, dass beispielsweise seit August 2008 eine bestimmte Gruppe, die sich Anti-Antifa nennt, in Wetzlar aktiv ist und auf ihrer Webseite ganz gezielt in Wetzlar aufruft und sagt: „Nennt uns jeden deutschfeindlichen Namen“, eine Demonstration in Wetzlar durchführen wollte und das auch geschafft hat. Sie versucht seit August 2008 ganz gezielt,junge Leute aus den Schulen für ihr rechtes Gedankengut zu gewinnen. Meine Damen und Herren, dagegen müssen wir Einhalt gebieten, und zwar heute und hier an dieser Stelle.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte daran erinnern, dass in Wetzlar bereits am Freitag eine couragierte Zivilgesellschaft ein Zeichen gesetzt hat. Das ist auch das, was immer in der öffentlichen Debatte gefordert wird.Es wird immer in der öffentlichen Debatte gefragt: Wo ist die Zivilgesellschaft? Wo sind die Menschen vor Ort? Warum arbeiten sie nicht dagegen, dass sich dieses Gedankengut verbreitet? Warum ruft man nur nach der Politik?

Wir haben in Wetzlar dieses Zeichen gesetzt. Wir haben demonstriert. Wir haben seit 2008 durchgängig immer wieder entweder thematische Konferenzen oder vor Ort Konzerte organisiert und mussten schon bei den vergangenen Veranstaltungen immer wieder Zeugen rechter Ausschreitungen werden, wie z. B. junge Leute gegen rechte Gewalt ganz gezielt angegriffen und junge Migranten angepöbelt wurden. Das möchte ich heute hier nicht ignorieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Es ist auch an der Zeit, nach der Politik zu fragen. Haben wir alle in diesem Hause Ausreichendes dafür getan, dass sich rechtes Gedankengut in unseren Wahlkreisen nicht verbreitet? Reichen die Aktivitäten der Landesebene aus? Reichen diese Programme, damit sich die rechte Gewalt in Wetzlar oder in Mittelhessen nicht verbreitet? Ich möchte diese Fragen gerne hier gemeinsam beantworten.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ist das ein Zufall? Auch ich habe so ein Schreiben bekommen, in dem man nämlich die gleichen diffamierenden Äußerungen abgibt. Das möchte ich nicht ignorieren. Denn was war unser Ziel? – Wetzlar soll eine Modellregion in Hessen sein. Wenn Wetzlar eine Modellregion in Hessen sein möchte, ist heute Zeit zu zeigen, dass für extremistisches Gedankengut kein Raum besteht, dass für Faschismus, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie kein Raum ist.

Frau Kollegin Öztürk, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das komme ich gleich auch. – Ich würde mir wünschen, dass der Antrag der LINKEN heute eine breite Unterstützung findet, denn es geht um ein gemeinsames Signal für ein Nein zu rechts in Hessen, ein Nein zu rechts in Wetzlar. Unterstützen Sie diese Initiative. Bekennen Sie sich bitte.Anders gehts nämlich nicht.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Zu links genauso!)

Herr Wagner, in Wetzlar geht es gerade um das Problem Rechtsradikalismus. Können Sie das unterscheiden? – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Büger, FDPFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Nacht zum 5.März wurde ein Molotowcocktail in das Haus eines Wetzlarer Bürgers geworfen. Dies ist eine Straftat, die wir zutiefst verurteilen.

(Allgemeiner Beifall)

Aufgrund des bürgerschaftlichen Engagements wurde das Feuer umgehend entdeckt und von Bewohnern und Nachbarn gelöscht. Zum Glück kam kein Mensch zu Schaden. Diese Tat ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Deshalb ist eine abschließende Bewertung noch nicht möglich. Da es jedoch Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund gibt, hat die Bürgerschaft in einer Veranstaltung ein Zeichen gesetzt. Ich schließe mich ausdrücklich der Rede des Wetzlarer Oberbürgermeisters Wolfram Dette, FDP, an, der bei dieser Veranstaltung – auch für die FDP – sagte:

Wetzlar ist eine tolerante Stadt.Wir lassen uns nicht von einer Minderheit terrorisieren.

(Allgemeiner Beifall)

Ich will diese Worte hier unterstreichen und betonen, dass Wetzlar eine liebenswerte, offene und tolerante Stadt ist. Ein rechtsradikales Gedankengut war in Wetzlar nie heimisch.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Was?)

Dies zeigen auch die zum Glück durchgehend niedrigen Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien in Wetzlar. In der Wetzlarer Stadtverordnetenversammlung sind keine extremistischen Parteien vertreten.Wetzlar hat sich sogar erfolgreich als Modellregion Integration beworben und freut sich auf einen fröhlichen Hessentag 2012.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Rechtsradikalismus ist eine Daueraufgabe für Hessen und für Deutschland.

Ich begrüße es, dass nach den am Dienstag bekannt gewordenen Zahlen des Bundesinnenministeriums die Anzahl der rechtsradikalen Straftaten im Jahr 2009 um 4,7 % zurückgegangen ist, die rechtsmotivierten Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund sogar um 16 %.

An dieser Stelle ist klar: Jede der rund 20.000 Taten des Jahres 2009 ist eine Tat zu viel. Ich darf jedoch festhalten, dass die bestehenden Anstrengungen offensichtlich Wirkung zeigen.Hier gilt mein ausdrücklicher Dank – und ich bitte,den weiterzugeben – der hessischen Polizei,die maßgeblich dazu beigetragen hat,dass sich Hessen bei rechten Straftaten bundesweit auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Extremismus ist jedoch umfassender. Deshalb erfüllt es mich mit Sorge, dass die Gesamtzahl der politisch motivierten Straftaten, wie aus demselben Bericht zu ersehen, im Jahr 2009 angestiegen ist. Dies ist auf den Anstieg von Straftaten zurückzuführen, die dem linken Spektrum zugeordnet werden,insgesamt plus 39 % – wenn auch,und das will ich ausdrücklich sagen, von einem niedrigen Niveau aus. Als Demokraten – ich hoffe, hierin sind wir uns einig – sollten wir gegen Extremismus zusammenstehen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Zuweilen erhält man ungewollten Beifall, dass, wenn man die eine extremistische Seite verurteilt, dann die andere applaudiert. Deshalb sollten wir wachsam sein, damit nicht das Schicksal von Opfern extremistischer Straftaten von anderen extremistischen Kräften für deren Ziele missbraucht wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Auch das will ich hier sagen:Zustimmung aus der falschen Ecke macht ein richtiges Anliegen nicht falsch.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

Daher teilen wir als FDP-Fraktion vorbehaltlos die Verurteilung dieser Tat gegen einen Wetzlarer Bürger als eine Straftat, auf die die Bürgerschaft mit dem Oberbürgermeister an der Spitze spontan reagiert hat. Meine Damen und Herren, eine wachsame Bürgerschaft ist der beste Schutz unserer Demokratie. Eine solche wachsame Bürgerschaft haben wir in Wetzlar. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Büger. – Das Wort hat der Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat diese Aktuelle Stunde bezeichnet mit „Kein Platz für Nazis in Hessen – gegen Rassismus und rechte Gewalt in Wetzlar“. Ich füge einmal hinzu: „und überall“. Dem kann man nur zustimmen.