Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr abgesprochen. – Dem ist so. Dann wird sich der Verkehrsausschuss damit befassen.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einführung eines „Cochemer Modells“ an hessischen Familiengerichten – Drucks. 18/2007 –
Hierzu haben die Fraktionsgeschäftsführer, die ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür lobe, die abschließende Beratung im Rechts- und Integrationsausschuss beschlossen.
Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Bekämpfung des Rechtsextremismus in Hessen verstärken – Drucks. 18/2032 –
Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Faeser gemeldet. Frau Faeser, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Rechtsextremismus hat uns schon heute Morgen beschäftigt. Es hat uns und diesen Landtag leider auch in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder beschäftigen müssen. So ist es auch heute wieder.
Am 28. Februar gab es bedauerlicherweise erneut einen gewaltsamen Übergriff von Rechtsextremen im SchwalmEder-Kreis. Die Täter, die einen Besucher einer Gast
stätte brutal zusammenschlugen, werden erneut der rechtsextremen Vereinigung „Freie Kräfte SchwalmEder“ zugerechnet. Unser Mitgefühl gilt den Familien und den Angehörigen. Meine Damen und Herren, ich denke, das gilt es heute hier auszusprechen.
Das Ereignis im Schwalm-Eder-Kreis ist leider ein weiterer Beleg dafür, dass es sich bei den Übergriffen durch Rechtsextreme nicht um ein singuläres Beispiel rechtsradikaler Gewalt handelt. Insoweit hat die Realität die Feststellung des Landesamtes für Verfassungsschutz im letzten Jahr leider überholt. Es gab leider immer wieder solche Vorfälle.
Auch die Tatsache, dass der Innenminister dankenswerterweise 30 Bereitschaftspolizisten zur Unterstützung in den Landkreis entsandt hat, spricht dafür, dass die rechtsextremistischen Erscheinungsformen eine andere, offenbar zunehmend gewaltbereite Qualität erreicht haben,die mit allen nur denkbaren rechtsstaatlichen, demokratischen Mitteln bekämpft werden muss. Es besteht also Handlungsbedarf. Das gilt nicht nur im repressiven, sondern insbesondere auch im politischen Rahmen.
Deshalb haben wir mit unserem Antrag eine Anhörung im Hessischen Landtag beantragt, die sich mit den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und -radikalismus in Hessen auseinandersetzt. Darüber hinaus soll sich die Anhörung mit der Entwicklung der Gewaltpotenziale der Neonazis und der sich hieraus ergebenden Gefahren befassen. Zusätzlich wollen wir denkbare Handlungsmöglichkeiten für Hessen erkunden. Wir sind nämlich leider mit den bisherigen Mitteln der verstärkten Polizeipräsenz,die sicherlich richtig und notwendig sind,und mit den Mitteln der sozialen Hilfe, die der Landkreis dankenswerterweise extra zur Verfügung gestellt hat, nicht nachhaltig erfolgreich.
Ich will dabei nicht den Eindruck erwecken, Rechtsextremismus in Hessen sei ein regionales und nordhessisches Problem. Denn auch in anderen Orten, wie der jüngste furchtbare Brandanschlag in Wetzlar gezeigt hat, finden Gewalttaten von Neonazis statt.
Nun ist es zum Glück so, Herr Innenminister – das haben Sie heute auch schon gesagt –,dass wir in Hessen zwar weniger rechtsextreme Übergriffe zu verzeichnen haben als in manch anderen Bundesländern.Das entbindet uns aber gerade nicht unserer Verantwortung. Darin besteht der große Unterschied in diesem Hause zwischen den unterschiedlichen Seiten.Jeder brutale Übergriff durch Neonazis – da sind wir uns hoffentlich alle einig – ist einer zu viel. Deshalb gilt es auch in Hessen die Maßnahmen gegen alle Erscheinungsformen von Rechtsextremismus zu verstärken. Deshalb ist eine Anhörung zu diesem Komplex zwingend erforderlich. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die offensichtlich nicht abreißenden Vorfälle zu verhindern.
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum der Innenausschuss diese Anhörung ablehnt. Was spricht dagegen, sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen?
Es ist zwingend notwendig, das auszuforschen. Ich weiß nicht, was dagegen spricht, sich weiterzubilden und vielleicht die eine oder andere Methode aus anderen Bundesländern zu übernehmen, um hier voranzukommen.
Das Thema ist auch viel zu ernst – das sage ich in Richtung Innenminister, der noch mit der FDP beschäftigt ist –, um in Rituale zu verfallen. Deswegen hoffe ich auch, dass Sie in Ihrer Antwort heute eben nicht auf den Linksextremismus eingehen. Denn es muss auch einmal möglich sein, ein Thema isoliert zu beraten.
Für uns ist es durchaus möglich, hier auch über Linksextremismus zu reden. Wir haben keinen Reflex, der sofort von Rechtsextremismus spricht. Deswegen verstehen wir überhaupt nicht, warum dieses Haus bei diesem Thema immer wieder nicht in der Lage ist, einmal ausschließlich über rechtsextreme Phänomene, die es in Hessen leider gibt, zu sprechen.
Ich möchte auch einen sehr kritischen Hinweis zum Ende meiner Rede geben. Um den Rechtsextremismus in Hessen nachhaltig zu verhindern – da sollten Sie gut zuhören, auch die FDP –, bedarf es nämlich enormer zivilgesellschaftlicher Anstrengungen. Und es bedarf eben gerade nicht solcher Redebeiträge wie derer meines Kollegen Bellino heute Morgen und von Kollegen Irmer,
und es bedarf auch nicht solcher Redebeiträge wie des Justizministers zum Verbot vom Moscheebau in der Schweiz.Ein solches Klima in einem Parlament trägt dazu bei, dass Menschen meinen, sie könnten sich über Andersdenkende in solcher Form äußern. Es gehört auch zum zivilgesellschaftlichen Engagement,dass sich ein Parlament entsprechend verhält und mit gutem Beispiel vorangeht.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Eine Unverschämtheit!)
Ich bitte Sie, dies zu berücksichtigen. Das gehört dringend zu diesem Komplex dazu, Herr Kollege Bellino. Ich schließe mit dem Zitat des Dresdner Schriftstellers Erich Kästner, das ich zu diesem Komplex außerordentlich passend finde: „Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht, und für das, was unterbleibt.“ – Vielen Dank.
Schönen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Frömmrich das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Haus beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit diesem Thema.Wir haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde dieses Thema schon einmal behandelt. Da ging es um die Übergriffe und die Überfälle in Wetzlar. Ich glaube, es steht dem Haus gut zu Gesicht, sich mit solchen Themen zu befassen und sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen.Ich glaube auch,dass das notwendig ist. Deswegen möchte ich auch noch einmal meine Unterstützung für das ausdrücken, was Kollegin Faeser zu unserem gemeinsamen Antrag gesagt hat. Deswegen würde es diesem Haus auch gut anstehen, sich inhaltlich damit zu beschäftigen:Was machen wir in Zukunft, wie werden wir uns mit diesem Phänomen beschäftigen, und welche Strategien gegen diese Phänomene gibt es?
Ich denke schon, dass wir aus dem frechen und brutalen ausländerfeindlichen Auftreten der Rechten Konsequenzen ziehen müssen. Daraus müssen wir Handlungsperspektiven entwickeln. Das ist ein wichtiges Handlungsfeld für die Politik.
Die „Frankfurter Rundschau“ hatte am 05.11.2009 folgende Überschrift – und das muss uns zu denken geben –: „Neonazis gehören zur Normalität“. Genau das darf nicht passieren.Neonazis und Rechtsextreme dürfen eben nicht zur Normalität gehören. Deswegen steht es diesem Hause gut an, sich intensiver damit zu beschäftigen.
Womit haben wir es zu tun? – Wir haben es im Prinzip in Hessen mit regionalen Schwerpunkten zu tun. Wir haben es nicht mit den Altnazis der NPD zu tun, sondern wir haben es mit relativ flexibel auftretenden jungen Menschen zu tun, die sich in Kameradschaften organisieren.
Wir haben mehrere Schwerpunkte. Dazu gehört der Schwalm-Eder-Kreis in Nordhessen. Dort haben wir immer wieder Übergriffe. Wir haben eine Region um Alsfeld, wo wir es mit Rechtsextremen zu tun haben.Wir hatten und haben es immer noch im Bereich der Wetterau mit rechtsextremen Phänomenen zu tun. Und wir haben es im südhessischen Raum, im Odenwald und an der Bergstraße, damit zu tun.
Da hilft auch der Blick in die Kriminalstatistik nichts – mit dem Hinweis darauf, dass wir im Bundesvergleich relativ niedrige Zahlen haben, was Straftaten im Bereich des Rechtsextremismus angeht. Da müssen uns doch diese Straftaten, die auftreten, zu denken geben und uns zum Handeln zwingen. Deswegen ist es wichtig, sich auch inhaltlicher, in einer Anhörung, mit diesem Thema zu befassen.
Im Verfassungsschutzbericht stand, das seien singuläre Ereignisse. Es sind eben keine singulären Ereignisse. Wir beschäftigen uns auch in der Kontrollkommission für den Verfassungsschutz des Öfteren mit diesem Thema.
Wenn wir sehen, was dort in den letzten Jahren passiert ist, müssen wir, so glaube ich, auch handeln.Wir hatten es mit den Überfällen am Neuenhainer See im SchwalmEder-Kreis zu tun. Wir haben es damit zu tun, dass Neo
nazis Kneipen im Schwalm-Eder-Kreis überfallen. Wir hatten es im Oktober damit zu tun, dass Menschen auf einer Kirmes angegriffen und überfallen wurden. Wir hatten es im November damit zu tun, dass zum zweiten Mal auf einer Kirmes Neonazis aufgetreten sind und dort andere Menschen angegriffen haben. Herr Innenminister, da wird es wirklich ernst. Dann ist die Polizei eingeschritten, und es gab dort eine Schlägerei, bei der ein Polizeibeamter schwer verletzt wurde, der später ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, weil er einen Jochbeinbruch hatte. Spätestens da müssen wir doch darüber nachdenken:Wenn die mittlerweile so frech werden, dass sie Polizeibeamte dieses Landes angreifen, dann müssen wir als Innenausschuss und als Parlament auch handeln.
Deswegen ist es durchaus zu begrüßen, dass Sie, Herr Innenminister, die Polizei mit Kräften der Bereitschaftspolizei verstärkt haben und dort wesentlich stärker Präsenz gezeigt wird – gerade auch am Wochenende. Das ist ein Weg.
Aber ich glaube, wir müssen uns mit der Entstehungsgeschichte von Rechtsextremismus beschäftigen. Wir müssen uns damit beschäftigen, warum sich junge Menschen solchen Gruppen anschließen. Da hilft es eben nicht, im Hessischen Landtag Anträge zu verabschieden, die das verurteilen, sondern da müssten wir uns auch einmal damit beschäftigen – und zwar intensiv in einer Anhörung, zu der wir Experten einladen und einmal fragen –, was wir in Hessen noch machen können, um diesem Phänomen zu begegnen. Deswegen haben wir unseren Antrag gestellt, den Innenausschuss damit zu beauftragen,eine Anhörung zu dem Thema durchzuführen.