Protokoll der Sitzung vom 25.03.2010

Dann kam der Innenminister ins Spiel. Er hat wahrscheinlich für sich entschieden: Ich will einen mir angenehmen Bewerber. – Ein Kriterium bei der Besetzung hoher Polizeistellen ist für Herrn Bouffier erstens die Mitgliedschaft in der CDU und zweitens, aus der Region Gießen zu kommen.

(Zurufe von der CDU)

Ich weiß, die Wahrheit tut Ihnen weh. Sie müssten die Wahrheit aber endlich einmal zur Kenntnis nehmen.Auch

das führt zu einem Fortschritt in der geistigen Haltung, wie man mit solchen Dingen umgeht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, die Fachabteilung des Innenministeriums sagte, die Stelle sei neu auszuschreiben. Die Fachabteilung hat einen Ausschreibungstext vorbereitet. Es gibt einen Vermerk des Landespolizeipräsidenten, in dem er schreibt, die zunächst vorgesehene kommissarische Abordnung von Herrn Langecker sei nicht möglich. Auf diesem Vermerk gibt es eine mit grünem Stift geschriebene Anmerkung des Innenministers, die das infrage stellt. Die Antwort hat ihm wahrscheinlich nicht gepasst. Meine Damen und Herren, für den Zeitraum von Ende Januar bis zum 2. Juli herrscht in den angeblichen Akten eine gähnende Leere. Herr Minister, ich weiß, dass dieser Landtag über die papierlose Verwaltung diskutiert hat, aber dass Sie sich an die Spitze dieser Bewegung gestellt haben, hätte ich von Ihnen nicht erwartet.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dann ist es zu einer Entscheidung des Kabinetts gekommen. In der Kabinettsvorlage steht nichts davon, dass es ein erstes Verfahren gegeben hat, nichts davon, dass es einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs gegeben hat.

Dann erschien in der „FNP“ ein kritischer Bericht. Die Opposition stellte kritische Fragen. Der Innenminister tauchte drei Tage ab. Wir haben uns gefragt, was das für eine Verteidigungsstrategie ist. Dann kam er auf den genialen Einfall: Ich musste gar nicht öffentlich ausschreiben. – Ich finde es übrigens spannend, nicht auszuschreiben, denn dann weiß kein Bewerber, dass er sich bewerben kann; das macht einen gewissen Sinn und ist aus der Sicht des Innenministers durchaus konsequent.

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Es gab doch ein Ausschreibungsverfahren, das wissen Sie genau!)

Das, was wir auf den wenigen Seiten der Akten gelesen haben, ist so abenteuerlich, dass selbst Herr Greilich gesagt hat,das sei verbesserungswürdig.Wenn Herr Greilich so etwas sagt, dann heißt das zu gut Deutsch, auf das reale Leben übersetzt: Die gesamte Aktion der sogenannten Ausschreibung war Murks.Das ist meine Übersetzung der Äußerung von Herrn Greilich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Im Innenausschuss haben wir viele wolkige Erklärungen des Innenministers gehört. Wir haben in die angeblichen Akten geschaut und dort zwei interessante Schriftstücke gefunden.Am 10. März 2010, einen Tag vor der Innenausschusssitzung, wird von dem leitenden Polizeibeamten Hefner dargestellt, man brauche keine Ausschreibung mehr, es sei kein Bewerber erkennbar.Vom 15. März 2010 gibt es außerdem einen Vermerk des Staatssekretärs Rhein – erstellt nach über einem Jahr, ich bewundere Ihr gutes Gedächtnis, Herr Rhein – –

(Zuruf: Der ist noch jung!)

Ja,aber auch wenn man noch jung ist,muss man das richtig aufschreiben, Herr Hahn.

(Heiterkeit bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Deswegen ist es bemerkenswert,was Herr Rhein schreibt. Auf Seite 46 des Protokolls der öffentlichen Sitzung des Innenausschusses führt Herr Minister Bouffier aus:

Die Mitteilung an Herrn Ritter,

das ist der unterlegene Bewerber –

dass das alte Verfahren beendet wurde und ein neues Verfahren durchgeführt wird – das Ergebnis ist nach meiner Kenntnis, weil ich das vom Staatssekretär habe,in diesem Gespräch im März ihm förmlich erklärt worden.

„März“ wurde in „Mai“ geändert – falsch abgelesen, obwohl es so aufgeschrieben war. Der Herr Staatssekretär bestätigt das, auch mit dem Hinweis, dass statt „März“ versehentlich „Mai“ gesagt wurde.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist nicht richtig!)

Sie waren doch gar nicht dabei, Herr Wagner.

(Zurufe von der CDU)

Der Vermerk von Herrn Rhein vom 15.03.2010 bestätigt, es gab Gespräche mit Herrn Ritter.

(Zurufe von der CDU)

Ja, Sie müssen aber auch – – Aber ich darf nicht mehr sagen, dass Sie es nicht verstehen.

In dem Vermerk steht also, man habe Gespräche über eine andere Verwendung geführt, das sei bei Konkurrentenverfahren durchaus üblich. Dann sagt der Herr Innenminister,er habe Interesse an einer anderen Stelle gehabt. Daraus haben Sie messerscharf geschlossen – Sie sind sicherlich ein guter Jurist –, die Rechtsschutzmöglichkeiten seien gegeben.

Dann gibt es ein Schreiben vom 26. Mai 2009. Darin schreibt der Anwalt des unterlegenen Bewerbers im letzten Absatz – Herr Bellino hat das permanent geflissentlich ignoriert, deswegen insbesondere für Sie –: Ich bitte, von weiteren Entscheidungen in dieser Sache meinen Mandanten zeitnah in Kenntnis zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Dann machen Sie Folgendes. Am 07.07. um 8 Uhr erfolgt die Ernennung von Herrn Langecker. Um 8:45 Uhr ist Herr Ritter bei Ihnen. Sehr verehrter Innenminister Bouffier, das, was Sie mit Herrn Ritter gemacht haben, war erstens schäbig und zweitens ein eklatanter Rechtsverstoß.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Hier wird der Rechtsschutzgedanke mit Füßen getreten. Nach der anerkannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwischen der Entscheidung und der Aushändigung eine Ernennungsurkunde eine Frist von 14 Tagen einzuhalten. Warum brauchen wir sonst einen Rechtsschutz? Herr Innenminister, das war grob rechtswidrig, wie mittlerweile auch anerkannte Verwaltungsrechtler und Wissenschaftler feststellen. Das ist der eigentliche Skandal, um den es in diesem Untersuchungsausschuss gehen wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir bekommen viele Rückmeldungen aus der Polizei. Sie überziehen kritische Polizeibeamte mit Disziplinarverfahren. Es wird über Mobbing geredet.

Auf dem Tag der Gewerkschaft der Polizei, der vor einer Woche in Weilburg stattfand, hat der Herr Staatssekretär gesagt – das ist auch bestätigt worden;wir waren schon zur Einsicht der Aktenseiten unterwegs –, die aktuellen Mobbingfälle seien das Ergebnis einer unsensiblen Führungskultur.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagt der Staatssekretär?)

Das hat Herr Staatssekretär Rhein gesagt. Das wird den Herrn Innenminister nicht besonders erfreuen und vielleicht auch für das Verhältnis nicht besonders angenehm sein.Aber das ist nicht unsere Baustelle.

Herr Kollege Rudolph, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – „Der Fisch stinkt vom Kopf her“, lautet ein altes Sprichwort. Das Problem in der hessischen Polizei hat einen Namen: Volker Bouffier. Dies wird der Untersuchungsausschuss belegen. Deshalb ist seine Einsetzung nötig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Rudolph hat schon dafür gesorgt, dass der Blutdruck auf Betriebstemperatur gestiegen ist. Wie man an den Schilderungen des Kollegen Rudolph unschwer erkennen kann, ist das, womit wir uns heute beschäftigen müssen, wirklich ein ungeheuerlicher Vorgang.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich kann nur sagen, dass der Titel der von uns beantragten Aktuellen Stunde „Polizeichef-Affäre: Rechtsbruch mit Ansage“ eigentlich schon beschreibt, worum es geht. Genau damit haben wir es heute hier zu tun.

Es ist ungeheuerlich, dass diese Stelle mit einem von Herrn Bouffier geschätzten CDU-Mitglied aus dem Gießener Umfeld besetzt worden ist, obwohl es ein Urteil des höchsten hessischen Verwaltungsgerichts gibt, in dem ihm genau das untersagt worden ist. So etwas macht der Verfassungsminister dieses Landes.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Ich will kurz aus dem Urteil zitieren. Vielleicht ruft das den Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen in Erinnerung, dass man einmal darüber nachdenken sollte, ob das richtig gelaufen ist. Zitat:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zum Abschluss eines erneuten Personalauswahlverfahrens untersagt, den Beigeladenen

das ist der jetzige Polizeipräsident –

bei der Besetzung der Planstelle des Präsidenten des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums – Besoldungsgruppe B 4 – dem Antragsteller vorzuziehen und ihn zu befördern.