Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Deswegen können wir sie so auch nicht akzeptieren.

(Beifall bei der SPD – Norbert Kartmann (CDU): Herr Kollege, das merken wir uns! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist doch nicht das erste Mal!)

Vielen Dank. – Nun hat sich Herr Kollege Wagner nochmals zur Geschäftsordnung oder – wie ich annehme – nach § 88 zu Wort gemeldet.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf im gesamten Saal um Ruhe bitten. – Herr Kollege Wagner hat das Wort.

Frau Präsidentin, Sie haben es richtig gesagt: Ich habe mich nach § 88 unserer Geschäftsordnung für meine Fraktion zu einer Erklärung des Abstimmungsverhaltens gemeldet.Wir hatten einen Vorschlag gemacht, wie man den Antrag von CDU und FDP aus unserer Sicht gut hätte abstimmen können.Wir hätten dann dem Teil „Der Landtag missbilligt die Äußerung des Abg. Irmer in der heutigen Ausgabe der ,Wetzlarer Neuen Zeitung’“ zugestimmt.Wir hatten diesen Verfahrensvorschlag gemacht; ihm wurde mit Mehrheit dieses Hauses nicht gefolgt.

(Zuruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU))

Ich glaube, alle Menschen, die diese Debatte sehen, nachlesen,wie auch immer – nach der Debatte,die wir heute in diesem Hause hatten, und es hat ein bisschen Überzeugungsarbeit gebraucht, bis es überhaupt zu dieser kam –, werden verstehen,

(Dr.Thomas Spies (SPD): Unverzüglich!)

dass man – –

(Stefan Grüttner (CDU): Nach § 88?)

Ja, ich erkläre unser Abstimmungsverhalten nach – –

(Stefan Grüttner (CDU):Abstimmungsverhalten?)

Herr Staatsminister – –

(Unruhe bei der CDU und der FDP)

Ich darf zunächst einmal festhalten, dass die Landesregierung hier keine Zwischenrufe macht, weder von der Regierungsbank noch – –

(Zuruf von der CDU: Er ist Abgeordneter! – Thors- ten Schäfer-Gümbel (SPD) zu Abg. Stefan Grüttner (CDU) gewandt: Dann setzten Sie sich doch einmal!)

Entschuldigung, Herr Grüttner, ich habe den genauen Ort nicht wahrgenommen.

(Günter Rudolph (SPD): Er soll sich hinsetzen!)

Ach Leute, Entschuldigung, ich habe eben den genauen Standort nicht mitbekommen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Standort?)

Ich darf nochmals um Ruhe im gesamten Saal bitten. – Herr Kollege Wagner hat nach § 88 der Geschäftsordnung das Wort.

(Zuruf von der CDU:Wir nehmen Ihre Entschuldi- gung an!)

Ich fahre fort in der Erklärung unseres Abstimmungsverhaltens. Ich habe erläutert, wie wir gern zum ersten Teil des Antrags abgestimmt hätten, und wollte, bevor Herr Kollege Grüttner mich unterbrochen hat, sagen, warum man unsere Zustimmung zu der Formulierung „begrüßt zugleich die unverzüglich ausgesprochene Entschuldigung“ nicht erwarten kann. Es bedurfte einer langen Debatte im Landtag,bis es überhaupt zu dieser Debatte kam. Die Initiative zu dieser Debatte kam nicht von dem Abg. Irmer. Insofern, glaube ich, können alle Menschen, die diese Debatte verfolgen, verstehen, dass wir einer solchen Formulierung nicht zustimmen können.

Wir haben die Entschuldigung des Kollegen Irmer zur Kenntnis genommen. Was sie wert ist, wird die Zukunft zeigen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wagner. – Herr Schaus, zur Geschäftsordnung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte für unsere Fraktion unsere Nichtteilnahme an dieser Abstimmung begründen.

Wir haben in den letzten Stunden erlebt,dass erst die Entwicklungen, ich würde fast sagen, die Turbulenzen innerhalb der Fraktion der CDU nach vielen Ansprachen aus der Opposition dazu geführt haben, dass wir diese Debatte hier führen konnten.Wir haben auch die Aufgeregtheit erlebt, die unserer Meinung nach dazu geführt hat, dass im letzten Moment und erst nach der Unterbrechung der Plenarsitzung, die nicht vonseiten der Regierungsfraktionen, sondern vonseiten der Opposition beantragt und forciert wurde, ein Dringlicher Entschließungsantrag eingereicht wurde,der aus unserer Sicht die unverzügliche glaubwürdige Entschuldigung des Herrn Abg. Irmer im zweiten Teil des Antrags sehr im Zweifel lässt.

Wir hätten es seitens der CDU- und der FDP-Fraktion für glaubwürdig gehalten, wenn Sie die Möglichkeit zur getrennten Abstimmung gegeben hätten. Sie haben das mit Ihrer Mehrheit leider verhindert und damit letztendlich uns zu diesem Abstimmungsverhalten gezwungen.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Im Übrigen muss ich auch darauf hinweisen, dass Sie sehr wohl mehrmals an diesem Tag die Chance hatten, auch durch Zustimmung zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, Ihre Position eindeutig klarzulegen. Dies ist leider nach wie vor nicht in der Klarheit erfolgt, wie wir es uns angesichts dieser ungeheuerlichen Aussagen für dieses Haus gewünscht hätten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus.

Nun fahren wir in der Tagesordnung fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kopfpauschale stoppen – Drucks. 18/2092 –

Er wird gemeinsam aufgerufen mit Tagesordnungspunkt 62:

Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Einführung der solidarischen Bürgerversicherung im Gesundheits- und Pflegesystem – Drucks. 18/2275 –

Die vereinbarte Redezeit für diesen Tagesordnungspunkt beträgt fünf Minuten. Erster Redner für die SPD-Fraktion ist Herr Kollege Dr. Spies.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kopfpauschalen sind Mist – so einfach kann man das zusammenfassen. Die Pläne von Union und FDP in ihren vielfältigen variierenden Vorschlägen machen deutlich, dass Sie das in Wahrheit auch selbst wissen. Kopfpauschalen sind ungerecht. Sie belasten Bezieher kleiner Einkommen deutlich höher als Bezieher großer Einkommen. Kopfpauschalen sind unsozial;

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

denn Rentner, Familien, Krankenschwestern, Facharbeiter, der ganze Mittelstand, die Träger aller Leistungen dieser Gesellschaft und die, die in der Vergangenheit ihren Beitrag geleistet haben, brauchen einen Zuschuss zur Finanzierung ihrer Krankenversicherung. Gerade gegenüber 70 % der Rentner zu verlangen, dass sie zum Sozialamt gehen, um ihre Krankenversicherung bezahlen zu können, ist schäbig.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Kollege Dr. Spies, entschuldigen Sie bitte noch einmal ganz kurz. – Es ist doch eine enorme Unruhe im Saal. Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen und dem Redner ruhig zuzuhören oder aber, wenn es unbedingt sein muss, Ihre Gespräche außerhalb des Plenarsaals fortzuführen. Herzlichen Dank.

Ich danke herzlich für die Unterbrechung und hoffe, dass es nicht nur zur Verbesserung des Zuhörens,sondern auch zur Einsicht bei CDU und FDP beiträgt.

Kopfpauschalen sind oberbürokratisch. Wenn man allein vorsichtige Schätzungen im Zusammenhang mit der Erhebung des Zusatzbeitrags, der sogenannten Merkel-Prämie – sie hat sie ja erfunden –, zugrunde legt, dann bedeuten flächendeckende Kopfpauschalen in Deutschland Verwaltungskosten in der Größenordnung von 1 bis 2 Milliarden c pro Jahr. Es ist ein politisches Harakiri; denn in dem Moment, wenn der Arbeitgeberbeitrag eingefroren ist, wird die Lobbygruppe der Arbeitgeber zur Kostendämpfung nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich wünsche dem Bundesoberarzt Dr. Rösler viel Vergnügen bei dem Versuch, seine durchaus beachtenswerten Vorschläge zur Kostenreduzierung im Bereich der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen, wenn die Arbeitgeber kein Interesse mehr daran haben.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt. Kopfpauschalen sind nicht europafest, weil sie das System der sozialen Sicherung grundsätzlich infrage stellen.

Meine Damen und Herren, das wissen Sie alles selbst. Sonst würden wir nicht seit sieben Jahren völlig chaotische Zustände in der Definition dessen, was denn die Kopfpauschalen sein sollen, erleben:

Herr Rürup und seine Kommission machen zum Thema Kopfpauschalen einen offenkundig verfassungswidrigen Vorschlag, weil sie in die Fundamente der Tarifautonomie eingreifen.