Dazu, dass ausgerechnet die FDP hier das Thema Mehrwertsteuer anspricht, muss ich sagen – die Kollegen von der SPD haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, aber stellen wir das erst einmal zurück –: Die FDP ist die Partei, die, mit Ausnahme der letzten, jede Mehrwertsteuererhöhung in diesem Land mitbeschlossen hat. Dass Sie sich trauen, hier über die Mehrwertsteuer oder über die Senkung von Steuern zu reden, ist wirklich unglaublich.
Dass Sie als Abgeordnete der hessischen FDP an dieses Pult gehen, um den Kolleginnen und Kollegen von der SPD irgendetwas über Wortbruch zu erzählen, ist wirklich unglaublich.
Ihre Ministerin hat das Wort gebrochen, als es um die Schulsozialarbeit ging. Sie haben beim Nachtflugverbot das Wort gebrochen, und Sie haben in diesen Tagen bei der Mindestverordnung für Kindertagesstätten das Wort gebrochen. Sie brauchen in diesem Landtag niemandem etwas über Wortbruch zu erzählen.
Wenn Ihre Agentur nicht ein Wort vergessen hätte, wäre Ihr Wahlkampfslogan „Unser Wort gilt nichts!“ gewesen. Das ist die Realität der hessischen FDP.
Was für eine stolze liberale Tradition gab es in diesem Land einmal. Was gab es in der Partei, die früher einmal eine liberale war, für eine Diskussion über das Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit zur Verantwortung und der Freiheit von Verantwortung. Ordnungspolitisch stehen Sie heute nur noch für Freiheit von Verantwortung. Von der Freiheit zur Verantwortung wollen Sie nichts mehr wissen.
Was wollen Sie eigentlich mit dem Slogan „Man muss auch etwas tun für die, die den Karren ziehen“ sagen, den Ihnen Guido als Mantra einimpft? Wen meinen Sie denn damit? Wir meinen damit auch Geringverdiener.Wir meinen damit auch die Krankenschwestern. Wir meinen damit auch Lehrerinnen und Lehrer. Wir meinen, dass man sie alle dazu befähigen muss, ihren Job zu machen.
Damit die Leute ihren Job machen können, brauchen wir eine gute Kinderbetreuung anstelle der Streichung der Mittel für die Mindestverordnung. Dafür brauchen wir gute Schulen anstelle der Streichung der Schulsozialarbeit. Meine Herren von der FDP, wo leben Sie eigentlich?
Wir brauchen den Staat.Wir brauchen eine Verständigung in der Gesellschaft darüber, welche Dienstleistungen dieser Staat für seine Bürgerinnen und Bürger erbringen soll. Diese Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger ermöglichen ganz vielen Menschen in unserem Land erst Freiheit. Sie ermöglichen es ihnen, einer Beschäftigung nachzugehen. Dafür brauchen wir Steuermittel.Wir brauchen aber keine Fantastereien, wie es sie auf dem Bundesparteitag der FDP gegeben hat. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Ich möchte einen kurzen Hinweis zur Geschäftsordnung geben. Ich habe von Herrn Kollegen Rentsch eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vorliegen. Die lasse ich zu. Denn die Bestimmungen, die wir verabredet haben, besagen, dass eine Kurzintervention bei Tagesordnungspunkten nicht vorgesehen ist, bei denen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten vereinbart worden ist. Die Redezeit eben erfolgte nicht unter einem eigenen Tagesordnungspunkt. Vielmehr waren für diesen Tagsordnungspunkt zehn Minuten Redezeit vereinbart. Ergo lasse ich die Wortmeldung zu. – Sie haben das Wort.
Zur Geschäftsordnung erhält Herr Kollege Rudolph das Wort. – Herr Rentsch, einen Augenblick bitte. Herr Rudolph hat Bedarf, zur Geschäftsordnung zu reden.
Herr Präsident, ich will für unsere Fraktion widersprechen. Wir sehen die von Ihnen jetzt zugelassene Kurzintervention als nicht von der Geschäftsordnung abgedeckt an.
Wir werden das im Ältestenrat bereden. Der Text ist aber eindeutig. Vielleicht hilft das bei der Umsetzung meines alt gehegten Wunsches, zu einer etwas genaueren Definition der Kurzintervention zu kommen. So ist das.
Herr Präsident, vielen Dank. – Ich möchte auf die Äußerungen des Herrn Kollegen Wagner in drei Punkten erwidern.
Herr Kollege Wagner, zunächst einmal möchte ich Folgendes sagen. Das ist schon erstaunlich. Das zieht sich bei Ihnen wie ein roter Faden in den letzten Wochen durch. Die GRÜNEN haben ihr Staatsverständnis in ihrer Pressestrategie mittlerweile komplett verändert. Sie fragen überall: Was wollen wir für einen Staat? – Überall behaupten Sie, dieser Staat brauche mehr Geld.
Früher waren Sie noch für Konsolidieren und Sparen. Dazu machen Sie jetzt überhaupt keine Vorschläge mehr. Die GRÜNEN haben sich von diesem Thema absolut verabschiedet. Vielmehr fabulieren Sie unter dieser Überschrift letztendlich ständig davon, dass der Staat mehr Geld braucht. Herr Kollege Wagner, wenn man darüber nachdenkt, welches Gedankenbild dahintersteht, kommt man immer wieder auf Steuererhöhungen.
Ich komme auf den zweiten Punkt zu sprechen. Herr Kollege Wagner,es ist schon abenteuerlich,wie die hessischen GRÜNEN als Assistenten der GRÜNEN NordrheinWestfalens fungieren, wenn es darum geht, Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen. Ich habe noch nie erlebt, wie sich eine Partei einer anderen so angebiedert hat, wie Sie das in Nordrhein-Westfalen tun und hier gemacht haben.
Herr Kollege Spies, Sie müssen sich überlegen, ob Sie in der SPD richtig aufgehoben sind. Ich kritisiere die GRÜNEN. Wenn Sie sich mehr als GRÜNER fühlen, sollten Sie die Seite wechseln. Denn dann sitzen Sie dort falsch.
Herr Kollege Wagner, ich versuche es einmal mit ganz ruhiger Stimme. Ich wünsche mir von den GRÜNEN, dass sie wieder zu ihrer alten Programmatik zurückkehren und dass sie sich einmal darüber Gedanken machen, für welche Art Staat sie eigentlich stehen.Das,was Sie gerade gesagt haben, war sehr verräterisch. Sie haben gesagt, Sie würden für den Staat stehen.Da gibt es einen Unterschied zu uns. Wir stehen für die Menschen, die uns gewählt haben. Uns hat nicht der Staat gewählt.
Wir wollen eine Entlastung bei den Steuern für die Menschen in diesem Land.Wir wollen das nicht für Institutionen.
Anhand dieser Debatte sieht man, wie die GRÜNEN im Establishment dieses Landes angekommen sind. Für Sie sind die Institutionen der Staat. Herr Kollege Wagner, für uns sind die Menschen dieses Landes der Staat.
Herr Kollege Rentsch, ich kann gut verstehen, dass Sie über das Thema Anbiedern reden, wenn es um Koalitionsfragen geht. Das können wir ganz schnell abräumen.
In Baden-Württemberg gab es einmal die Situation, dass Herr Oettinger überlegte, ob er mit der FDP oder mit den GRÜNEN koalieren soll.
Unsere grünen Kollegen kamen zurück und meinten, es wäre überhaupt nicht sinnvoll, mit der CDU zu verhandeln, weil sie den Preis der FDP nicht unterbieten könnten. Die FDP habe nämlich keinen.
Insofern sollten Sie nicht über Anbiedern in Koalitionsfragen reden.Herr Kollege Rentsch,ich danke Ihnen,dass Sie mir noch einmal dieses Stichwort gegeben haben.