Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich habe mich aus zwei Gründen zu der Frage betriebswirtschaftlich/volkswirtschaftlich gemeldet.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ja, da haben Sie völlig recht. Mir wäre es am liebsten, dieser Flughafen würde sich betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich rechnen. Fakt ist – und das wussten alle, die sich für diese Entscheidung ausgesprochen haben –, dass ein Regionalflughafen immer große Probleme haben wird, eine schwarze Null zu schreiben.Wenn er das macht,

haben wir einen Erfolg erzielt. Aber wir wissen, dass wir in einer strukturschwachen Region wie Nordhessen dringend darauf angewiesen sind, solche Infrastrukturmaßnahmen zu etablieren, um das, was gerade dort entsteht, nämlich ein Logistikcluster, zu fördern. Dort entsteht gerade etwas richtig Großes. Das wollen wir unterstützen. Darum geht es.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb sage ich: In dieser Frage ist mir die Volkswirtschaft deutlich wichtiger.

Nächster Punkt: die Kritik der anderen Regionalflughäfen, die auch gern die GRÜNEN nutzen, um zu sagen: Seht doch her, alle sagen, das sei Unsinn. – Warum sollten denn die Flughäfen in Paderborn und Erfurt sagen, dass es prima ist, dass der Flughafen dorthin kommt? Es ist doch völlig klar, dass diese Bundesländer kein Interesse daran haben, dass dort ein Flughafen entsteht, der wirtschaftlich Sinn macht. Denn natürlich ist er eine Konkurrenz. Gegen gute Konkurrenz wehrt man sich eben. Das beweist doch, dass das Projekt auch in diesem Sinne richtig ist.

(Beifall bei der FDP)

Ein letzter Punkt. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben gerade den Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün angesprochen. Das war der Koalitionsvertrag von Rot-RotGrün, zwischenverhandelt mit den LINKEN, der damals nicht zum Zuge gekommen ist. Deshalb ist Herr Kaufmann auch nicht Staatssekretär geworden. Deshalb kann der Flughafen auch gebaut werden. In dieser Reihenfolge kann man das, so glaube ich, stehen lassen.

Meine Damen und Herren, Sie haben damals in Ihrem Koalitionsvertrag eine Beerdigung dritter Klasse für Kassel-Calden vorgesehen. Sie haben gesagt, Sie wollen aus diesem Flughafen einen Testflughafen für Regionalmaschinen und Zeppeline machen. Das war der eigentliche Skandal. Ich bin froh, dass sich die Sozialdemokraten wieder davon erholt haben. Aber Fakt ist: Sie haben sich in dieser Frage wieder von den GRÜNEN treiben lassen, als es darum ging, Farbe zu bekennen, nämlich zu sagen: Wir wollen wirklich die Infrastruktur voranbringen. – Da hatten die GRÜNEN wieder die Nase vorn.

(Beifall bei der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diesen Zeppelin-Unsinn hätte ich nie unterschrieben!)

Deshalb waren wir froh, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Herr Kollege Al-Wazir, dass Frau Ypsilanti es damals nicht geschafft hat, hier in Wiesbaden eine Landesregierung unter Beteiligung der LINKEN zu stellen, weil dann dieses wichtige Infrastrukturprojekt nicht gekommen wäre. Wir haben heute von Sozialdemokraten, Liberalen und Christdemokraten ein klares Bekenntnis dafür gehört, dass dieser Flughafen für die Menschen und die Wirtschaft in Nordhessen dringend erforderlich ist. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Flughafen jetzt auch realisieren werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr SchäferGümbel, wenn Sie es hier merkwürdig finden, dass man BARIG auf der einen Seite auf die Weise betrachtet, wie man es mit Frankfurt tut, indem man sich nämlich ansieht, was BARIG dazu sagt und was sie für Argumente vorbringen, ob man ihnen folgen kann oder nicht und ob man Gegenargumente hat, und auf der anderen Seite sagt, wenn man in Frankfurt zu dem Ergebnis kommt, man kann der Argumentation von BARIG nicht folgen, dann darf man ihr auch in Kassel nicht folgen, dann finde ich das relativ kurzsichtig. Denn BARIG sagt zu Kassel-Calden: Es gibt keine Fluggesellschaft, die da fliegen will. – Da kann man nicht mehr überlegen, ob man einem Argument folgt oder nicht und ob das eine tragfähige Begründung ist oder nicht.

Das ist eine klare Aussage. Sie sprechen für die Fluggesellschaften. Sie sagen für eben diese Fluggesellschaften: In Calden will keiner fliegen. – Da gibt es nichts zu deuten, nichts zu interpretieren und keine Gegenargumente zu suchen. Ich glaube, das ist das Ausschlaggebende. Sie planen, eine Betonwüste zu bauen, die niemand haben will, der eigentlich damit arbeiten sollte. Daher ist es absolut legitim, BARIG unterschiedlich zu interpretieren. Denn einmal gibt es etwas zu interpretieren, und im anderen Fall gibt es eben nichts zu interpretieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es gibt keine Wortmeldungen. Wir sind am Ende der Debatte.

(Wortmeldung des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Was ist denn das? – Ach, das ist der nächste Punkt.

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Keine Panik!)

Panik kriegen wir bei euch nicht.

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, geht alles in den Ausschuss. Das gilt für den Antrag, den Entschließungsantrag und den Dringlichen Entschließungsantrag. Das geht in den Fachausschuss. Das ist die Mehrheit hier. Besser gesagt:Alle sind der Meinung. – Dann machen wir das so.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 13 auf:

Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt) , Roth (SPD) und Fraktion betreffend soziale Ausgrenzung von Kindern von Geringverdienenden und Grundsicherungsempfängern verhindern – Drucks. 18/2093 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 71:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Chancengleichheit und gesellschaftliche Beteiligung von Kindern sichern – Drucks. 18/2286 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Herr Dr. Spies hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Möglichkeit für alle Kinder und Jugendlichen,gleichermaßen Teil

habe an den Angeboten des Sports in Hessen zu haben, ist sportpolitisch, sozialpolitisch und gesundheitspolitisch eine Aufgabe, derer man sich gar nicht genug widmen kann. Lassen Sie mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich die Initiative des Landessportbundes und insbesondere seines Präsidenten Müller herausstellen, der sich im Februar dieses Jahres sehr offensiv und öffentlich dafür eingesetzt hat, Möglichkeiten für Kinder, in Sportvereinen auch dann zu partizipieren, wenn die finanziellen Möglichkeiten der Eltern nicht ausreichen, herauszustellen und zu unterstützen. Gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben in besonderem Umfang gesundheitliche Probleme, sei es in Bezug auf Gewicht und Bewegungsmangel, die durch Partizipation an den Angeboten der Sportvereine eine positive Entwicklung nehmen können.

Aber das ist keineswegs nur eine gesundheitliche Frage, das ist auch eine Frage der körperlichen und geistigen Entwicklung. Man macht ja gern Witze über „mens sana in corpore sano“, aber natürlich ist die Wahrheit, dass jenseits der körperlichen auch die intellektuelle Entwicklung etwas mit frühzeitiger Teilhabe an körperlicher Betätigung zu tun hat. Umso richtiger ist es, dass man frühzeitig dafür sorgt, auch Kindern von Geringverdienenden und Grundsicherungsempfängern jede Chance zu geben, an sportlichen Aktivitäten wie alle anderen teilzuhaben.

Deshalb ist die Initiative des Landessportbundes richtig. Aber das kann man nicht nur den Kommunen aufdrücken, schon gar nicht in einer Zeit, in der das Land mehrfach ankündigt,die finanziellen Mittel der Kommunen gerade in dem Bereich deutlich zu reduzieren.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Das kann man auch, wie der sich zwar mit der Frage Geringverdienender abstrakt beschäftigende Antrag der CDU und FDP für die heutige Sitzung sagt, nicht allein dem Bund überlassen. Richtig ist, dass die Grundsicherung über den Bund zu finanzieren ist. Genauso richtig ist aber auch, dass gerade in der Förderung von Strukturen das Land in besonderer Weise gefordert ist.

Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen: Finanzielle Unterstützung, z. B. Beitragsbefreiung, ist eine Sache. Organisatorische Unterstützung ist eine zweite Sache. Genauso wichtig ist es, die Anleiter, Trainer und Ausbilder angemessen zu fördern. Denn Kinder aus sozial schwierigen Umgebungen sind nicht immer so ganz einfach in die Sportvereine und ihre Struktur zu integrieren. Gerade deshalb haben auch diejenigen, die sich dafür engagieren, es verdient, dass man ihnen alle Unterstützung zukommen lässt, die erforderlich ist.

Das bedeutet gerade für die Ehrenamtlichen auch pädagogische, sozialpädagogische Unterstützung und Förderung, Anleitung und Hilfestellung, weil gerade ehrenamtliche Trainer häufig selbst noch nicht sehr lange der Gruppe der Erwachsenen zuzuordnen sind und an dieser Frage durchaus auch an ihre Grenzen stoßen können. Das muss man respektieren. Gerade an dieser Stelle ist Unterstützung hilfreich. Deshalb glaube ich, dass die ergänzenden Vorschläge, die wir an dieser Stelle gemacht haben, genau in die richtige Richtung weisen.

Meine Damen und Herren, da muss ich zum Schluss noch einmal bemerken: Wenn ich mir den Antrag, den CDU und FDP zu diesem Thema auf den Tisch gelegt haben,anschaue, bin ich etwas verwundert: Ganz offenbar hatten Sie unseren Antrag vorher nicht gelesen, sondern nur die Überschrift. Denn die allgemeinen Hinweise, dass das

Verfassungsgericht die Förderung von Kindern dem Bundesgesetzgeber überträgt und dass die Regelsätze für Kinder an die realen Lebensverhältnisse angepasst werden müssen, dass das Kindergeld erhöht worden ist, sind alle nicht falsch, haben aber mit der Frage, wie die gesellschaftliche Integration über Sport in besonderer Weise gefördert werden kann, weil sie wichtig und wertvoll ist und weil sie den Kindern, aber auch dem Zusammenwirken insgesamt zuträglich ist, leider überhaupt nichts zu tun. Aber vielleicht kann uns das gleich noch jemand erklären.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unserer Initiative beitreten und die Sportvereine bei ihrer schwierigen und äußerst ehrenvollen Aufgabe, sich gerade für benachteiligte Kinder zu engagieren, unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Das Wort hat Frau Abg. Ravensburg, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Spies, ich bin sehr gerne bereit, jetzt Licht in das Dunkel der SPD zu bringen. Denn über eines sind wir uns einig: Kinder sind eigene Persönlichkeiten, mit eigenen Ansprüchen und mit dem Recht auf gerechte Teilhabe.Meine Fraktion begrüßt daher,dass gegenwärtig die Regelsätze für Kinder bei den ALG-II-Empfängern ganz neu berechnet werden. Denn die Bedürfnisse von Kindern können nicht einfach willkürlich von den Sätzen der Erwachsenen abgeleitet werden, wie das damals die rot-grüne Bundesregierung bei den Hartz-IV-Gesetzen gemacht hat.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

So wird zurzeit auch ein Kriterienkatalog erarbeitet, der sich an der realen Lebenssituation und den echten Bedürfnissen der Kinder orientiert. Dabei gilt es, den materiellen Bedarf der Kinder in ihren unterschiedlichen Entwicklungsphasen zu berücksichtigen. Darunter fallen in meinen Augen auch die Kosten für Nachhilfe oder das Mittagessen, genauso aber auch die Beiträge für die Musikschule oder die Sportvereine. Denn fehlende Zuwendung der Eltern, falsche Ernährung, zu wenig Bewegung – Herr Dr. Spies, da sind wir uns einig –, oder auch wenn der Computer wichtiger wird als das Spiel auf dem Bolzplatz, das alles sind Entwicklungen, die völlig in die falsche Richtung gehen. Das sind die Entwicklungen, die die Chancen unserer Kinder massiv reduzieren.

So ist der dankenswerte Aufruf des Landessportbundes an die Vereine,sich z.B.durch Schnuppermitgliedschaften für alle Kinder zu öffnen,genau der richtige Weg. Deshalb möchte ich auch die vorbildlichen Projekte, die es bereits gibt und die bereits die Unterstützung des Landessportbundes haben, wie in Wiesbaden-Breckenheim und in Marburg sowie im Sportkreis Dieburg nennen, die vom Ministerium eng begleitet werden. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle für meine Fraktion auch den Vereinen ausdrücklich für die vorbildliche Arbeit danken, die sie bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund leisten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Kinder haben ein Recht, ihre Talente, ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Deshalb sind die frühe Förderung und die Sicherung der Bildungschancen für alle Kinder entscheidend für das politische Handeln in unserem Bundesland. Ich nenne den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige, den Bildungs- und Erziehungsplan, die Ganztagsschule, aber auch Programme, die zwar klein, aber so fein sind wie JeKi, jedem Kind den Zugang zu einem Musikinstrument zu ermöglichen. Das ist ein Projekt, an dem hessenweit 70 Grundschulen und Musikschulen beteiligt sind. Sie alle konnten sich in der Mittagspause davon überzeugen.

Ich finde es in diesem Zusammenhang auch klug, dass Ministerin von der Leyen den punktuellen Einsatz von Sachund Dienstleistungen prüfen will. Mir ist es besonders wichtig, dass alle zweckorientierten Mittel auch zielgerichtet direkt beim Kind ankommen. Selbstverständlich gelten diese Forderungen für alle Kinder. Kinder von Geringverdienern dürfen keinesfalls außen vor bleiben. Hier haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber den Familien, wo die Eltern trotz Arbeitsstelle ihren Kindern nicht das Notwendige ermöglichen können. Es kann doch nicht sein, dass diese Kinder benachteiligt werden, nur weil ihre Eltern einer Arbeit nachgehen. Die Aufstockung des Kindergeldes und die Anhebung des Grundfreibetrages zum Jahresanfang sind deshalb so wichtig gewesen.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, es gilt jedoch eines:Wir können nicht alle Probleme unserer Gesellschaft durch Transferzahlungen lösen.Wir müssen unseren Kindern, und zwar allen Kindern, die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut geben. Gerade dieses Jahr, das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung, sollten wir zum Anlass nehmen, auf die drohende gesellschaftliche und kulturelle Verarmung unserer Kinder hinzuweisen. Meine Damen und Herren, die Bekämpfung von Armut und die Sicherung der Zukunftschancen unserer Kinder sind eine Aufgabe für uns alle, ob als Eltern, als Erziehungsbeteiligte wie Lehrer oder Erzieher genauso wie für uns als Politiker.Von unseren Entscheidungen werden die Entwicklung unserer Kinder und damit die Zukunft unserer Gesellschaft abhängen. Ich bin sicher, dass die Bundesregierung sich dieser Verantwortung bewusst ist und gerechte Regelsätze für die Kinder festlegen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Ravensburg. – Das Wort hat Frau Abg. Schott.