Ich glaube, dass wir mit dieser Debatte ein großes Problem aufgerissen haben. Der Ministerpräsident hat in seiner Abwägung deutlich gemacht, welche Bereiche für die christlich-liberale Koalition in Hessen wichtig sind. Es geht um die Frage:Wo setzen wir Prioritäten,und wie werden wir in den nächsten Jahren Politik machen?
Ja, das Politikmachen wird sich in den nächsten Jahren sehr stark darauf konzentrieren – außer wenn die LINKEN in Deutschland Verantwortung tragen –, dass wir den Menschen erklären, was nicht mehr geht und wo wir konsolidieren müssen.
Ich komme noch dazu, Herr Kollege. Keine Angst, ich komme noch zum Thema Steuersenkungen. Die Zurufe sind bei den Sozialdemokraten planbar. Deshalb haben wir dafür auch etwas vorbereitet.
Für den Rest, der noch da ist. Der Landesvorsitzende hat sich Zeit genommen, und deshalb werde ich mich an ihn wenden. Das ist keine Frage.
Deshalb wird die zentrale Aufgabe der nächsten Monate und Jahre für uns im Hessischen Landtag – hier tragen wir jedenfalls Verantwortung – sein, zu definieren, wo wir Schwerpunkte setzen, wo wir aber auch konsequent einsparen. Ich sage das deshalb, weil ich die Art und Weise, wie der Ministerpräsident missverstanden worden ist, nicht akzeptieren kann. Denn wir haben mit unserem eigenen Handeln bewiesen, dass wir es anders meinen.
Der Ministerpräsident hat es doch gerade richtig ausgeführt.Wir Liberalen und wir Christdemokraten in Hessen, diese Koalition, setzen auf Bildung. Wir müssen uns vor den Zahlen nicht verstecken, die wir hier haben.
Wir müssen uns doch nicht von Ihnen erklären lassen, wir würden in dem Bereich nichts tun. Sind denn 1.000 zusätzliche Lehrerstellen etwas, worüber man nicht sprechen darf? Sind die Veränderungen in der Institution Schule nichts, worüber man sprechen darf? Ist nicht ein Hochschulpakt in schwierigen Zeiten ein Benefit, ein Bonus auch für die Hochschulen, weil sie Planungssicherheit haben?
All diese Punkte können Sie doch nicht wegreden. Deshalb glaube ich: Ja, man kann uns immer dafür kritisieren, dass wir nicht noch mehr Geld ausgeben; man kann uns aber auch dafür loben, dass wir Schwerpunkte setzen und sparen. Denn das ist die richtige Art und Weise.
Ich will gern auch noch etwas zum Thema Steuern sagen, weil der Kollege Görig das überraschenderweise dazwischengerufen hat.
(Axel Wintermeyer (CDU): Ritualisiert! – Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD) – Gegenrufe der Abg.Holger Bellino und Clemens Reif (CDU):Hör doch einmal zu!)
Kollege Görig, ich habe immer noch die Plakate vor Augen, die die Sozialdemokraten aufgestellt haben, als es bei der letzten Wahl um das Thema Mehrwertsteuererhöhung ging.
Irgendwie muss da etwas ganz Schlimmes passiert sein, oder die Union hat eine solche Überzeugungskraft gehabt, dass Sie aus 0 % Mehrwertsteuererhöhung 3 % gemacht haben.
Ich sage das einmal für mich persönlich, und ich glaube, ich würde bei den Kollegen meiner Fraktion und auch bei den Unionskollegen Zustimmung bekommen: So etwas wird mit mir nicht passieren – Herr Kollege Görig, wenn Sie das für sich brauchen.
Es ist doch klar. Es ist doch Ihre einzige Hoffnung, dass wir den gleichen Unsinn machen, den Sie auch gemacht haben,damit Sie sagen können,alle machen Unsinn.Aber so wird es nicht kommen, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. Das werden wir nicht tun.
Jetzt will ich Ihnen einmal etwas zum Thema Steuereinnahmen des Landes sagen, weil ich es wirklich liebe, wenn ich das von den Sozialdemokraten höre. Richtig ist, dass unser Bundesland genauso wie die Kommunen – ich komme gleich darauf,Herr Kollege – weniger Steuern einnimmt, der Bund aber in den letzten Jahren mehr Steuern eingenommen hat. Ich habe eine Grafik, und ich lasse sie gerne für Sie groß kopieren.
Ich kann es nicht mehr hören, dass Sie sich arm rechnen – und das passiert bei Sozialdemokraten und GRÜNEN ständig. Bei den LINKEN ist es egal, da spielt es keine Rolle.Ich habe das gestern bei einer Veranstaltung gesagt: Es ist eine Tatsache, die ich in vielen Kommunen erlebe, dass jedes Projekt durchgezogen wird, auch wenn es 100 oder 150 Millionen c kostet, aber man trotzdem jammert, dass es schlimm sei. Ich habe in meiner eigenen Stadt gerade etwas erlebt: In Frankfurt will man den Römer neu beplanen und bebauen. Das ist auch eine kostengünstige Veranstaltung.Aber Frau Roth erklärt uns jeden Tag, wie schlimm es aussehe.–All das akzeptiere ich noch;das mag so sein.
Aber dass der Bund von 2005 mit ca. 450 Milliarden c Steuereinnahmen, prognostiziert auf das Jahr 2013 mit ca. 560 Milliarden c Steuereinnahmen einen deutlichen Zuwachs hat und wir vielleicht einmal gemeinsam darüber nachdenken sollten, wo das Geld hingeht, das wir jedes Jahr mehr bekommen, das kann doch in diesem Haus wirklich niemand bestreiten. Ich kann es nicht mehr hören, wie Sie uns arm rechnen.
Ich bin bei Ihnen, dass wir auch steigende Ausgaben haben, ob das die Zuschüsse zur Rente oder zur Gesundheitsversorgung sind. Das ist alles unbestritten. Da können Sie auch gern mit mir darüber reden, dass wir in dem Bereich sicherlich mehr Geld brauchen. Das will ich nicht bestreiten. Aber Sie wollen uns bitte nicht erklären, dass der Staat mittlerweile so arm sei – denn dann müsste man darüber nachdenken, wer in den letzten Jahren regiert hat; vielleicht gibt es da einen Zusammenhang –, dass er für die Menschen in der Mitte dieser Gesellschaft, die die ganze Veranstaltung bezahlen, keinen einzigen Pfennig mehr hat, Herr Kollege Schäfer-Gümbel.
Ich muss sagen, das ärgert mich deshalb, weil eine Minderheit in diesem Land das bezahlt, was wir hier machen. 26, 27 Millionen Erwerbstätige von 80 Millionen Einwohnern erwirtschaften das Steueraufkommen, das wir in diesem Land haben. Ich glaube schon, dass die Leute wollen, erstens dass wir in einer Währungskrise dafür sorgen, dass der Euro stabil ist,zweitens dass wir dafür sorgen,dass wir die Haushalte endlich in den Griff bekommen, weil das auch eine Voraussetzung für einen stabilen Euro ist.Sollte dann noch etwas übrig sein, dann gebe ich es lieber dem Bürger als irgendwelchen sozialdemokratischen Projekten.
Das mögen Sie anders sehen, aber ich sehe es genau so, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass die Menschen ein Anrecht darauf haben, dass sie das, was wir jedes Jahr mehr einnehmen, auch zurückbekommen. Denn irgendjemand muss die Veranstaltung auch weiterhin bezahlen. Ich möchte nicht, dass diese Leute weiterhin das Land verlassen; denn sie sind das, was dieses Land trägt: die arbeitende Mitte dieser Gesellschaft. Ja, dafür stehen wir. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Rentsch. – Als Nächster spricht Herr Kollege Al-Wazir, Vorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der FDP zurück nach Europa. Da stimmt meine Fraktion dem, was der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat, ausdrücklich zu: Wir müssen dieses Europa gegen die Abzockerei und die Spekulation verteidigen, die gegen die gemeinsame Währung von 16 Staaten in den letzten Wochen stattgefunden hat.
Das ist im europäischen Interesse, und das, was im europäischen Interesse ist, ist auch im deutschen Interesse und auch im hessischen Interesse.
Herr Ministerpräsident, ich glaube, dass Sie das richtig ausgeführt haben. Ich glaube auch, dass man BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht vorwerfen kann, dass sie das in irgendeiner Form jemals in ihrer Geschichte parteitaktisch oder von Wahlterminen abhängig machend gesehen
haben.Wir haben am Freitag vor der NRW-Wahl, obwohl wir in der Opposition sind, diesen Griechenlandhilfen zugestimmt.Wir haben ihnen zugestimmt – nicht, weil sie alternativlos sind; ich mag das Wort „alternativlos“ nicht –, weil klar war:Wenn man das nicht tut, werden die Kosten noch viel höher.
Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, dieses Ja zur Griechenlandhilfe war verbunden mit einem deutlichen Nein zur Chaospolitik der Regierung Merkel/Westerwelle, die uns erst in diese Situation gebracht hat. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Schauen Sie sich doch einmal an, was da passiert ist. Herr Ministerpräsident, wir waren Anfang März auf einer Asienreise; Kollege Schäfer-Gümbel war auch dabei. Da sind wir in Japan und in Singapur, egal wo wir waren, vor zweieinhalb Monaten überall nach Griechenland gefragt worden: Was macht ihr da, wie sieht das aus, usw.? – Da haben Sie richtigerweise immer gesagt:Bewertet das nicht so hoch. Griechenland ist nicht die Welt, sondern allein das Bundesland Hessen hat ein Bruttoinlandsprodukt, das fast so groß ist wie das von Griechenland. Wenn ich sehe, wie dort und in Deutschland die Wachstumserwartungen für nächstes Jahr sind, kann es sogar sein, dass wir nächstes Jahr ungefähr gleich sind.Bewertet es nicht über, alles kein Problem.
Die spannende Frage ist doch: Warum hat trotzdem die Überschuldung eines Staates, der ein Bruttoinlandsprodukt hat, das ungefähr so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt des Landes Hessen, zu einer solch dramatischen Krise der Währung eines gesamten Kontinents geführt? – Weil wir eine Bundesregierung haben, die zweieinhalb Monate lang nichts, aber auch gar nichts gemacht hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Minister Jörg- Uwe Hahn: Deshalb?)
Genau deshalb, Herr Europaminister. – Angela Merkel hat sich am Anfang als „Madame Non“ feiern lassen. Irgendwann, als es nicht mehr ging, hat sie gesagt: „Vielleicht“, und jetzt: 750 Milliarden c. Ich sage Ihnen: Das wäre niemals so viel geworden, wenn man von Anfang an gehandelt hätte.
Herr Ministerpräsident, es war ja bemüht, wie Sie gesagt haben, man musste die Bedingungen hart machen. Natürlich müssen die Griechen sich ändern. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, in den letzten zweieinhalb Monaten wäre es besser gewesen, weniger Stammtisch und mehr Helmut Kohl zu haben. Das wäre einmal eine Linie gewesen.
Ja, das aus meinem Munde, Herr Ministerpräsident. – Ich frage mich: Wo waren Sie da eigentlich? Sie sitzen doch jeden Montag im Präsidium neben der Kanzlerin, Sie sind doch stellvertretender CDU-Vorsitzender. Was haben Sie da eigentlich diskutiert? Es ist doch peinlich, wenn man als Deutscher in Europa unterwegs ist und die anderen Europapolitiker einen fragen: Wann ist denn endlich eure komische Regionalwahl vorbei, damit wir