Protokoll der Sitzung vom 18.05.2010

Ja, das aus meinem Munde, Herr Ministerpräsident. – Ich frage mich: Wo waren Sie da eigentlich? Sie sitzen doch jeden Montag im Präsidium neben der Kanzlerin, Sie sind doch stellvertretender CDU-Vorsitzender. Was haben Sie da eigentlich diskutiert? Es ist doch peinlich, wenn man als Deutscher in Europa unterwegs ist und die anderen Europapolitiker einen fragen: Wann ist denn endlich eure komische Regionalwahl vorbei, damit wir

endlich wieder Politik machen können? – Das ist doch peinlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Deswegen ist es so teuer geworden.

Herr Europaminister, wo war eigentlich der Europaminister Hahn, oder wo war der Riesenstaatsmann Koch, als die Pinkwarts und Brüderles angefangen haben, zu zündeln,und noch vor drei Wochen erklärt haben:„Wir geben überhaupt nichts“? Das war die Einladung an alle Spekulanten dieser Erde, sich gegen den Euro zusammenzutun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Genau deswegen ist es jetzt so teuer.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Andersherum wird ein Schuh daraus, Herr Kollege!)

Nicht andersherum wird ein Schuh daraus. Ich meine, Florian Rentsch hat gesagt, die GRÜNEN hätten immer ein Patentrezept, für alles.

(Florian Rentsch (FDP): Eines, das nie klappt!)

Das stimmt übrigens nicht.Wir wissen vielleicht nicht immer, wie es geht.

(Peter Beuth (CDU): Ihr macht es den Leuten aber glauben!)

Manchmal muss man es auch probieren, muss man sich herantasten. Aber wir wissen auf jeden Fall, was nicht geht. Ich zitiere jetzt einmal einen GRÜNEN, nämlich Joschka Fischer.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ui! – Oh!)

Sagen Sie nicht: „Oh“. – Joschka Fischer hat am 28.04. ein sehr wahres Wort gesagt.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die Finanzzusagen der Bundesregierung hat er ausdrücklich gelobt. „Das war die Entscheidung: Jawohl, wir sind die Feuerwehr.“ Aber er hat dann hinzugefügt: „Warum die Feuerwehr über Wochen dasteht und sich am Kopf kratzt, anstatt die Pumpe zu bedienen, das verstehe ich beim besten Willen nicht.... Ein Zimmerbrand wird zum Dachstuhlbrand, und am Ende steht das ganze Haus in Flammen.“ Genau das ist passiert, weil Sie sich nämlich von der „Bild“-Zeitung haben treiben lassen,

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

anstatt ein bisschen weniger Stammtisch und ein bisschen mehr Helmut Kohl zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Kollege Rentsch, ich verstehe, dass die FDP das Gefühl hat, dass sie sozusagen in der falschen Sekunde der Geschichte an die Bundesregierung gekommen ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich habe sogar ein gewisses Verständnis dafür. Uns ging es auch einmal so.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist aber schon lange her!)

Wir haben 18 Jahre in der Opposition verbracht und kamen im Herbst 1998 an die Bundesregierung. Auf einmal waren wir in einer Situation, dass Deutschland ein paar Monate später eine Krieg führende Macht auf dem Balkan war. Das ist für eine Partei, die aus der Friedensbewegung kommt, etwas gewesen, das können Sie sich jetzt vielleicht vorstellen: Auf einmal passt alles das, was man wollte, nicht mehr mit dem zusammen, was die Wirklichkeit erzwingt.

(Axel Wintermeyer (CDU): Das ist die Realität!)

Was ist denn jetzt mit der FDP? Die ist jetzt seit elf Jahren, wenn man den Zeitpunkt, als Guido Westerwelle Generalsekretär wurde, nimmt, 15 Jahre unterwegs und verengt sich auf einen einzigen Punkt, nämlich Steuersenkung. Das ist keine liberale Partei mehr im Sinne von Gesellschaftsliberalität, sondern sie ist nur noch auf einen einzigen Punkt verengt: Steuersenkung. Dann auf einmal kommt man an die Regierung, und um einen herum brechen alle Haushalte zusammen. Man macht Riesenpakete und pumpt unglaublich viel Geld hinein.

Was ist der Unterschied? Der Unterschied ist, dass wir

(Janine Wissler (DIE LINKE): Krieg führen!)

ja, liebe Janine Wissler; die Wirklichkeit steht euch übrigens auch noch bevor – unsere Situation an die Wirklichkeit, damals des Jahres 1999, angepasst haben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Mit Lügen!)

Die lieben Kolleginnen und Kollegen,eher die lieben Kollegen von der FDP, denn Frau Henzler ist draußen, es sind nur noch Männer da,

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Zum Thema!)

haben auf ihrem ersten Parteitag, nachdem sie Teil der Bundesregierung waren, nicht wie wir diese heftige Debatte geführt – genau das ist der Unterschied –,

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

sondern sie haben sich noch vor drei Wochen hingestellt – ich habe diesen Pinkwart noch vor Augen – und so getan, als wäre überhaupt nichts um einen herum passiert, als könnte man weiter munter Steuern senken, obwohl man Schulden über Schulden macht. Das ist euer Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

In dem Punkt gilt dann wieder, dass man eine GRÜNE zitieren kann, nämlich Renate Künast in der besagten Debatte im Deutschen Bundestag.

(Florian Rentsch (FDP): Für alles haben die GRÜNEN einen Ratschlag!)

Sie hat gesagt, an die FDP gerichtet, aber auch an die marktradikalen Teile der CDU, die aber kleiner werden:

Luther hat gesagt: Wenn morgen die Welt unterginge,würde ich noch ein Apfelbäumchen pflanzen. – Ich habe langsam den Eindruck, dass für die FDP und Teile der CDU/CSU gilt: Wenn morgen die Welt unterginge, würden sie als Letztes die Koalitionsvereinbarung mit der Seite „Steuersenkungen“ hochhalten und sagen: Könnte ich doch noch eine Steuersenkung haben!

(Florian Rentsch (FDP): Der ist bekannt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das ist Ihr Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Leif Blum und Wolfgang Greilich (FDP))

Deswegen ist es einmal an der Zeit, dass Sie sich ehrlich machen und die Wirklichkeit wahrnehmen. Denn die Tatsache, dass Sie die ganzen letzten Monate versucht haben, die Wirklichkeit nicht wahrzunehmen, hat dazu geführt, dass diese Rettungspakete jetzt so teuer geworden sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Wolfgang Greilich (FDP), eine Münze hochhaltend: Darum geht es!)

Herr Greilich,ich weiß nicht,warum Sie einen Groschen hochhalten.

(Zurufe von der FDP: Euro!)

Aber das ist doch das Thema. Herr Brüderle, hätte ich fast gesagt.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch genau das Thema:dass man in der Welt unterwegs ist, dass man in Japan gefragt wird, dass man in Singapur gefragt wird und dass diese Leute auf die Bundesregierung schauen und einen Außenminister Westerwelle und einen Wirtschaftsminister Brüderle sehen. Auch die Bevölkerung in Deutschland hat das Gefühl, dass sie von Leichtmatrosen regiert wird. Das ist doch die Einladung zu Spekulationen.