Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

Übersetzt hieß das für ihn: Mir gebbe nix.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Land hat sich also darauf beschränkt, Informationsveranstaltungen zu machen; öffentliche Mittel zur Förderung des Breitbandausbaus durften aber keinesfalls eingesetzt werden. Das hat er, wie Sie im Protokoll der entsprechenden Sitzung auch nachlesen können, in der unser Antrag beraten und von Ihnen abgelehnt wurde, nochmals sehr eindeutig formuliert.

Nun will ich gern anerkennen, dass Sie offensichtlich inzwischen eine der Sache angemessenere Haltung entwickelt haben. Wir erkennen auch alle an, dass sich mit der Breitbandversorgung dünn besiedelter Gebiete nur auf lange Sicht Profite erzielen lassen, bei gleichzeitig drohenden großen Risiken für die Unternehmen. Das ist die berühmte Wirtschaftlichkeitslücke, über die wir uns häufig austauschen. Da gehen Sie ganz ausdrücklich einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist es schlicht und einfach auch eine Tatsache, dass Hessen in Sachen Breitband heute einen Nachholbedarf hat, gerade im ländlichen Raum, weil Sie Herrn Rhiel damals dann doch etwas blind gefolgt sind.

Meine Damen und Herren, das bedeutet heute für Teile Hessens einen Standortnachteil. Das Wirtschaftsministerium unter neuer Leitung reißt jetzt das Steuer herum. Wir begrüßen das auch ganz ausdrücklich, Herr Minister Posch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir begrüßen ganz ausdrücklich, dass Sie jetzt – zugegebenermaßen spät,aber besser als nie – den von uns bereits vor vier Jahren vorgezeichneten Weg beschreiten wollen. Die umfangreiche Landtagsanhörung im Januar und der Breitbandgipfel vergangene Woche in Frankfurt sind ausdrücklich richtige Schritte.

(Florian Rentsch (FDP): Das ist fast eine schwarzgrüne Landtagssitzung!)

Allerdings können Sie durch noch so viele Veranstaltungen dieser Art die vier für die Breitbandversorgung Hessens verlorenen Rhiel-Jahre nicht wettmachen, und das wissen Sie auch. Die Länder, mit denen wir wirtschaftlich direkt konkurrieren – Ihnen geht es doch auch immer um Wettbewerbsfähigkeit –, haben diese Zeit deutlich besser genutzt und sich durch die Umsetzung ganzer Maßnahmenbündel zur Einführung von Breitbandnetzwerken der modernen Generation längst einen Vorsprung verschafft.

(Dr.Walter Arnold (CDU):Also wenn Sie das alles den Kollegen zuschieben wollen!)

Herr Minister, offen ist auch nach wie vor die Frage, warum Sie es versäumt haben – Herr Kollege Siebel hat es eben auch angesprochen –,den flächendeckenden Ausbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes in das hessische Konjunkturprogramm aufzunehmen, auf das die Landesregierung so stolz ist. Vielleicht können Sie von hier aus gleich für Aufklärung sorgen. Ich würde das sehr begrüßen.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Das haben wir ausführlich erklärt!)

Es schadet nicht, das noch einmal zu wiederholen. – Aber schauen wir einmal nach vorne. Sie haben jetzt selbst erkannt, dass die im Jahr 2010 zur Verfügung ge

stellten 5 Millionen c den Bedarf bei Weitem nicht decken. Setzt man diesen Betrag im Übrigen ins Verhältnis zu den Unsummen, die Sie beispielsweise in Betonpisten und andere Großprojekte stecken wollen, wird es ganz und gar absurd.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Mit den 30 Millionen c beispielsweise für Beberbeck – Herr Minister, nebenbei: ist der Vertrag eigentlich unterschrieben? – will ich Sie gar nicht weiter quälen. Das Thema bleibt uns dank Henner Sattler ganz sicher erhalten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Vorsicht bitte, keinen Elfmeter verschießen!)

Wir erkennen also, dass die 5 Millionen c aus dem Landeshaushalt bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Er hat sie nun dazu gebracht, Bundesgelder aus der Versteigerung der Frequenzen der digitalen Dividende für den Breitbandausbau zu nutzen. Zugegeben, die Idee hat einen gewissen Charme. Herr Minister, wie auch Sie, Herr Dr. Arnold, allerdings sind Sie mit einem solchen Vorstoß schon in der Pflicht, den Menschen und Unternehmen, denen Sie damit zusätzliche Hoffnungen machen, zu erklären, wie Sie das durchsetzen wollen. Denn zum einen sind es Gelder des Bundes, über die wir hier reden. Zum anderen hat der Finanzminister, Herr Schäuble, der Ihrer Partei angehört, gerade nochmals vorgerechnet, dass er die Einnahmen aus der Versteigerung zur Haushaltskonsolidierung nutzen will.Wie passt das also mit Ihrer Initiative zusammen, Herr Minister?

(Florian Rentsch (FDP): Empathische Rede, Herr Kollege!)

Hat Herr Schäuble seine Haltung von gestern auf heute verändert, oder ist Ihr Vorstoß nur ein Luftschloss? Oder ist das Ganze nur eine weitere schwarz-gelbe interne Provokation aus Wiesbaden in Richtung Berlin? An diesen Spielchen haben sich bisher nur der Ministerpräsident und sein Vize beteiligt. Herr Posch, es wäre wirklich bedauerlich, wenn Sie sich dort jetzt auch einreihen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

CDU, SPD, FDP und wir GRÜNE haben hier im März einen gemeinsamen Beschluss zum Thema gefasst.Aus diesem Beschluss sind noch mindestens zwei Fragen offen, Herr Minister. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie Ihre Redezeit nutzten, um diese zu beantworten, nämlich:

Erstens. Welches Ergebnis hatte Ihre Prüfung, inwieweit das kommunale Wirtschaftsrecht geändert werden muss, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, sich selbst stärker im Breitbandausbau zu engagieren?

Zweitens. Was haben Sie seither auf Bundes- und EUEbene konkret dafür unternommen,schnellere Genehmigungs- und vereinfachte Förderverfahren zu erreichen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daneben schließlich muss rasch mit dem Bund geklärt werden, ob die Finanzierung nach Ihren Vorstellungen wirklich steht.

Wir GRÜNE stimmen dem Antrag von CDU und FDP dem Grunde nach zu, auch wenn er hinter dem gemeinsamen Antrag aus dem März auch unserer Auffassung nach deutlich zurückbleibt.Wenn die Chance bestünde, ihn gemeinsam weiterzuentwickeln, wie es auch Herr Siebel angeregt hat, fänden wir das den besseren Weg. Wir verbin

den damit aber auch die glasklare Erwartung, dass die Landesregierung sowohl die rechtlichen als auch die verwaltungstechnischen und finanziellen Voraussetzungen schafft, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen: jedem hessischen Unternehmen und schließlich auch jedem hessischen Haushalt einen schnellen und preisgünstigen Zugang zum Internet zu ermöglichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Klose. – Nächster Redner wird Herr Lenders für die FDP-Fraktion sein.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten im letzten Jahr eine Anhörung zum Thema Breitbandnetz. Ich denke, es war für alle Parlamentarier in diesem Hause ein großer Erkenntnisgewinn, was zu tun ist, wo die Defizite liegen und welche Ziele man verfolgen sollte. Die Anhörung hat ganz klar gezeigt: Die einzige nachhaltige und dauerhafte Lösung ist die Verwendung der Glasfasertechnik. Ob es nun Netze mit 1 MBit/s,50 MBit/s oder 100 MBits/s sein sollen, wie wir jetzt gehört haben: All das wird der technischen Entwicklung kaum standhalten. Wenn man aber wirklich etwas für die Breitbandversorgung im ländlichen Raum und für das gesamte Bundesland tun will, dann muss man das Glasfasernetz nachhaltig ausbauen.

(Beifall des Abg. Manfred Görig (SPD))

Für uns Liberale ist natürlich immer die Frage: Kann der Staat intervenieren, kann der Staat eingreifen? Der Staat kann immer dann eingreifen, wenn der Markt gestört ist. Walter Arnold hat das eben schon kurz angerissen: Der Staat kann und muss dann – auch in wirtschaftliche Prozesse – eingreifen, wenn der Markt gestört ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Und die Profite machen die Privaten? Tolle Logik!)

Im Bereich der flächendeckenden Versorgung haben wir einen gestörten Markt, weil es hier nicht genügend Nachfrage gibt, um Angebote wirtschaftlich darstellen zu können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn wir nicht wollen, dass der ländliche Raum von den Metropolregionen abgehängt wird, ist es geboten – wie es die Landesregierung tut –, die Ausweitung des Glasfaserkabel-Breitbandnetzes zu fördern.

Meine Damen und Herren,wir hatten in diesem Hause eigentlich einen großen Konsens. Jetzt habe ich aber gehört, dass der Kollege Siebel für die SPD-Fraktion die Forderung formuliert hat, bis 2014, also innerhalb der nächsten vier Jahre, flächendeckend eine 100-prozentige Versorgung mit einem 100-MBit/s-Netz sicherzustellen. Mit dieser Zielvorgabe wird die Latte zu hoch gehängt. Sie versuchen, sich damit aus der Verantwortung zu stehlen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Sie können natürlich die Latte immer höher hängen, aber am Ende muss man zur Kenntnis nehmen, dass das nicht mehr finanzierbar ist. Herr Siebel, ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt: Wir tun uns selbst keinen Ge

fallen, wenn wir den Menschen den Eindruck vermitteln, wir könnten auch den letzten Einsiedlerhof mit einem aus öffentlichen Mitteln finanzierten Glasfaserkabel versorgen. Das wird nicht gehen, das würde die Steuerzahler komplett überfordern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Herr Siebel, es scheint mir so zu sein, dass Sie sich einfach aus diesem Konsens verabschieden wollen. Da hat der Kollege Kai Klose doch deutlich differenziertere Worte gefunden. Dafür vielen Dank. Allerdings muss ich sagen: Lieber Kai Klose, natürlich kann man Prioritäten setzen, indem man die zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet einsetzt. Es war die Rede von Beton. Dann muss man aber auch sagen: Wenn man an der Stelle wirklich umswitchen will, dann fehlen am anderen Ende die Mittel, um z. B. Ortsumgehungsstraßen zu bauen, um Entlastungen für die Bürger zu schaffen.Auch das gehört zur Wahrheit. Sie müssen dann auch sagen, was Sie streichen wollen und wem Sie es streichen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Anhörung hat ganz klar gezeigt – das erfahren Sie auch, wenn Sie sich mit Bürgermeistern unterhalten –: Es ist vielfach ein Mangel an Transparenz vorhanden. Was kann die kommunale Familie eigentlich an Förderung erwarten? Die Landesregierung hat vorbildlicherweise zum wiederholten Male einen Breitbandkongress durchgeführt. Im Wirtschaftsministerium und bei der Hessen-Agentur – Walter Arnold hat es gesagt – sind viele Ansprechpartner zu finden. Es ist unsere Aufgabe, über die Fördermöglichkeiten zu informieren. Dabei gilt es, nicht nur über die Ausbau- bzw. Fördermöglichkeiten, sondern eben auch über technische Alternativen zu informieren. Wir haben nämlich nicht nur ein Modellprojekt im Odenwald, sondern auch ein Modellprojekt in Hofbieber.Es ist einfach nicht zutreffend,zu sagen,dass es dafür an anderer Stelle keine Förderung mehr gebe. Das Projekt in Hofbieber läuft vorzüglich. Dort hat man die Bürger mitgenommen, und man hat eine technische Alternative gefunden, um ein Breitbandnetz in den ländlichen Raum zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Wir begrüßen es sehr, dass Wirtschaftsminister Dieter Posch einen Teil der Einnahmen, die durch die Versteigerung der Frequenzen für den Mobilfunk erzielt werden, für den Ausbau des Breitbandnetzes zur Verfügung stellen will. Für diesen Vorschlag hat sich auch die Konferenz der Wirtschaftsminister der Länder einstimmig ausgesprochen. Wir unterstützen den Minister vor allem deshalb in seinem Vorhaben, weil ein nicht vorhandener Breitbandnetzzugang für jede Region einen enormen Standortnachteil darstellt. Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung des Landes wird durch sogenannte weiße Flecken behindert und eingeschränkt. Es gibt immer noch Ortsteile in Hessen, die nicht vollständig versorgt sind. Das werden wir ändern.

(Beifall bei der FDP)

Der Ausbau des Breitbandnetzes in Hessen und in Deutschland ist eines der wichtigsten Infrastrukturvorhaben der Gegenwart. Hiervon hängt insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und des Standortes Hessen ab. Damit meine ich nicht nur die großen Industriebetriebe. Gerade im ländlichen Raum sind

es die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wir mit einer vernünftigen modernen Technik an das Breitbandnetz anschließen wollen. Für den Erhalt der Wirtschaft gerade im ländlichen Raum ist daher eine schnelle Internetverbindung unbedingt notwendig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)