Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

(Clemens Reif (CDU): So schlecht hat noch nie jemand bezahlt wie Sie!)

dass wir den Spitzensteuersatz bei einem bestimmten Betrag ansetzen müssen? Wir können ihn bei 100.000 c, bei 150.000 c, bei 200.000 c ansetzen, und wir können sagen, er beträgt 42 %, 50 %, 55 % oder 60 %. Wieso sollen Menschen, die im Jahr mehrere Millionen Euro Einkommen haben, darauf nicht 80 % Steuern zahlen?

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie sagen, das sei „alternativlos“, muss ich Ihnen antworten: Alternativlos ist das nur in Ihrer Denkweise. Es ist aber überhaupt nicht einzusehen, dass es Menschen gibt, die nicht wissen, wovon sie in diesem Lande leben

sollen, während andere nicht wissen, wo sie ihre Millionen anlegen sollen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Genau das betreiben Sie hier. Sie schieben die Millionen immer noch ein kleines Stäpelchen höher. Die anderen – –

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Es ist wirklich lästig, wie Sie sich benehmen. Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann geben Sie doch ein Kärtchen ab, erbitten sich ein Rederecht und sprechen dann zu diesem Thema, anstatt dazwischenzuquatschen.

(Clemens Reif (CDU): Das werde ich auch machen! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe.

Das würde wirklich Sinn machen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Sie sagen, Ihre Position sei alternativlos. Ihre Position ist die Position, für die Sie sich entschieden haben. Alternativlos ist in diesem Leben fast gar nichts. Alternativen zu Ihrer Politik gibt es allemal.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Beantwortung hat Herr Kollege Blum das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich gar nicht allzu lange mit dem aufhalten, was Frau Kollegin Schott gesagt hat, weil jemand, der bisher vor allem dadurch aufgefallen ist, dass er die eigenen Mitarbeiter in prekären Verhältnissen beschäftigt, ein denkbar schlechter Vorkämpfer für soziale Verantwortung in unserer Gesellschaft ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr.Ulrich Wil- ken (DIE LINKE): Dafür haben Ihre Mitarbeiter in Darmstadt Angst vor Ihnen!)

Wer hier über Steuersätze von bis zu 80 % fabuliert, der offenbart, dass er auch an dieser Stelle nicht wirklich auf dem Boden unserer Verfassung und des Grundgesetzes steht. Insoweit erübrigt sich eigentlich die Notwendigkeit, darüber zu diskutieren.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich will aber gern noch einmal auf den Kollegen Schmitt eingehen. Ich will ihn gern noch einmal fragen – vielleicht gibt er mir eine Antwort –, wohin all die Mehreinnahmen gegangen sind, die Peer Steinbrück und Hans Eichel über Jahre hinweg, beinahe über eine Dekade hinweg, vereinnahmt haben.Wo ist das Geld denn?

Hätten Sie damals auch nur ansatzweise begonnen, den Weg einzuschlagen, den die jetzige Bundesregierung geht, wären wir heute, was die Staatsverschuldung angeht, gar nicht in der dramatischen Lage,in der wir sind.Dann wäre

es gar nicht notwendig, jetzt solch dramatische Einschnitte auf allen Ebenen unserer Gesellschaft vorzunehmen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Sie haben keine Erklärung dafür, wohin die teilweise bis zu 50 Milliarden c pro Jahr gegangen sind. Das ist mir schleierhaft. Aber Sie sind auch nicht in der Lage, das zu erklären.

Ich bleibe an dieser Stelle dabei – das richtet sich insbesondere an die Fraktion DIE LINKE, aber auch an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD –: Es ist eben nicht die beste Sozialpolitik, in diesem Bereich einfach nur immer mehr Geld auszugeben, ohne die Menschen ein Stück weit wieder in die Selbstverantwortung zu entlassen. Das ist es, was Sie machen: Sie blähen ein System auf und stärken die Abhängigkeit der Menschen von staatlichen Transferleistungen. Frau Kollegin Wissler, das mag unter Umständen Ihrem Weltbild, das vom Kollektivismus geprägt ist, entsprechen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Richtig! Die Neokommunisten denken so! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Unser Weltbild ist das aber nicht. Wir wollen Menschen, die in Freiheit und Verantwortung selbst in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Deswegen müssen wir die Kräfte der Gesellschaft stärken, die die Menschen in Arbeit bringen und dafür sorgen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist der Weg, den wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der CDU weiter beschreiten wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Blum. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Finanzminister Weimar das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst einen Punkt aus dem Weg räumen, der hier schon mehrfach eine Rolle gespielt hat: Für Steuersenkungen ist derzeit und in absehbarer Zeit aus meiner Sicht überhaupt kein Raum.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die sehr positive Entwicklung des Bundeshaushalts ist hoch erfreulich. Ich sage gleich auch noch etwas zu den Wirkungen. Sie kann auch im Moment gar nicht dadurch konterkariert werden, dass es dort wieder Gegenrechnungen gibt. Übrigens halte ich die Diskussion, die derzeit stattfindet, nicht für besonders glücklich.

Zweiter Punkt. Wir müssen, wenn wir solche Diskussionen führen, aufpassen, dass in einer Gesellschaft, in der – sagen wir einmal – der Neid eine viel zu große Rolle spielt, kluge Entscheidungen nicht völlig durch Bilder in den Hintergrund gedrängt werden,die gestellt werden und die verschiedenen Bevölkerungsteile gegeneinander aufbringen. Übrigens hat das mittlerweile auch ein Klima ge

schaffen, in dem sich keiner mehr traut, zu sagen – als Anreiz und als Motivation gedacht, um diese Gesellschaft voranzubringen –: Ich arbeite viel, und ich verdiene viel Geld.

(Janine Wissler (DIE LINKE):Die armen Reichen! – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ja, das ist auch richtig. Nun lassen Sie mich einmal ausreden. Ich habe mir diese neiderfüllten, fast hasserfüllten Ausführungen eben auch in aller Ruhe angehört. Nun hören auch Sie mich einmal an.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen einfach darauf achten, dass Sie mit dem Neidgedanken und mit der Frage, wer gegen wen steht, sehr vorsichtig umgehen; denn damit können die Grundlagen unserer wirtschaftlichen Zukunft ein Stück weit weggeschlagen werden.

Im Zusammenhang mit Griechenland,Spanien und Großbritannien haben wir es doch jetzt gelernt: hohe Staatsverschuldung und brutale Eingriffe in die Haushalte. Übrigens sind diese Eingriffe, wie hier zu Recht gesagt worden ist, auch von sozialistischen Regierungen vorgenommen worden; denn ihnen blieb gar nichts anderes mehr übrig.

Im Gegenzug dazu ist die Bundesrepublik Deutschland im Moment übrigens der große Gewinner der Entwicklung in Europa,einfach deshalb,weil Deutschland im Ausland immer noch als das Land betrachtet wird, das besonders stabil ist und in dem man Geld in Zeiten wie diesen anlegen kann.

Damit das einmal klar ist: Das gilt auch für das Land Hessen. Wir haben 1 Milliarde c mit 2,07 % Zinsen auf fünf Jahre aufgenommen. Das ist ein Zinssatz, der die außerordentlich positive Einschätzung des internationalen Kapitalmarkts bezüglich der Seriosität und Solidität des Landes Hessen widerspiegelt.

(Beifall bei der CDU)

Was die ganze Rederei darüber betrifft, wo Hessen steht und was für Probleme wir haben: Die internationalen Analysten sehen das völlig anders. Sie halten das Land Hessen für stabil.

Nur, wer das aufgibt, zahlt allein über die Zinsen so viel Geld, dass er bei dem, was er in sozialer Hinsicht machen kann, und übrigens auch bei dem, was er in die Strukturen des Landes stecken kann, damit es sich weiterentwickelt, erheblich eingeschränkt ist. Deswegen ist es extrem wichtig, dass wir uns bei dem, was wir jeden Tag machen und beschließen, nicht zu sehr von Emotionen leiten lassen. Aber natürlich hat Politik auch etwas mit Emotionen zu tun.

Bevor das Sparprogramm der Bundesregierung beschlossen worden ist, waren doch schon alle Presseartikel geschrieben. Es ist nicht wahr, dass hier noch eine sachliche Auseinandersetzung stattfindet. Vielmehr steht, wenn einer sagt: „Wir sparen etwas“, sofort der Begriff „soziale Unausgewogenheit“ im Zentrum der Diskussion. Das ist ein Kampfbegriff ohnegleichen geworden, ohne dass angesichts dessen, was dort passiert, auch nur annähernd Substanz dahintersteckt.

(Beifall bei der CDU)

Der Kollege Landau hat sehr eindrucksvoll dargelegt, dass der Sozialetat – die Umverteilungsvolumina, die wir

in diesem Land haben – mit großem Abstand der größte Posten jedes Haushalts und unserer sozialen Systeme ist.