Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

Heute ist es so, dass die Zahl der Stunden, die auf der Stundentafel abgebildet sind, zu 100 % von der Lehrerzuweisung abgedeckt wird. Dies ist Fakt. Das war zu Ihrer Zeit nicht der Fall.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich glaube, dass man einmal mit Stolz sagen kann, was in der Vergangenheit – bei eigenen Fehlern, die auch wir gemacht haben – erreicht worden ist.

Wenn Sie erklären, Bildung werde kaputtgespart, dann weiß ich nicht, ob Ihnen entgangen ist, dass der Bildungsetat heute um rund 700 Millionen c pro Jahr höher ist als unter der Verantwortung von Sozialdemokraten und GRÜNEN im Hessischen Landtag.

(Günter Rudolph (SPD): Mit Personalkosten oder ohne?)

Das sind 700 Millionen c pro Jahr mehr. Vor diesem Hintergrund kann man wirklich nicht sagen, dass Bildung in irgendeiner Form kaputtgespart worden sei. Im Gegenteil, wir haben gesagt, Bildung hat Priorität. Bildung wird auch bei dieser Koalition Priorität haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Ich will die alten Geschichten nicht wieder aufwärmen, aber es gibt immer wieder auch neue.

(Günter Rudolph (SPD): Dann lassen Sie es doch!)

Herr Kollege Rudolph, ich weiß, dass Sie beratungsresistent sind. Sie haben es bis heute nicht begriffen. Für Sie müsste man eigentlich ein Sonderseminar einlegen. – 3.500 Lehrer zusätzlich in den vergangenen neun Jahren haben wir gemeinsam, erst CDU und FDP, dann die Union alleine, eingestellt. Ich erinnere daran, dass wir die Zahl der Referendare von 2.100 zu Ihrer Zeit auf aktuell – am letzten Beschluss waren Sie mitbeteiligt, das gehört zur Wahrheit hinzu – 6.000 in zwei Jahren hochgefahren haben, um damit unseren Teil dazu beizutragen, dass der Lehrermangel nach Möglichkeit in Hessen perspektivisch nicht eintritt. Auch das macht deutlich, welche Priorität wir der Bildungspolitik beigemessen haben.

Ich will nur am Rande erwähnen, dass wir nebenbei noch die Stundentafel in der Grundschule, in der Hauptschule ausgebaut haben.Wir haben sie nicht nur abgedeckt, sondern wir haben Stunden draufgesattelt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

um die Chancen für junge Leute zu erhöhen, eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen.

Ich will an das Thema verlässliche Schule erinnern. Das Thema Lehrerbildungsgesetz hat in letzter Konsequenz etwas mit Qualität zu tun. Kurzum, ich glaube, dass wir alle – das unterstellte ich jetzt logischerweise auch Sozialdemokraten und GRÜNEN – gemeinsam ein Ziel haben müssen: junge Leute so auszubilden, dass sie mit einer bestmöglichen Bildung gemäß ihren individuellen Möglichkeiten aus der Schule herausgehen, um letztlich in dieser Gesellschaft einen für sie individuell möglichst optimalen Beruf ergreifen zu können. Unsere Aufgabe ist es, junge Leute dafür fit zu machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

All das, was wir machen, dient genau diesem Ziel.Wir haben aktuell – Stichwort: Priorität der Bildungspolitik – rund 48.000 Lehrerstellen. Das hat es in der Geschichte Hessens noch nie gegeben. Wir haben gleichzeitig übereinstimmend gesagt: Auch wenn die Schülerzahlen zurückgehen werden, werden wir die jetzige Zahl von Stellen im Schulsystem behalten und obendrein noch einmal 2.500 für den Schulbereich zu Verfügung stellen.

(Hugo Klein (Freigericht) (CDU): Sehr gut!)

Das heißt, wir werden am Ende dieser Legislaturperiode über 50.000 Vollzeit-Lehrerstellen zur Verfügung haben. Wenn ich dann noch die demografische Rendite berechne, komme ich auf eine Größenordnung von mindestens 1.500 Stellen, die dadurch in letzter Konsequenz „erwirtschaftet“ werden. Das heißt, wir haben damit viele Möglichkeiten, die wir in der Tat benötigen. Dagegen spricht niemand. Wenn der ehemalige Kultusminister in seiner Amtszeit erklärt hat, die Sternchenregelung kann

man wegfallen lassen, und zwar aufsteigend von den entsprechenden Klassen her, ist das ein ganz klares Signal.

Sie alle wissen, dass dies nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Deshalb halte ich es für richtig, wenn wir sukzessive und seriös damit anfangen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben von zu großen Klassen gesprochen. Frau Kollegin Habermann, es ist richtig, dass die Schülerzahlen in den gymnasialen Eingangsklassen im Schnitt leicht gestiegen sind. Diese Klassen sind zu groß. Da sind wir einer Meinung. In den Haupt- und Realschulen sind die Klassengrößen ziemlich konstant geblieben, und in den Grundschulen ist die Zahl der Kinder pro Klasse gesunken.

(Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Wir haben in der Grundschule derzeit im Durchschnitt 21,2 Kinder pro Klasse. Da kann man wirklich nicht von zu großen Klassen sprechen.

Was die Mindestverordnung für Kindertageseinrichtungen angeht, wissen Sie, da wird sich zum 1. September etwas ändern. Die Mindestverordnung schreibt vor, dass in Gruppen mit Kindern unter drei Jahren künftig zwei Kräfte pro Gruppe – bei insgesamt verringerter Kinderzahl – eingesetzt werden. Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind es 1,75 Fachkräfte – ebenfalls bei einer Verringerung der Gruppengröße. Man kann zwar immer noch sagen, das sei zu wenig, aber ich denke, auch hiermit wird ein weiteres Signal in die richtige Richtung gegeben. Auch hier machen wir deutlich, dass Bildung für uns nach wie vor Priorität hat.

Ich denke, dass wir es mit den Maßnahmen, die wir im Koalitionsvertrag vorschlagen – Sie können sie dort nachlesen –, hinbekommen, dass in der Tat eine 105-prozentige Personalzuweisung erreicht wird – mit der flexiblen Bestimmung, dass bis zu 20 % der Zuweisung in Mitteln ausgezahlt werden können. Damit können die Schulen vor Ort die Entscheidung treffen, was aus ihrer Sicht prioritär und besonders nötig ist. Das heißt, auch die Personalverantwortung wird den Schulen sukzessive und in einem geordneten Verfahren übertragen. So wird jede Schule in letzter Konsequenz in der Lage sein, das aus der Sicht der Schulgemeinde optimale Schulprofil individuell zu gestalten.Das schließt den Sozialindex genauso ein wie z.B.den Einsatz einer Verwaltungsfachkraft in einer großen Schule oder eines Schulsozialarbeiters. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Die Entscheidungen darüber, was benötigt wird, geht aber immer vom Nukleus, vom Kern der jeweiligen Schule aus. Das ist der entscheidende Unterschied zu dem, was Sie wollen.

Deshalb glaube ich, dass wir mit der erhöhten Zuweisung und vor dem Hintergrund der demografischen Rendite in der Tat noch kleinere Klassen hinbekommen. Das wollen wir erreichen. Das ist unser Ziel. Kleinere Klassen erleichtern natürlich eine individuelle Förderung. Mit dem Vertrag, den CDU und FDP geschlossen haben, sind wir auf dem richtigen Weg, um die Schule der Zukunft für unsere Kinder so zu gestalten, dass sie mit einer für sie individuell optimalen Ausbildung in das Leben entlassen werden können. Das ist unsere Verantwortung. Der werden wir gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Irmer. – Das Wort hat jetzt Herr Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Bevor ich zum Antrag der Fraktion DIE LINKE komme, ein Wort zu Herrn Irmer. Ich hatte große Hoffnung, dass Sie in der neue Legislaturperiode einmal eine neue Rede halten würden,muss aber feststellen: Seit ich im Landtag bin,seit nunmehr sechs Jahren, ist es immer die gleiche Rede. Es wäre schön, wenn Sie irgendwann in der bildungspolitischen Wirklichkeit ankommen würden, Herr Kollege Irmer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Sie sagen immer das Gleiche. Sie sagen, im Prinzip sei an hessischen Schulen alles prima, und an allem, was nicht prima ist, sei die rot-grüne Regierung von 1991 bis 1999 schuld. Herr Irmer, es glaubt Ihnen doch wirklich niemand.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

An unseren Schulen ist aber nicht alles in Ordnung.Wenn wir uns anschauen,wie unsere Schulen im nationalen oder internationalen Vergleich abschneiden, dann müssen wir leider feststellen, dass trotz des großen Engagements der Lehrerinnen und Lehrer, trotz des großen Engagements der Eltern und trotz der Bereitschaft der hessischen Schülerinnen und Schüler, zu lernen, einiges im Argen liegt. Das liegt nicht an den Schulen. Dort wird eine gute Arbeit gemacht.Es liegt daran,dass die Rahmenbedingungen für die Schulen in unserem Land nicht stimmen. An diesen Rahmenbedingungen müssen wir alle gemeinsam arbeiten.

Damit bin ich bei dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich weiß nicht recht, wie man Ihren Antrag betrachten soll. Wenn ich ihn als schulpolitisches Konzept betrachte, was an unseren Schulen zu tun ist, um die Rahmenbedingungen zu verbessern,dann kann ich nur zu dem Ergebnis kommen: Es ist zu wenig, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Senkung der Gruppen- und Klassengrößen ist sicher ein wichtiges Instrument, aber sie ist kein bildungspolitisches Gesamtkonzept. Insofern ist das zu wenig, wenn ich es schulpolitisch betrachte. Ich werde gleich noch detaillierter darauf eingehen. Nehmen Sie mir es nicht übel, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, es ist aber auch zu wenig als Beitrag einer Fraktion zu der Überlegung, die man vom bildungspolitisch Notwendigen zum politisch Realisierbaren kommt. Herr Kollege van Ooyen, es bringt keiner Schule etwas, wenn man in den Hessischen Landtag Wunschzettel einbringt, deren Umsetzung 400 Millionen c kosten würde, und zur Finanzierung, Realisierung und Umsetzung dieser Forderungen kein einziges Wort verliert. Das hilft niemandem in diesem Landtag weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zu- ruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Schaus, weil Sie mich gerade so freundlich ansprechen: Es muss in der bildungspolitischen Debatte darum gehen, ein Gesamtkonzept für unsere Schulen zu beschreiben, und die Fraktionen im Hessischen Landtag müssen sich die Mühe machen, auch wenn sie relativ neu in diesem Parlament sind, zu beschreiben, wie man dieses Konzept konkret umsetzen will. Genau das will ich tun. Wenn der Antrag der LINKEN es nicht tut, helfen wir da gerne.

(Axel Wintermeyer (CDU): Der LINKEN nicht zu viel helfen! Die müssen sich desavouieren!)

Herr Kollege Wintermeyer, wir sind da etwas offener. Sie wissen, für uns gilt das bildungspolitische Prinzip, jeden dort abzuholen, wo er steht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Wintermeyer. Da hatten wir ja in der letzten Legislaturperiode manchen Erfolg.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für die Fraktion DIE LINKE.Wenn es in der Sache weiterhilft, gehe ich sogar mit dem Kollegen Irmer frühstücken. Leider würde es aber nicht wirklich helfen.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Bei Ihnen nicht!)

Was ist notwendig? Wir brauchen eine bessere Personalund Sachausstattung unserer Schulen. Es gibt einen breiten Konsens in diesem Haus, dass ein Instrument dafür eine 105-prozentige Lehrerversorgung wäre. Damit sind wir beim Thema kleinere Klassen und bessere Lehrerausstattung. Wir müssen aber natürlich auch im Bereich der frühkindlichen Bildung Ernst machen. Auf den Anfang kommt es an. Wir müssen schauen: Wie sind die Arbeitsbedingungen in unseren Kindertagesstätten? Wie können wir den Bildungs- und Erziehungsplan, der derzeit klug, schlau und gut auf dem Papier steht, mit Leben erfüllen? Welche Rahmenbedingungen müssen wir schaffen, dass das an unseren Kindertagesstätten und an unseren Schulen tatsächlich umgesetzt werden kann? Dazu sind kleinere Gruppen in den Kitas und kleinere Klassen an den Grundschulen ein wichtiger Schritt. Wir müssen uns aber auch die Lehrerdeputate an den Grundschulen anschauen, ob damit die Vernetzungsarbeit mit den Kindertagesstätten tatsächlich geleistet werden kann.

Wir müssen für die Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher und der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer sorgen. Wir müssen an der Grundschule an der flexiblen Schuleingangsstufe weiterarbeiten, sodass Kinder die ersten beiden Klassen je nach Begabung, je nachdem, was sie von zu Hause mitbekommen haben, als pädagogische Einheit in einem Jahr, in zwei oder in drei Jahren durchlaufen können. Wir müssen an den weiterführenden Schulen weiterarbeiten und eine neue Schule auf den Weg bringen. Wir müssen den Rahmen für neue pädagogische Konzepte schaffen, für ein Mehr an individueller Förderung. Wir brauchen eine Ausweitung des Ganztagsschulprogramms an unseren Schulen. Wir brauchen eine Stärkung des gemeinsamen Unterrichts von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung, und wir müssen auch im Bereich der Weiterbildung einiges tun.Herr Kollege van Ooyen,zu alldem steht in Ihrem

Antrag nichts. Deshalb ist Ihr Antrag auch fachpolitisch völlig unzureichend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir all das beschreiben, was wir politisch tun und an unseren Schulen verändern müssen, dann haben wir als Politiker auch die Aufgabe, den relevanten Akteuren im Bildungsbereich zu beschreiben, wie das gehen könnte. Das ist nicht der Job der Interessenvertreter im Bildungsbereich. Das ist nicht ihre Aufgabe.