Protokoll der Sitzung vom 05.03.2009

(Beifall bei der SPD)

Kollege Frankenberger, vielen Dank. – Das Wort hat Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Jetzt seid ihr wieder auf Kurs! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir sind immer auf Kurs! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Aber nicht immer auf dem richtigen! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beglückwünsche die Flughafenkoalitionäre SPD, CDU und FDP zu ihrer Einigkeit an dieser Stelle und stelle fest, dass es dabei nicht im Entferntesten darum geht, Nordhessen sinnvoll zu fördern.

(Dr.Walter Arnold (CDU): Na, na, na!)

Das Licht, das jetzt auf Calden fällt, ist sicherlich nicht grün. Es ist rabenschwarz. Für die Arbeitsplätze, die das angeblich bringen soll, sehe ich genauso schwarz.

(Judith Lannert (CDU): Das kann ich mir vorstellen!)

Es gibt keine einzige Firma,die ihre Ansiedlung in der Region für den Fall angekündigt hat, dass der Flughafen ausgebaut wird.

(Dr.Walter Arnold (CDU):Warten Sie es ab! – Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Trotz der jahrelangen Diskussion um den Ausbau fand sich im doch eher konservativen Unternehmerlager, das der CDU doch zumindest hin und wieder einen Gefallen tut,kein einziger Unternehmer,der bereit war,wenigstens

zu sagen: Ich komme dann, wenn ihr einen Flughafen baut.

Tatsächlich können wir mit 60 bis höchstens 600 Arbeitsplätzen rechnen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, wie viele Arbeitsplätze durch den Ausbau verloren gehen. Denn das ist in dem Gutachten, das angefertigt worden ist, explizit nicht abgefragt worden. Das wissen Sie auch alle.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war nämlich der Auftrag, nur die positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu ermitteln. Die Fallschirmspringer sind beispielsweise schon weg. Sie haben den Wählern in verantwortungsloser Weise versprochen, dass hier Arbeitsplätze entstehen werden, und behaupten dies weiter. Ich hoffe sehr, Sie behalten damit recht. Allein, es fehlt mir der Glaube.

Es gibt keine ernst zu nehmenden Interessenten,die überhaupt von Calden aus fliegen wollen. Die Lufthansa lehnt das Projekt ab, von dort zu fliegen. Billigflieger wollen nicht. Vor dem Hintergrund ist die gesamte Wirtschaftlichkeitsberechnung vollständig Makulatur. Es gibt noch nicht einmal einen Betreiber für diesen ach, so wichtigen und zukunftsträchtigen Flughafen. Ich schlimmsten Fall bauen wir hier eine richtige Ruine. Wenn Herr Koch im „Wiesbadener Kurier“ sagt: „Der Ausbau des Flughafens Kassel-Calden ist das herausragende Zukunftsprojekt für die nordhessische Region;in Kassel-Calden bauen wir der Nachfrage nach Flughafeninfrastruktur hinterher“, dann ist das entweder Unsinn oder Hohn.

Die geplante Höhe der Baukosten von 150 Millionen c ist längst nicht mehr haltbar. Darin sind noch nicht die Kosten für eine Verkehrsinfrastruktur enthalten, die notwendig wird, wenn der Flughafen tatsächlich fertiggestellt wird. Die Zufahrt wird nach der derzeitigen Verkehrssituation zu einem erheblichen Teil durch die Kasseler Innenstadt führen.Die Verkehrssituation auf der Holländischen Straße ist bereits jetzt für die Anwohner und den Pendlerverkehr nicht mehr zumutbar. Sie durchschneidet in unerträglicher Weise ein Wohnviertel. Die Verkehrsführung ist vierspurig und kann in den Hauptverkehrszeiten den Ausfallverkehr kaum noch bewältigen. Jeden Abend gibt es dort heftige Staus.Von der Situation in Calden wollen wir hier gar nicht sprechen.

Langfristig ist der Ausbau mit erheblichen Folgekosten verbunden, allein schon um die Verkehrsinfrastruktur herzustellen. Das sind aber bei Weitem nicht die einzigen Folgekosten. Das Betreiben des Flughafens wird auf unabsehbare Zeit Geld verschlingen. Derzeit geht niemand davon aus, dass Calden jemals kostendeckend arbeiten wird. Die Landegebühren – das hatten wir vorhin schon ausführlich in der Rede der Kollegin Müller – sind die Einnahmequelle. Niemand ist im Moment bereit, für einen solchen Flughafen Landegebühren zu zahlen. Im Gegenteil, die Billigflieger wollen noch Zuzahlungen, damit sie überhaupt an einem solchen Flughafen landen. Das ist doch eine Geldvernichtungsmaschine ohnegleichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Ihr wirkliches Anliegen darin bestanden hätte, Arbeitsplätze für Nordhessen zu schaffen, dann wären es die Themen sanfter Tourismus, Gesundheitswesen und alternative Energietechnik gewesen, die zukunftsorientiert, umweltbewusst und nachhaltig in Nordhessen mindestens

10.000, bei einiger Anstrengung aber auch 35.000 Arbeitsplätze geschaffen hätten. Darüber gibt es Gutachten.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Decker (SPD):Wie denn das?)

Diese Chance haben Sie vertan, und das entspricht Ihrer Politik, die gerade in den Themen, die zukunftsweisend sind, völlig versagt. Sie werfen der LINKEN vor, verantwortungslos mit Geld umzugehen.Tatsächlich sind Sie es, die in gönnerhafter Weise ein Geldvernichtungsprojekt vorantreiben. Die Ignoranz, mit der Sie nach Gutsherrenart dieses Land regieren, zeigt, wie beratungsresistent Sie sind. Sie sprechen von der Verantwortung gegenüber unseren Kindern, wenn es ums Schuldenmachen geht. Sie greifen tief in die Tasche, ohne die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, wie lange in der Folge Kosten auf den Steuerzahler zukommen, die mit Zins und Tilgung im Jahr bei etwa 20 Millionen c liegen werden.

(Beifall bei der LINKEN – Peter Beuth (CDU): Das ist das Allerletzte! Sie sind doch diejenigen, die Freibier für alle ausgeben wollen!)

Sie beweisen doch an dieser Stelle, dass Sie willens sind, Geld auszugeben, von dem niemand weiß, ob es zu mehr als diesen 60 Arbeitsplätzen führt. Sie haben noch nicht einmal die Courage, zuzugeben, dass Sie auf das falsche Pferd gesetzt haben. Sie reiten diesen Gaul weiter, egal, was es kostet. Es ist Ihnen völlig wurscht, wo die Arbeitsplätze herkommen.Sie bauen sich Ihr individuelles Denkmal.

(Peter Beuth (CDU): Freibier für alle, das ist Ihre Politik! Sie interessieren die kommenden Generationen überhaupt nicht! – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Peter Beuth (CDU) – Glockenzeichen des Präsidenten)

Nichts anderes interessiert Sie. Sie haben noch nicht einmal den Mut, zuzugeben, dass Sie eine falsche Entscheidung getroffen haben.

(Beifall bei der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Sie haben nichts verstanden!)

Frau Kollegin Schott, Sie müssen zum Ende kommen.

Sie sind nicht in der Lage, zu sagen:Wir haben ein Projekt bedacht, wir haben es erwogen, wir haben es gerechnet, wir haben es ein Stück weit vorangetrieben. Wir haben jetzt feststellen müssen, dass sich die realen Zahlen verändert haben. Wir können es nicht mehr durchführen. – Aber dazu fehlten Ihnen die Größe und die Courage.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Lenders, FDPFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade einen Ausflug in die

Wirtschaftspolitik der LINKEN gemacht. Aber am Ende stehen wir hier, weil wir uns darüber freuen, dass die EUKommission das grüne Licht für 114 Millionen c gegeben hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir kommen damit von einem Verkehrslandeplatz zu einem echten Regionalflughafen. Damit ist grünes Licht gegeben, und wir können durchstarten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Grün hat das wenig zu tun!)

Es hat eher etwas mit einer Ampel zu tun, aber das wollen Sie an dieser Stelle auch nicht hören.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden das Projekt jetzt schnell und zügig umsetzen. Das wird dazu führen, dass das neue Terminal schon im Frühjahr 2012 in Betrieb gehen kann.

Meine Damen und Herren, es geht ein wirtschaftlicher Impuls von diesem Projekt aus,ob Sie das nun wissen wollen oder nicht. Alles das, was Sie kritisieren, geht immer wieder auf das wirtschaftliche Konzept.

(Marjana Schott (DIE LINKE):Wo denn? An welcher Stelle?)

Dann gehen Sie bitte hin und nehmen zur Kenntnis, dass ein Unternehmen, das sich ansiedeln will, nicht fragt, ob der nächste Flughafen in Paderborn oder in Leipzig ist, sondern es fragt: Ist da oben in Nordhessen ein instrumententauglicher Flughafen, den ich erreichen kann, bei dem ich internationale Anbindungen habe, oder nicht? – Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie können neue Arbeitsplätze nicht einfach so wegwischen. So kann man es nicht machen.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Logistik eine Schlüsselbranche in Deutschland ist, eine Schlüsselbranche in Hessen ist. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass man auch alte Branchen weiterentwickeln kann, und die tun das, ob Sie das wollen oder nicht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Weltraumbahnhof!)

Wir können Nordhessen als Logistikdrehscheibe, als Chance begreifen und als Herausforderung annehmen. Wir können es wirklich schaffen, hier Luftfahrt, Schiene und Straße miteinander zu verbinden. Das geht an vielen Stellen in Deutschland nicht. Nordhessen hat hier ein Alleinstellungsmerkmal. Nehmen Sie das zur Kenntnis.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Kollege Lenders, es ist außergewöhnlich in der Aktuellen Stunde, aber der Fraktionsvorsitzende – –