Protokoll der Sitzung vom 24.06.2010

Der Preis wurde ihm aber insbesondere für das gewährt, was er durch die KSZE-Entwicklung entscheidend vorangetrieben hat.

(Beifall bei der SPD)

Zugleich wurde er ihm gewährt als einem visionären Europäer, ohne dessen Engagement – insbesondere zusammen mit Giscard d’Estaing – Europa nicht so weit gekommen wäre,wie wir heute sind.Er hat übrigens den Ecu eingeführt, als Vorbereiter der gemeinsamen Währung, und vieles mehr.

Das heißt: Helmut Schmidt wurde geehrt für die Entspannungspolitik, für Abrüstungspolitik und für eine Integrationspolitik der europäischen Staaten.

Herr Dr. Wagner, einen Satz zum NATO-Doppelbeschluss. Glauben Sie wirklich, diese organisierte und gesteuerte Friedensbewegung sei so mächtig gewesen, dass 500.000 Menschen im Bonner Hofgarten demonstriert haben?

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Glauben Sie wirklich, dass mehr als zwei Drittel der deutschen Bevölkerung ferngesteuert waren? Das waren alles Menschen, die sich sehr kritisch damit auseinandergesetzt haben, ob dieser Weg richtig ist und wirklich zum Ziel führt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Christean Wag- ner (Lahntal) (CDU): Hat Helmut Schmidt unrecht?)

Wir dürfen als Ergebnis festhalten, dass die Entwicklung hinging zu Abrüstung, dass der KSZE-Prozess eingeleitet wurde, dass der Prozess zu Reformen in den totalitären Systemen führte und dass letztlich entscheidende Löcher in die Mauer gebohrt wurden, die bisher undurchlässig war.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt das Spannende. Dass dieser Weg überhaupt begangen werden konnte, lag an einer klugen SPD/FDPgeführten Regierung.

(Beifall bei der SPD)

Nach meinem Kenntnisstand gab es zwei Institutionen, die die KSZE-Akte abgelehnt haben. Das war einmal Enver Hoxha aus Albanien, dieser Despot. Und dann war es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Kollege Quanz, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie hat sich verweigert, einen Entspannungsprozess einzuleiten, und sie hat sich verweigert, dass letztlich eine Entwicklung in Gang kam, die dazu führte, dass wir heute gemeinsam die Wiedervereinigung feiern dürfen. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr gut! Sehr guter Mann!)

Vielen Dank, Herr Kollege Quanz. – Das Wort hat Kollege Al-Wazir, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zuruf von der SPD: Die albanische Allianz!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als GRÜNE sind froh, dass es in Deutschland Demonstrationsfreiheit und das Recht zur freien Meinungsäußerung gibt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist kein Alleinstellungsmerkmal! Darüber sind alle froh! – Gegenrufe von der SPD: Ui!)

Ja,ich habe eigentlich nichts anderes erwartet,Herr Kollege Wagner. Ich wollte sagen: Ich bin froh darüber. Und dazu gehört auch, dass man Menschen das Recht zugestehen muss, zu demonstrieren, und zwar an 365 Tagen im Jahr, selbst dann, wenn es einem nicht gefällt, was sie sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Und deswegen sage ich: Willi van Ooyen kann sich mit wem auch immer zu Friedensfesten treffen,wann auch immer er will.Was mich an diesem sogenannten Friedensfest der Fraktionen der Linkspartei in Thüringen und Hessen gestört hat, ist das Motto „Schwerter zu Pflugscharen“. Denn man muss wissen,dass das das Motto der DDR-Opposition war. Und man muss wissen, dass – nicht in Hessen, und auch nicht Bodo Ramelow – in der Thüringer Linksfraktion noch etliche Abgeordnete sind, die auch zu DDR-Zeiten Funktionen hatten, und man muss wissen, was damals mit Leuten passiert ist, die dieses Motto benutzt haben.Das fanden wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anmaßend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU)

Ich kann mich sehr genau daran erinnern, wie Petra Kelly Anfang der Achtzigerjahre mit dem T-Shirt mit der Aufschrift „Schwerter zu Pflugscharen“ bei dem HoneckerBesuch war und was das mit der DDR-Führung gemacht hat. Ich finde, an dieser Stelle ist noch ein bisschen Geschichtsaufarbeitung zumindest in der Thüringer Linkspartei nötig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens finde ich, wenn wir hier schon bei der „Geschichtsstunde“ sind: Richtig ist, dass Helmut Schmidt Verdienste um die europäische Einigung und um den KSZE-Prozess hat. Dabei gehört auch zur historischen Wahrheit dazu, dass Helmut Schmidt natürlich das vollendete, was Willy Brandt begonnen hat. Das muss man in diesem Zusammenhang auch sagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Herr Wagner, es gehört eben auch dazu, dass die CDU/CSU in diesem Zusammenhang erbitterter Gegner war. Das Wahlkampfmotto hieß: Verzicht ist Verrat. Es wurde beantragt – das hat Helmut Schmidt in Point Alpha selbst gesagt –, dass er als Einziger neben dem albanischen Präsidenten nicht nach Helsinki zur Unterzeichnung der Schlussakte fahren sollte. In diesem Zusammenhang muss ich sagen, Herr Wagner: Wer zu Recht einfordert, dass alle ihre Geschichte aufarbeiten, der müsste bei sich selbst auch einmal damit anfangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Es gehört zur historischen Wahrheit ebenfalls dazu, dass der NATO-Doppelbeschluss aus guten Gründen hoch umstritten war, weil nämlich die Logik des immerwährenden Gleichgewichts des Schreckens und der immerwährenden Abschreckungs- und damit Aufrüstungsspirale sehr kritisch gesehen werden kann.Ich sage das sehr deutlich. Wir GRÜNE fanden das damals falsch, und wir finden immerwährende Aufrüstungsspiralen auch heute falsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Aber das sieht Helmut Schmidt anders!)

Ja, das sieht Helmut Schmidt anders. Deswegen leben wir in einer freiheitlichen Demokratie, Herr Wagner, damit man unterschiedliche Meinungen haben kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, wenn Sie Helmut Schmidt befragen würden, würden Sie hören,dass Helmut Schmidt selbst zugibt,dass das alles hochgefährlich war und dass er heute unglaublich froh darüber ist, dass es nicht zu irgendwelchen Missverständnissen kam; denn die Folgen wären grausam gewesen, und zwar in Ost und West.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wir sind alle froh!)

Ich glaube deshalb, dass wir am heutigen Tag zwei Dinge lernen können.

Erstens. Die Linkspartei muss nicht ständig auf jeden Apfelbutzen hüpfen,den andere ihr hinwerfen.Auch da wäre etwas mehr Selbstkritik angesagt.

(Zurufe von der FDP und der LINKEN)

Auf der anderen Seite sollten sich CDU und FDP einmal überlegen, was sie hier eigentlich an Aktuellen Stunden vielleicht ausnahmsweise mal zu den Inhalten ihrer Landespolitik beantragen würden, wenn es die Linksfraktion in diesem Parlament nicht gäbe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Noch ein Punkt. Ich glaube gar nicht, dass es an der hessischen Linksfraktion liegt.

(Leif Blum (FDP): So ein schwachsinniger Vortrag! – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie rufen das gerade dazwischen, Herr Wagner. Sie geben mir gerade recht.Wer vom 17. Juni 1953 spricht, aber

eigentlich an Nordrhein-Westfalen 2010 denkt, der wird dem 17. Juni 1953 ebenfalls nicht gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Abg. Greilich für FDPFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was meine beiden Vorredner hier vorgetragen haben,wird dem Thema dieser Aktuellen Stunde nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Es wird dem deswegen nicht gerecht, weil Sie auf relativ billige Art und Weise – das kündigte sich heute früh schon durch die Vorlage des Dringlichen Antrag der SPD an – das Thema des 17. Juni relativieren.