Protokoll der Sitzung vom 24.06.2010

Wenn die Landesregierung ihre Haltung vom Mai vorigen Jahres ernst nimmt, muss sie ihre Praxis ändern. Die Landesregierung muss mehr Kontrollen durchführen. Denn wie die Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Fund gentechnisch verunreinigten Maissaatguts von gerade einmal vor einer Woche zeigt: Immer wieder wird gentechnisch Behandeltes in die Landwirtschaft entlassen. Innerhalb

einer Woche mussten wir von der Aussage, in Hessen haben wir keine Verunreinigung, zu der Einsicht kommen, auch hier hat es Verunreinigungen gegeben.

Wir müssen auch die Züchter in die Pflicht nehmen. Es reicht nicht, nur zu kontrollieren, wenn nicht von vornherein garantiert wird, dass dieses Saatgut gentechnikfrei ist.

Zurzeit erleben wir eine ganze Reihe von Angriffen auf die gentechnikfreie Landwirtschaft: von der CDU/SPDLandesregierung von Sachsen-Anhalt, von der CDU/FDP-Bundesregierung und auch von der Gentechnikindustrie. Das Gentechnikgesetz wird vor dem Verfassungsgericht angegriffen, willkürlich wird die Amflora zugelassen, und der Wissenschaftsbeirat des unionsgeführten Landwirtschaftsministeriums will die Nulltoleranz aufheben.

Diese Angriffe auf die Nicht-Gentechnik-Landwirtschaft werden wir nicht hinnehmen. Es liegt jetzt an Ihnen, Haltung zu beweisen,Ihre Position vom Mai vorigen Jahres zu untermauern und die Bedenken der Bevölkerung ernst zu nehmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke sehr, Herr May. – Nunmehr darf ich Frau Kollegin Lannert für die CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die GRÜNEN aufgrund der beiden Genmais-Verunreinigungen im Kreis Darmstadt-Dieburg heute Morgen eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema eingereicht haben, verwundert uns wohl kaum. Das gibt ihnen leider wieder einmal Gelegenheit, mit Einseitigkeit, teilweise Polemik und Angstmacherei diesem zugegeben schwierigen Thema eine falsche Sichtweise zu verleihen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Ausführungen werden diesem Thema einfach nicht gerecht. Es gibt in dieser Frage nicht nur Schwarz oder Weiß.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist aber ein bisschen schwach!)

Ihre Fragen in der Kleinen Anfrage sind von der Ministerin sehr ausführlich beantwortet worden.Vielen Dank dafür.

Das Saatgut von zwei Landwirten in Hessen war mit in Europa nicht zum Anbau zugelassenem Genmais verunreinigt.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist ein Skandal!)

Das wissen wir. Dies ist ein großer wirtschaftlicher Schaden für die Landwirte, für die Betriebe.

Aber noch größer ist der Schaden für die Glaubwürdigkeit der Firma Pioneer. Das ist so.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir sagen deshalb auch ganz klar, dass dieses Unternehmen unseren Landwirten den Schaden unverzüglich ersetzen muss. Das ist keine Frage.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist ganz klar die Aufgabe des Unternehmens, dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, ich bin durchaus der Auffassung, dass wir über den Einsatz der grünen Gentechnik endlich eine sachliche Debatte auf solider wissenschaftlicher Grundlage führen müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir müssen sachliche Argumente austauschen und nicht ständig nur Angst und Unsicherheiten verbreiten. Die Empörung der Opposition über die Verunreinigung von Maissaatgut durch die in Europa nicht zugelassene gentechnisch veränderte Sorte ist hier völlig fehl am Platz.

(Dr.Thomas Spies (SPD): Sind Sie nicht empört?)

Aber wir teilen sie inhaltlich. Hessen hat im Verbund der Bundesländer ein solides Kontrollsystem.Ich spreche hier z. B. von der Flaschenhalskontrolle am Frankfurter Flughafen, mit der sich zeigt, dass die Kontrollen in Hessen genau am richtigen Punkt ansetzen. Es ist auch gut so, dass es immer mal wieder Verstöße gibt, denn das zeigt, dass wir am Ball sind, dass kontrolliert wird und dass wir uns auch nicht scheuen, Verstöße an den Pranger zu stellen und zu ahnden.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wäre noch mal schöner!)

Das Ergebnis der Saatgutüberwachung in diesem Jahr zeigt, dass die hessischen Vollzugsbehörden das gültige Überwachungskonzept auch zügig anwenden und damit Sicherheit für unsere Verbraucher und Landwirte herstellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Maispflanzen, die auf einer Fläche von 110 ha in Darmstadt-Dieburg ausgesät wurden, müssen noch vor der Blüte durch die Ausbringung eines Totalherbizides vernichtet werden, damit eine Ausbreitung über die Pollen vermieden wird. Das ist ein großer Schaden für unsere Landwirte. Das darf so nicht sein.

Klar ist aber auch: Das Saatgut hätte nicht ausgesät werden dürfen. Das eigentliche Problem liegt nämlich auf einer anderen Ebene. Die Nulltoleranzregelung der EU für dort nicht zugelassene GV-Sorten ist wohl nicht so praktikabel und muss praxisgerechter ausgestaltet werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Ich halte es bei einem Anbau von weltweit ca. 135 Millionen ha GVO-Pflanzen für eine Illusion, zu glauben, dass man sich in einer globalisierten Welt auf Dauer dieser Technologie verschließen kann. Das müssen wir wohl leider alle zur Kenntnis nehmen. Aber Verbote allein reichen hier nicht aus. Sie führen nicht zum Ziel. Deshalb sage ich: Eine Begleitung dieser Technologie ist in meinen Augen der einzig richtige Weg.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die Sojaproduktion besteht bereits heute zu 60 % aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Auch mit einem Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Hessen wird es die von der GRÜNEN-Fraktion beschwo

rene Gentechnikfreiheit so nicht geben können. Das Wichtigste und Entscheidendste sind ausreichende und transparente Informationen für die Verbraucher – gerade auch im Hinblick auf die Zusammensetzung von Lebensmitteln. Und hier ist auch der Bund gefordert. Das dürfen wir nicht vergessen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da sich gestern Morgen um 10 Uhr das Bundesverfassungsgericht mit der Prüfung des Gentechnikgesetzes befasst hat, welches einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz vor Gefährdung durch die Gentechnik und der Weiterentwicklung der Zukunftsbranche Biotechnologie dient, sollten wir vielleicht einmal das Urteil abwarten.

Abschließend will ich Folgendes noch einmal ganz deutlich sagen:Populismus und Angstmacherei sind keine gute Grundlage für zukunftsgerichtete und verantwortliche Entscheidungen in unserem Land. Die Einhaltung von deutschem Recht bei importierten Produkten muss selbstverständlich sein, ebenso wie ein ehrlicher Umgang beim Einsatz von gentechnisch veränderten Zutaten bei Lebens- und Futtermitteln. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Lannert. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Rede gerade eben hat mich hochgradig erschrocken.

(Zuruf von der CDU: Erschreckt! – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Von mir aus auch erschreckt. Ich mache hier keinen Sprachkurs.

Es geht einfach darum, Folgendes zu überlegen.Wenn wir keinen gentechnisch veränderten Mais haben wollen und wenn wir ein klein wenig wissen, wie das funktioniert mit den Pflanzen, dem Wind, den Blüten, den Bienchen und den Blumen, dann wissen wir, dass, wenn wir eine ganz kleine Toleranz einbauen, wir das, was wir angeblich nicht haben wollen, haben werden. Denn wir können das dann nicht verhindern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können die Ausbreitung nicht verhindern. Wir können das nicht wieder einsammeln.Wenn wir das nicht haben wollen, dann brauchen wir eine Nulltoleranz, und zwar eine absolute Nulltoleranz. Wir können uns nicht hierhin stellen und sagen:Wenn wir feststellen, dass es einen wirtschaftlichen Schaden gibt, weil ein Bauer sein Feld umpflügen muss, dann wollen wir diesen wirtschaftlichen Schaden vermeiden, und deswegen weichen wir von unserer Nulltoleranz ab.

(Zurufe von der CDU: Eieiei!)

Dann können wir doch das Ganze aufgeben. Dann können wir sagen: Bitte schön, bringt das Zeug aus, denn wir kriegen es sowieso, und zwar durch die Hintertür. Wir können das nicht verhindern, denn wir sind ja ach so tole

rant gegenüber Kleinstmengen. – Dann können wir das doch gleich lassen. Dann sparen Sie sich das scheinheilige Getue, dass Sie das nicht haben wollen. Dann geben Sie zu, dass es Ihnen egal ist. Das wäre eine gewisse Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung und den Verbrauchern.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist Ihnen offensichtlich egal.

Der Anbau von gentechnisch verändertem Mais ist nicht zufällig verboten. Er ist verboten, weil er unter anderem die Gefahr birgt, dass er gesundheitliche Schäden bei Menschen und Tieren hervorruft. Es ist eben nicht auszuschließen, dass er genau das macht. Wenn Sie das in Kauf nehmen wollen, sagen Sie das den Menschen bitte. Seien Sie so ehrlich, und sagen Sie ihnen: Wir nehmen in Kauf, dass da etwas ausgebracht wird, dessen Risiken wir nicht absehen können und von dem wir nicht wissen, was das mit Ihrer Gesundheit macht. Haben Sie den Mut, so ehrlich zu sein.