Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Ein solch großer Erfolg für Sie und für unser Land, den wir in den Grenzen unserer politischen Überzeugungen akzeptieren würden, wäre ein Haushaltsentwurf für das Jahr 2011 gewesen, der das Defizit des Landes in einem erträglichen Maß halten würde. Dass wir in diesen schweren Zeiten mit Konjunktureinbrüchen keine Nullverschuldung haben würden, ist völlig akzeptiert. Aber eine Nettoneuverschuldung von 2,8 Milliarden c, die dritthöchste, die wir je hatten, zu feiern und zu sagen, wir seien auf dem Weg der Konsolidierung, das bedeutet: Sie nehmen das Problem anscheinend nicht ernst genug.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Die Nettoneuverschuldung liegt bei 2,8 Milliarden c, obwohl Sie nach Länderfinanzausgleich Steuermehreinnahmen in Höhe von 270 Millionen c haben, obwohl Sie bei den Investitionen um 400 Millionen c gekürzt haben und obwohl Sie bei den Kommunen – dazu komme ich nachher noch – 400 Millionen c gekürzt haben. Trotz dieser Kürzungen und trotz der Mehreinnahmen bleibt am Ende ein Defizit in Höhe von 2,8 Milliarden c. Das macht deutlich, in welch problematischer Situation das Land Hessen ist.

Deswegen ist die Frage, ob der neue Finanzminister, ob CDU und FDP die Kraft haben, diese äußerst schwierige Situation zu lösen. Ein Blick in den Finanzplan gibt eine Antwort auf diese Frage. Der Finanzplan soll darlegen, wie sich die Landesregierung die Finanzentwicklung in

den nächsten Jahren, konkret bis zum Jahr 2014, vorstellt. Wenn man diesen Finanzplan liest, kann man nur sagen: Diese Regierung kapituliert, diese Regierung hat keine Lösung für die Finanzprobleme des Landes.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie planen verfassungswidrige Haushalte für die Jahre 2011, 2012, 2013 und 2014. Wenn wir all das zusammenrechnen, was an Nettoneuverschuldung geplant ist, stellen wir fest, dass die Schulden Ende 2014 – das ist nicht meine Zahl,das steht in Ihrem Finanzplan – bei 47,5 Milliarden c liegen sollen. Meine Damen und Herren, dann reden Sie noch von Konsolidierung.

Herr Dr. Schäfer, deswegen rate ich Ihnen, diesen Finanzplan zurückzuziehen.Er dokumentiert nämlich,dass diese Landesregierung verfassungswidrige Haushalte plant und dass die Verschuldung immer weiter gesteigert werden soll. Dieser Finanzplan ist ein finanzpolitischer Offenbarungseid.

Übrigens hat Ihr Vorgänger, Herr Weimar, immer von einer Trendwende gesprochen. Bei jedem Haushaltsplan hat er von einer Trendwende gesprochen. Jedes Jahr was es das Gleiche: Es gab keine Trendwende zum Positiven, sondern eine Trendwende in Richtung Verschuldung.

(Beifall bei der SPD)

Sollte dieser Finanzplan wirklich die Grundlage Ihrer Amtszeit sein, dann, mit Verlaub, sage ich: Auch ein Nachtwächter könnte die Finanzpolitik in diesem Land machen. Sie müssen gestalten, Sie müssen agieren, Sie müssen die Lage ernst nehmen, und Sie dürfen nicht einfach die Zahlen addieren und sagen: Das sind die Einnahmen, und da schreibe ich die Ausgaben fort.

So sieht dieser Finanzplan aus; das geht aus unserer Sicht nicht. Wir müssen agieren. Sie haben ein schweres Erbe; aber Sie müssen mit aller Kraft handeln. Im Finanzplan kommt zum Ausdruck,ob man überhaupt den Willen dazu hat. In diesem Finanzplan kommt zum Ausdruck, dass die Landesregierung eben nicht den Willen hat, zu konsolidieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte mich nun mit den Eckdaten des Haushaltsplanentwurfs 2011 auseinandersetzen. Das bedeutet eine Auseinandersetzung mit der Einnahmen- und der Ausgabenseite. Fangen wir mit der Einnahmenseite an. Wie schon gesagt worden ist, steigen die Steuereinnahmen nach dem Länderfinanzausgleich um 270 Millionen c. Damit liegen sie immerhin um 2,2 % über denen des Vorjahres, die aber, krisenbedingt, sehr niedrig waren.

Zusätzlich zu den konjunkturbedingten Steuerausfällen haben aber CDU und FDP die Einnahmen in den letzten Jahren kräftig ramponiert. Allein das berüchtigte Gesetz zur Förderung von Hoteliers kommt das Land und die Kommunen mit jeweils 160 Millionen c nächstes Jahr teuer zu stehen. Wenn Sie sagen, es habe Konjunkturimpulse ausgelöst, entgegne ich Ihnen: Es gibt Berechnungen, wonach genau das Gegenteil der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Etwa seit Ende der Neunzigerjahre haben wir Steuerausfälle in Höhe von über 25 Milliarden c zu verzeichnen. Daran hat leider auch Rot-Grün kräftig mitgestrickt. Manches war notwendig, um zu einer Reform der Unternehmensbesteuerung zu kommen; aber am Ende gab es

auch viele Übertreibungen, die aus unserer Sicht korrigiert werden müssen.

Aber eines ist völlig klar: Die Zeiten, in denen es Steuererleichterungen, insbesondere für Gutverdiener und Unternehmen, gibt, sind längst vorbei. Deshalb möchte die SPD die schwarz-gelben Steuervergünstigungen für Hoteliers und für große Unternehmen rückgängig machen. Ich rede von der Einnahmenseite. Wir wollen auch den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 % erhöhen – allerdings erst ab einer Grenze von 200.000 c bei Verheirateten. Immerhin kämen damit bundesweit 5 Milliarden c zusammen.Für das Land Hessen reden wir über 200 Millionen c an dieser Stelle.

Wir wollen auch wieder eine Vermögensbesteuerung einführen. Es gibt den Nachweis, dass Deutschland sehr niedrige vermögensbezogene Steuern hat, die deutlich unter dem OECD-Durchschnitt liegt. Wir wollen uns nur diesem Durchschnitt annähern.

Im Zusammenhang mit der Vermögensteuer gibt es einen Vorschlag der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – allerdings noch aus einer Zeit, als sie sozialdemokratisch regiert waren. Dadurch kämen bundesweit immerhin 10 Milliarden c zusammen.Allein auf das Land Hessen entfielen 800 Millionen c.

Zur Bekämpfung künftiger Spekulationen wollen wir über eine Finanzmarkt- und Finanztransaktionsteuer die Finanzmärkte wieder stärker regulieren und uns an den Einnahmen beteiligen. Zu der Finanztransaktionsteuer fällt mir an dieser Stelle ein: Das, was wir bei der Umsatzsteuer – bei ganz normalen Gütern – kennen, haben wir in diesem Bereich nicht.Wir würden also die Regelungen für den Finanzmarkt endlich mit der üblichen Besteuerung für Güter und Waren gleichstellen. Ich finde das nicht falsch.

(Beifall bei der SPD)

Ich rede weiter über die Einnahmenseite. Ich weiß, Sie von CDU und FDP reden nicht gern darüber.Aber wenn wir über die Situation des hessischen Haushalts reden, müssen wir auch darüber sprechen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir bekennen uns auch zur Grundwasserabgabe. Wir sehen sie als ein wichtiges Finanzierungsinstrument in der Umweltpolitik an.

Deswegen: Wer sich, wie CDU und FDP, immer darum herumdrückt, notwendige Steuern und Abgaben zu erheben, darf am Ende keine Krokodilstränen über die Situation auf der Einnahmenseite des Staates vergießen und sagen: Das ist eben so. – Die Landesregierung hat im Bundesrat vielmehr immer wieder daran mitgewirkt, die finanzielle Basis des Landes und der Kommunen zu zerstören. Das ist so; das muss man nüchtern feststellen.

Wer eine angemessene Staatstätigkeit finanzieren will,die Lösung der Bildungsaufgaben auf ein internationales Niveau heben und die notwendigen Mittel für Investitionen aufbringen möchte, kann angesichts einer enormen Staatsverschuldung nicht gleichzeitig leichtfertig und auch leichtsinnig Steuergeschenke versprechen.Die Menschen sind klüger, als manche denken. Die FDP erkennt das gerade.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun möchte ich mich mit der Ausgabenseite auseinandersetzen. Dazu gibt es von der SPD eine sehr differenzierte Einschätzung. Die Landesregierung ist mit dem Haushaltsentwurf endlich der Forderung der SPD nachgekommen, die sächlichen Ausgaben zu reduzieren. Wir haben das vier- oder fünfmal beantragt und immer von Ihnen allen gehört, es gehe nicht. Das sei unmöglich, man könne das nicht so hineinschreiben, das habe diese und jene Folgen – weiß der Kuckuck, was noch.

Es folgte also immer eine Ablehnung, als wir gesagt haben, die Einführung der Softwareprogramme und die ganze neue Verwaltungssteuerung seien völlig übertrieben.Außerdem wurden zu viele Beratungsleistungen eingekauft. All das wurde von CDU und FDP infrage gestellt.

Meine Damen und Herren, jetzt machen Sie das selbst. Wir kritisieren das nicht.Wir bedauern nur sehr, dass dies erst so spät erfolgt, während es doch viel früher hätte geschehen können.An dieser Stelle werden Sie von uns Zustimmung erhalten, wobei wir in dem einen oder anderen Bereich sogar noch Luft sehen.

Meine Damen und Herren,Sie senken die sächlichen Ausgaben und auch die konsumtiven Ausgaben insgesamt um 117 Millionen c.Das ist,wie gesagt,im Prinzip okay.Aber es gibt auch Kritik im Detail. Ich möchte heute zwei Punkte nennen, obwohl die sicherlich auch noch in den Etatberatungen eine Rolle spielen werden.

Zum einen geht es um die Zuschüsse in Höhe von 1,5 Millionen c für das Mittagessenprogramm für Schülerinnen und Schüler, die Sie streichen wollen. Es ist nicht sehr klug und, wie ich glaube, auch nicht sehr sozial, bei den Ärmsten der Armen sparen zu wollen, aber gleichzeitig für die European Business School Millionen Euro auszugeben. Das passt in der Tat nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Der Herr Ministerpräsident hat sich gestern dafür gelobt, dass es schon im Kindergarten Deutschunterricht gibt. Dann schauen wir in den Haushaltsplanentwurf und stellen fest, genau an dieser Stelle sollen 500.000 c gestrichen werden. Gestern wurde groß darüber geredet, und es wurde uns gesagt, dass wir einmal in den Haushaltsplanentwurf schauen sollten. Was finden wir da? – Streichungen. Auch dies halten wir für falsch. Gerade in den Kindergärten muss Kindern, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, geholfen werden. Das ist sozialpolitisch und auch bildungspolitisch eine völlig falsche Richtung, die hier eingeschlagen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte eigentlich einen Zwischenruf erwartet, wie wir das finanzieren wollen. Wir werden Ihnen dazu sicherlich Änderungsvorschläge vorlegen, die solide gegenfinanziert sind. Darauf können Sie sich verlassen.

Das Gleiche gilt übrigens auch für die Kürzung der Vertretungsmittel für Lehrerinnen und Lehrer. Einerseits stellen Sie mehr Lehrer ein,und andererseits streichen Sie Mittel, die den gleichen finanziellen Umfang haben.

Was wird die Folge sein? Am Ende werden Ihnen in den Schulen, in denen es die typischen Vertretungsfälle gibt – Krankheit usw. –, die Mittel fehlen, um helfen zu können. Sie haben also dort die wenigsten Löschmittel, wo es am stärksten brennt. Aus unserer Sicht ist das bildungspolitisch völlig verfehlt und nicht akzeptabel.

(Beifall bei der SPD)

Da ich nun schon bei der Ausgabenseite bin, will ich auch Kürzungsmöglichkeiten benennen. Schauen Sie einmal bei den privaten Eliteschulen nach,oder sehen Sie sich an, was CDU und FDP bei der European Business School vorhaben. Sie finden, dass da Summen stehen, die wir durchaus angehen können.

Oder schauen wir uns etwas anderes an: Die personelle Aufrüstung in den Ministerbüros und in der Staatskanzlei ist bundesweit einmalig. Sie ziehen immer einen Vergleich zu Rheinland-Pfalz. In Rheinland-Pfalz ist die Summe, wenn es um die politische Führung geht, viel niedriger. Allerdings werden die Kommunen mit eingerechnet. Wenn man das mit Rheinland-Pfalz pro Einwohner bezogen vergleicht, stellt man fest, in Hessen gäbe es Luft für eine Kürzung um 120 Millionen c. – Das nur zum Vergleich zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen, was die politische Führung betrifft, wenn es darum geht, wie teuer so etwas ist.

Wir sehen auch die geplanten Kürzungen bei den Investitionen kritisch. Das haben Sie verdreht. Sie haben gesagt: Jawohl, es ist akzeptabel, 400 Millionen c zu streichen. – Aber Sie müssen sich einmal entscheiden, ob 2011 noch ein Krisenjahr ist oder nicht. Das ist für die Frage der Interpretation hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit nämlich ganz wichtig.

Sie sagen: Im Jahr 2011 können wir die Investition ruhig herunterfahren. – Das ist nicht so. Wir halten das für falsch, zumal das neueste Bund-Länder-Ranking der „Wirtschaftswoche“ eines zeigt. Danach zeigt das Bestandsranking die zentrale Schwäche Hessens. Es gibt zu wenig öffentliche Investitionen. Das gilt sowohl für das Land als auch für die Kommunen.

Damit komme ich natürlich zu dem Punkt: Wie wirken sich die Streichungen, die Sie vorhaben, auf die kommunale Seite aus? – Die Investitionen werden noch weiter zurückgehen, obwohl dort hoher Investitionsbedarf ist. Sie werden mit Ihrer Haushaltspolitik die große Schwäche Hessens noch verschärfen.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu der zentralen Auseinandersetzung in den Haushaltsberatungen für das Jahr 2011. Ich habe es genannt. Dabei geht es um die Frage, wie Sie mit den Kommunen umgehen.

Sie haben vor, die Kommunen zum Ausfallbürgen Ihrer verfehlten Haushaltspolitik zu machen. Sie wollen ihnen knapp 400 Millionen c wegnehmen.Am Ende werden es 362 Millionen c sein.

Das ist, politisch gesehen, falsch. Das ist, wirtschaftspolitisch gesehen, dumm. Das ist völlig inakzeptabel und unserer Ansicht nach sogar verfassungswidrig.

(Beifall bei der SPD)

Schon heute sind die allermeisten Städte und Gemeinden nicht in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Sie haben erhebliche Defizite.