rascht mich schon. Ich glaube nicht, dass das ein Ausdruck Ihrer Unabhängigkeit ist, sondern vielmehr ein Ausdruck Ihrer Beratungsresistenz.
Bisher haben die staatlichen Konjunkturprogramme und die Maßnahmen der Gewerkschaften dazu beigetragen, die wirtschaftliche Auslastung der Unternehmen relativ stabil zu halten. In der ersten Hälfte dieses Jahres hat sich die Konjunktur sogar wieder belebt.
Statt aber dafür zu sorgen, dass die Arbeitsplätze in Hessen nachhaltig gesichert werden, indem die öffentliche Nachfrage und die Beschäftigung den zarten Aufschwung absichern, schlagen Sie uns ein gigantisches Kürzungspaket für die kommenden Jahre vor.
Damit gefährden Sie die ersten Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung und begeben sich auf eine finanzpolitische Geisterfahrt. Angesichts der mäßigen Erholung der amerikanischen Wirtschaft und der sich weiter vertiefenden Krise in einigen Ländern ist es fatal, dass der überraschende Aufschwung, den wir im Moment beobachten, fast ausschließlich vom Export getragen wird.
Die öffentliche und die private Nachfrage in den Staaten der Europäischern Union wird sich demnächst erheblich verringern, weil die Konjunkturprogramme auslaufen oder weil, wie in Griechenland, in Kauf genommen wird, dass die Krise durch Kürzungen in den öffentlichen Haushalten noch verschärft wird. Das wird sich auch auf den deutschen Export auswirken. Wir werden also im nächsten Jahr das Risiko haben, den Aufschwung aufgrund des Exportes durch das Spardiktat der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds schon wieder zu verlieren.
Die Konsequenz daraus müsste sein, auf Sozialabbau und Kürzungen bei den Investitionen in den Kommunen und in der Bildung zu verzichten und stattdessen die Ausgaben des Staates weiter zu erhöhen. Dabei würden Haushaltslöcher entstehen, das ist wohl richtig.Allerdings würden dabei auch Wachstumspotenziale entstehen, die im Zweifel deutlich größer als die Löcher wären, die gerissen werden, wenn man bei Bildung und sozialer Infrastruktur spart.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die hessischen Kommunen hatten bereits im Jahr 2009 aus dem Kommunalen Finanzausgleich 390 Millionen c weniger Mittel zur Verfügung. Das Land will die Abwärtsspirale nun weitertreiben. Diesmal wollen Sie den Kommunen 360 Millionen c pauschal wegnehmen, um den Landeshaushalt zu sanieren.
Eine Streichung im Kommunalen Finanzausgleich um über 12 % wäre unverantwortlich. Denn die Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres lässt befürchten, dass die kommunalen Steuereinnahmen erst im Jahr 2014 wieder auf dem Niveau vor der Krise liegen werden.
Hinzu kommt, dass der vorgesehene Einschnitt beim Kommunalen Finanzausgleich von der Landesregierung auch noch mit falschen Zahlen begründet wird. Sie behauptet, der Anteil des Landes an den Steuereinnahmen habe sich in den letzten Jahren zulasten des Landeshaushalts entwickelt. Das ist schlichtweg falsch. Tatsächlich schwankt der Anteil des Landes an den in Hessen verbleibenden Steuereinnahmen seit 1994 zwischen 48 und 52 %.
Einen Trend zugunsten der Kommunen kann man dabei keinesfalls feststellen. Offensichtlich ist es so, dass die Landesregierung bereit war, jede neue Steuersenkungsrunde mitzumachen. Jetzt ist sie aber nicht willens, dafür zu sorgen, dass die Einnahmen wieder steigen.
Auf die Spitze treiben Sie es aber damit, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf auch noch dabei bleiben, dass „weder die Aufgaben noch Ausgaben der Kommunen überproportional zugenommen“ hätten.Wenn Sie dies behaupten, müssen Sie auch zeigen, wo die Ausgaben der Kommunen jetzt um 12 % gesenkt werden können.
Die kommunale Investitionsquote sinkt seit mehr als einem Jahrzehnt kontinuierlich und liegt unter dem Niveau der kommunalen Investitionsquote in ganz Deutschland. Die Landesregierung scheint sich an das Motto „Hessen hinten“ gewöhnt zu haben.
Zunehmend werden diejenigen am stärksten belastet, die auf öffentliche Leistungen und die Infrastruktur angewiesen sind. Da geht es um die Busse, die Bahnen und die Bildung. Nur wer sich ein Kindermädchen privat leisten kann, ist nicht auf genügend bezahlbare Kindergartenplätze angewiesen.Mit Ihrer Politik gegen die Kommunen machen Sie also auch Politik gegen die Schwachen.
Deshalb unterstützen wir die Anliegen der Kommunalen Spitzenverbände. Sie sind jetzt mit ihren Vertretern gerade dabei, die Gerichte anzurufen. Wir stehen zu den Vertretern der kommunalen Ebene, die, wie beispielsweise der Landrat von der CDU,Robert Fischbach,sagen: Die Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Das wäre kein Konsolidierungs-, sondern ein Ruinierungsbeitrag.
Statt eines Moratoriums für die Kommunen, wie wir es schon vor einiger Zeit vorgeschlagen haben, wollen Sie nunmehr einen Fonds bilden, bei dem nicht klar ist, wer ihn letztlich finanziert. Herr Dr. Schäfer, ich habe Ihrem Vortrag entnommen,dass Sie,was die Kommunen angeht, so etwas Ähnliches betreiben wollen, wie es der Internationale Währungsfonds mit Griechenland macht. Meines Erachtens ist das nicht sehr deutlich herausgekommen. Aber es zeigt, wohin die Reise mit einem solchen Fonds gehen soll.
Ich fordere Sie auf, endlich einzulenken. Falls Sie dazu nicht bereit sind,kann ich nur hoffen,dass die Kommunen mit einer Klage vor dem Staatsgerichtshof, die sie bereits angedroht haben, Erfolg haben werden.
Was wir zur Gemeindefinanzreform hören, ist geradezu abenteuerlich. Die Kommunen werden von den Plänen der Bundesregierung, die Gewerbesteuer de facto abzuschaffen, bedroht. Diese Überlegung stammt vor allem aus dem Lager der FDP.
Auch das hessische Finanzministerium stellt untaugliche Überlegungen zur Reform der Gemeindefinanzen an. So gibt es beispielsweise den Vorschlag, die Grundsteuer zu reformieren. Angeblich soll dies aufkommensneutral geschehen. Tatsächlich würde das vorgeschlagene Modell dazu führen – das ist sicherlich gewollt –, dass vor allem Eigentümer besonders wertvoller Grundstücke und Immobilien entlastet würden.
Erstaunlich ist aber, dass die Gegenfinanzierung vor allem von Besitzern großer Flächen, also von den Landwirten, geleistet werden soll. Diese Vorschläge hätten bei einer Umsetzung zur Folge, dass die Hütten genauso hoch
wie die Paläste belastet würden.Das wäre also wieder einmal eine Steuervereinfachung mit einer sozialen Schieflage.
Alle diese Vorschläge hätten zur Folge, dass die Kommunen die Kürzungspläne der Landesregierung umzusetzen hätten. Die Drecksarbeit sollen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister machen. Sie dürfen dann die Politik „gestalten“.In Hessen heißt das,dass sie sich zwischen der Schließung des Schwimmbads und der Erhöhung des Eintritts entscheiden müssen, dass sie eine Mittelkürzung bei der Aidshilfe oder bei der Kinderbetreuung vornehmen müssen oder dass sie doch bei den lokalen Sportvereinen die Schere ansetzen müssen. Die Situation in Heidenrod hat Herr Kollege Schmitt als Beispiel schon vorgestellt.
Dabei haben die Kommunen in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben hinzubekommen, vor allen Dingen im Sozialrecht. Konnexität, also das Prinzip, dass der Besteller auch bezahlt, gehört in die Märchenstunde.
Der ehemalige Minister Banzer wollte sich bei der Mindestverordnung für die Kindertagesstätten an das Konnexitätsprinzip halten. Er versprach den Kommunen, die Kosten zu übernehmen.
Aber weder werden die Kosten vom Land übernommen, noch ist Herr Banzer Minister geblieben. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Regierungspolitik hier aussieht.
Auch die Hochschulen dürfen nicht mit den zugesagten Geldern rechnen. Einerseits kann es sich das Land zwar leisten, die private Elitehochschule European Business School in Wiesbaden mit insgesamt 50 Millionen c von Stadt und Land zu fördern. Andererseits werden den öffentlichen Hochschulen in dieser Größenordnung die Mittel gekürzt. Dabei ist es geradezu abenteuerlich, eine private Hochschule zu fördern, die bis zu 13.000 c Studiengebühren einnimmt. Wer so viel Geld übrig hat, der sollte doch besser Steuern zahlen und damit die öffentlichen Hochschulen finanzieren.
Doch statt für Bildung mehr auszugeben, wird bei den hessischen Hochschulen gespart. Sie wurden in einer beispiellosen Weise erpresst, die Kürzungen für die nächsten Jahre zu akzeptieren. Das geschah, obwohl jedem klar sein muss, dass wir in den nächsten Jahren mit deutlich mehr Studierenden rechnen müssen.
Inflationsbereinigt werden die hessischen Hochschulen deshalb bis zum Jahr 2015 fast 20 % weniger Geld pro Studierenden zur Verfügung haben, als es noch beim Amtsantritt von Roland Koch der Fall war.
Ich kann nur sagen: Fangen Sie endlich an, nachhaltig in die Zukunft zu investieren. Hören Sie endlich auch in der Bildungspolitik damit auf, Eliten auf Kosten der Allgemeinheit zu fördern.
Die geringe soziale Durchlässigkeit an hessischen Schulen ist erschreckend und zementiert die sozialen Verhältnisse.
Der Haushalt des Landes Hessen kann nicht über die Ausgabenseite konsolidiert werden, schon gar nicht jetzt in der Krise. Ich wiederhole mich gerne mit dem Hinweis, dass es nötig ist,die Einnahmen zu verbessern.Geld ist genug da.Wir müssen es dort holen, wo es reichlich vorhanden ist.
Das Land hat etwa die Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Das wäre leicht. Das ist kein radikaler Vorschlag, sondern ist eine Möglichkeit, die die CDU im Rahmen der Föderalismuskommission interessanterweise gemeinsam mit der SPD ins Grundgesetz geschrieben hat.
Umso erstaunlicher ist es dann, dass die beiden Fraktionen im Hessischen Landtag unseren Vorschlag ablehnen, die Grunderwerbsteuer auf 4,5 % zu erhöhen. Das würde immerhin Einnahmen in Höhe von etwa 100 Millionen c erbringen und würde nur eine relativ geringe Belastung derjenigen darstellen, die Grundstücke kaufen.
Allerdings sind wesentlich mehr als 100 Millionen c zusätzlicher Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer notwendig. Tatsächlich wäre es an der Zeit, endlich die Verursacher der großen Finanz- und Wirtschaftskrise an den Kosten zu beteiligen. Deshalb fordern wir die Einführung einer Börsenumsatzsteuer und einer Millionärsteuer.
Auch Börsenzocker,Vermögende und Banken müssen ihren Anteil beitragen. Wenn jetzt Banken wieder Milliardengewinne schreiben, dann gehören ihre Gewinne auch den Steuerzahler, da diese auch die Lasten tragen.
Die Frage ist also nicht, ob Banken oder Finanzspekulationen gesondert besteuert werden, sondern wie sie besteuert werden. Konkrete Vorschläge wie Tobin-Tax, die Finanztransaktionsteuer oder die Börsenumsatzsteuer liegen vor.
Angebracht wäre eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Großerbensteuer. Gerade die Erbschaftsteuer ist eine ideale Steuer. Denn die Steuer wird bei demjenigen erhoben, der etwas bekommt, ohne dass er dafür etwas getan hat.
Wir fordern auch die Wiederbelebung der Vermögensteuer durch eine Bundesratsinitiative. Wir haben 2007 durch eine Studie durchrechnen lassen, dass bei einem Freibetrag von 500.000 c und einem Steuersatz von 1 % auf Privatvermögen Hessen mehr als 1 Milliarde c zusätzliche Steuern in der Kasse hätte.
Es ist auch gerecht, dass bei einem Geldvermögen von 6,6 Billionen c in Deutschland und einer steigenden Vermögenskonzentration im oberen Zehntel der Gesellschaft der Staat die Vermögensverteilung wieder geraderückt. Die deutsche Besteuerung von Vermögen und Kapital sollte wenigstens auf ein europäisches Durchschnittsniveau gehoben werden.
Ich will auf Ihre schwäbische Hausfrau eingehen. Jede schwäbische Hausfrau wüsste, wenn sie in der Situation des Finanzministers wäre, dass jetzt nicht das große Sparen angesagt ist. Denn wenn der Putz von der Decke fällt, die Türen schlagen und das Dach undicht ist, wird sie investieren, weil sie ihren Kindern keine Bruchbude hinterlassen will. Wenn zu wenige Lehrer da sind und in die Kasse immer weniger Geld kommt, muss man die Einnahmen erhöhen und jetzt investieren.
Damit wir aber tatsächlich die Handlungsfähigkeit der Kommunen zurückgewinnen, brauchen wir eine Steuersenkungsbremse. Wir fordern Sie daher auf, in die Hessische Verfassung eine Regelung einzufügen, die es untersagt, dass Steuern und Abgaben gesenkt werden, wenn nicht eine entsprechende Gegenfinanzierung durch höhere Einnahmen an anderer Stelle vorgesehen ist.