Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Wenn ich vom Dialog mit dem Fachleuten spreche, darf ich auch darauf hinweisen, dass der damalige Ministerpräsident schon sehr früh eine Mediatorengruppe gebildet hat und dass diese Mediatorengruppe sehr bewusst parteiübergreifend zusammengesetzt war. Sie hat zwölfmal getagt und abseits der Tagespolitik – allerdings orientiert an den demografischen Herausforderungen – die richtigen Schlussfolgerungen wortwörtlich erarbeitet. Deshalb danken wir auch parteiübergreifend dem OB Dette,FDP,den früheren Ministern von Plottnitz,BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN, Bohl, CDU, und Klemm, SPD, für diese sicher nicht einfache, aber wichtige Arbeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nachdem die dort gefundenen Ergebnisse zusammengefasst und präsentiert wurden, wurden natürlich alle Landtagsfraktionen sofort informiert; teils durch einen mündlichen Zwischenbericht, teils abschließend durch die Vorlage des Papiers.

Dann begann die nächste Phase, nämlich die stufenweise Umsetzung dieser Dienstrechtsreform. Denn hoffentlich weiß mittlerweile jeder – auch wenn es nicht jeder in seinen Redebeiträgen verarbeitet –, dass das, was uns heute vorliegt, die erste Stufe des Dienstrechtsreformprozesses ist. Es werden weitere folgen.

Warum hatten wir in der Vergangenheit und haben auch heute diese erste Stufe zu diskutieren? – Weil wir als die die Regierung tragenden Fraktionen gesagt haben, dass wir die Betreffenden – meinetwegen auch die „Betroffenen“ – rechtzeitig informieren wollen. Denn die aus unserer Sicht notwendige Erhöhung des Pensionsalters, welches sich am Renteneintrittsalter anderer Bevölkerungskreise orientiert, soll eben nicht von heute auf morgen, sondern in einem Zeitraum von 2012 – und da muss man genau zuhören – bis 2029 umgesetzt werden. Das soll den Betreffenden rechtzeitig und nicht erst am 31.12.2011 mitgeteilt werden.

Es stellt mit Sicherheit keine Menschenrechtsverletzung dar, wenn man sich in diesem Zeitraum darauf einstellen kann,dass man zunächst einen Monat pro Jahr und später, in der Schlussphase, zwei Monate pro Jahr länger arbeiten muss, als dies ursprünglich der Fall war.

Wenn von der Wochenarbeitszeit gesprochen wird,geht in der Diskussion häufig unter, dass diese nicht par ordre du mufti auf 42 Stunden festgelegt ist, sondern sehr wohl gestaffelt ist: Bis zum 50. Lebensjahr sind es in der Tat 42 Stunden, vom 51. bis zum 60. Lebensjahr 41 und ab dem 61. Lebensjahr 40 Stunden.

Gerade die LINKEN vergessen immer wieder, dass wir in Hessen – wie nirgendwo sonst in Deutschland und auch nicht beim Bund – 33 Urlaubstage im Jahr für unsere Beamten bereitstellen.

Wir wissen, dass die Lebensarbeitszeit auch andernorts diskutiert wird. Die EU diskutiert derzeit eine Heraufsetzung auf 70. Das wollen wir nicht. Aber Sie – die Sie diesen Antrag eingebracht haben – geben keine Auskunft darüber, wie es aus Ihrer Sicht funktionieren soll, wenn man nach Ihrem Lebensmodell, so vermute ich, mit ungefähr 30 in den Beruf geht, dann bestenfalls 30 Jahre lang einzahlt und dann 30 Jahre lang Pension bezieht. Das ist zwar ganz schön, aber Sie bleiben die Antwort auf die Frage schuldig, wie das finanziert soll. Wer das tut, ohne dafür eine Finanzierung zu haben, der enteignet die Enkelgeneration. Das geht mit uns nicht.

(Beifall bei der CDU)

Sie geben keine Antwort auf die Frage, wie das finanziert sein soll. Sie denken in Fünfjahresplänen – die sind schon andernorts gescheitert –, wir denken an die nächste Generation.

Daher ist der Vorschlag der Koalitionsfraktionen in der Tat der richtige Weg. Er führt auch, zusammen mit dem, was die Landesregierung in weiteren Stufen vorstellen wird, zu einer Modernisierung des Dienstrechts.

Dadurch können sich die Betroffenen darauf einstellen, ich habe bereits darauf hingewiesen. Dadurch leisten wir einen Beitrag zur Abfederung dessen, was aufgrund des demografischen Wandels auf uns zukommt.

Dadurch leisten wir auch einen Beitrag zu einem Mehr an Gerechtigkeit zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft. Wie es die Große Koalition in Berlin zum Thema Renteneintrittsalter beschlossen hat, werden wir dies auf den öffentlichen Dienst übertragen. Dadurch, und auch das wird vergessen, steigern wir schon in dieser ersten Stufe der Dienstrechtsreform die Flexibilität, auch bezüglich der Zuverdienstmöglichkeiten im Pensionsalter oder auch des früheren oder des späteren Eintritts in das Pensionsalter.

Es ist absoluter Quatsch, wenn man sagt, die Mitwirkungsrechte der Gewerkschaften seien umgangen worden.

Es gab den Kongress, von dem ich gesprochen habe. Es gab die Mediatorengruppe, die ebenfalls mit den Gewerkschaften gesprochen hat. Es gab eine Anhörung unseres Gesetzentwurfs, des Koalitions-Gesetzentwurfs, den wir eingebracht haben, und da gab es auch entsprechende Stellungnahmen der Gewerkschaft. Es wird auch noch weitere Diskussionen geben.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist die Rechtsgrundlage! Das ist nichts Besonderes!)

Insgesamt ist das, was hier präsentiert wurde, ein populistischer Antrag. Er ist überflüssig; denn all das, was darin von den LINKEN angesprochen wurde, ist bereits in den Diskussionsprozess eingeführt. Das wird dort auch weiter diskutiert werden.Insofern ist das eine populistische Zeitverschwendung, die weder der Sache dient, noch die Dienstrechtsreform, die dringend notwendig ist, nach vorn bringt. Wir arbeiten daran, und wir werden erfolgreich sein. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg.Dr.Frank Blech- schmidt (FDP))

Herzlichen Dank, Herr Bellino. – Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Günter Rudolph das Wort. Bitte schön,Herr Rudolph.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind jetzt mindestens drei Fraktionen, die sagen, wir haben uns alle lieb. Das kann man so machen; schauen wir einmal, was dabei am Schluss herauskommt.

Ich bin trotzdem dafür, politische Unterschiede, wenn sie denn da sind, klar zu benennen – und beim Thema Dienstrechtsreform sind sie evident. Das dient der Klarheit in der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Dann mag der Wähler, die Wählerin am Schluss entscheiden, welches das richtige Konzept ist. Die Einheitssoße wird jedenfalls so nicht funktionieren.

Herr Bellino, manchmal ist es ja gut, wenn man nicht aus der öffentlichen Verwaltung kommt. Möglicherweise ist man dann nicht betriebsblind. Wenn man aber so gar keine Grundstrukturen kennt, nach denen eine Verwal

tung arbeitet, ist es ganz schlecht. Denn dann kann man sich gar nicht vorstellen, wie die Abläufe in der Verwaltung sind.

Insofern empfehle ich Ihnen: Gehen wir einmal gemeinsam in Dienststellen und schauen uns an, wie das da läuft. Das ist nicht so, wie Sie das in CDU-Versammlungen diskutieren. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verändert.

(Widerspruch des Ministers Boris Rhein – Günter Schork (CDU): Was wissen Sie denn, wie wir in CDU-Versammlungen diskutieren?)

Ach, lieber Kollege Schork, das ist doch hinlänglich bekannt.

Die Mediatorengruppe, die hier so sehr gelobt wurde, bestehend aus sicherlich honorigen Abgeordneten und ehemaligen Ministern aus verschiedenen Parteien, hat in der Tat einen Mediatorenbericht vorgelegt.Er hatte zum Ziel, dafür zu sorgen, dass die hessische Verwaltung ein eigenständiges, leistungsorientiertes und den Zukunftsaufgaben gerecht werdendes Dienstrecht erhält.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Ansatz ist richtig und notwendig. Es ist ein allgemeiner Ansatz. Die Frage ist jetzt aber:Warum macht die Hessische Landesregierung nicht das, was die Mediatoren hier gefordert haben?

Der Bericht stammt vom Dezember 2009. Herr Innenminister Rhein, warum bringt die Landesregierung zu einem so wichtigen Bereich der Innenpolitik keine Gesetzentwürfe ein? Warum machen das Koalitionsfraktionen? Diese Frage müssen Sie sich stellen lassen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Natürlich ist es völlig zulässig,dass Sie Gesetzentwürfe für Koalitionsfraktionen schreiben. Freundlicherweise haben Sie auch uns angeboten, das zu tun. Wir müssen das aber ablehnen; denn sonst wissen Sie schon gleich, was wir wollen. Deswegen können wir dieses Angebot nicht annehmen. Das ist klar.

Es ist aber die Aufgabe der Regierung, ihren Job zu machen.Was Sie hier tun, ist Arbeitsverweigerung.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Es gibt nur einen Grund, warum Sie für die Koalitionsfraktionen Gesetzentwürfe schreiben: Sie wollen die Verfahren beschleunigen.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Wenn hier angekündigt wird, es gibt weitere Gesetzentwürfe – warum legen Sie nicht einen Gesetzentwurf zur Dienstrechtsreform als einen großen Wurf vor,in dem alle Elemente enthalten sind, die notwendig sind?

Sie haben sich jetzt etwas herausgegriffen, und ich nehme an, das hat wahltaktische Gründe. Das ist alles zulässig, aber es muss benannt werden.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Die Erhöhung des Lebensalters wollen Sie möglichst weit vor den nächsten Wahlen durchboxen. Das kann man tun, aber Sie sind an dieser Stelle erwischt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das haben wir doch schon gemacht!)

An diesem Punkt verstecken wir uns nicht vor der Diskussion. Ja, die gesellschaftliche Diskussion über das Lebensalter findet statt. In der gesetzlichen Rentenversicherung haben wir das Eintrittsalter erhöht. Diese Diskussion ist nicht unumstritten. Wir sagen dazu: Das hat die Große Koalition beschlossen, und jetzt muss es evaluiert, überprüft werden. Diesen Prozess fordern wir ein.

Deswegen kann man nicht isoliert einfach sagen, wir erhöhen das Pensionseintrittsalter auf 67.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, dabei geht es um eine Belastung. Das gilt auch für andere Teile der Gesellschaft.

Wir lehnen das nicht pauschal ab. Das ist der einzige Hinweis in Richtung der Kollegen von den LINKEN. – Ich will mich nicht so sehr an Ihnen abarbeiten, denn Sie sind hier nicht mein Hauptstreitpunkt, sondern das sind CDU, FDP und die Landesregierung. In der Tat machen Sie es sich ein bisschen einfach: Geld ausgeben ist die eine Sache, aber, Herr Kollege Schaus, wir haben eine Gesamtverantwortung für staatliche Einnahmen und Ausgaben, nicht nur für die Ausgaben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Zu- ruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Aber das ist die einzige, eher freundliche Bemerkung in Ihre Richtung – mein Widerpart sitzt hier oben links und rechts von mir.

Natürlich sprechen wir über Belastungen. Der Kardinalfehler bei dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, ist:Sie haben es versäumt,die Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen.