Ich bin Frau Kollegin Öztürk sehr dankbar. Sie hat ihre Rede mit Grüßen an die muslimischen wie auch an die jüdischen Mitbürger beendet. Ich hätte das genauso getan und sage namens der Landesregierung: herzlichen Glückwunsch und viel Freude beim jüdischen Neujahrsfest und bei den Feierlichkeiten zum Ende des Ramadan.
Auch das gehört zu dieser Debatte.Herr Kollege Merz hat das gesagt. Es ist unerträglich, was derzeit in Amerika von einer Minderheit für den 11. September 2010 geplant wird. Auch das gilt es namens der Landesregierung im Hessischen Landtag zu verurteilen.
Ich rede von Respekt. Ich rede von der Würde des Menschen, die unantastbar ist. Ich finde, wir sollten deshalb in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, was mit einer Frau im Iran geschehen soll, die derzeit im Gefängnis ist. Auch das ist unerträglich und muss verurteilt werden.
Ich sage: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut. – Kurt Westergaard, der dänische Karikaturist, hat in Anwesenheit von Joachim Gauck gestern aus der Hand unserer Bundeskanzlerin in Potsdam einen Medienpreis erhalten. Das ist eine ehrliche Auszeichnung für einen ehrlichen Menschen. Auch das muss im Hessischen Landtag gesagt werden.
Warum muss es das? – Es muss das, weil zu alledem, was wir als Staat und Kommunen oder als politische Parteien organisieren und was wir mit Willkommenskultur umschrieben haben und was der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung am Dienstag noch einmal aufgegriffen hat, etwas hinzukommen muss, dass man tabufrei die Rechte unseres Grundgesetzes verteidigt.
Ich kann es nicht ertragen, dass ich gestern Abend im Fernsehen gesehen habe und heute in der Zeitung gelesen habe, dass der Zentralrat der Muslime diese Ehrung mit
Die verschiedenen Gesellschaften in Hessen und in Deutschland müssen aufeinander zugehen. Das heißt doch Folgendes: Bitte werfen wir die Tabus weg, die wir meinen aufstellen zu müssen.Ich habe damit mit den Worten von Herrn Dohnanyi gesprochen. Gehen wir ohne Scheuklappen links und rechts an den Augen an die Arbeit. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Staatsminister Hahn, herzlichen Dank. – Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache zu den Tagesordnungspunkten 54 und 56 beendet.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Rassismus in Arztpraxen zurückweisen) – Drucks. 18/2785 –
Ich möchte der Debatte einen Ausspruch des Namensgebers der Frankfurter Universität voranstellen, der einmal gesagt hat:
Ich befürchte, wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir alle zusammen das von ihm Geforderte tun und jede weitere Eskalation zurückweisen müssen.Anlass für die heutige Aktuelle Stunde war, dass dieser Tage ein Allgemeinpraktiker auf dem platten Lande in seiner Praxis Spielregeln ausgehängt hat. Ihm sei, so sagte er, wegen seiner Probleme bei der Behandlung muslimischer Patienten der Kragen geplatzt. Deswegen wollte er sich weigern, Frauen mit Kopftuch zu behandeln, wobei sich diese Weigerung ausdrücklich auf Muslime beschränkte. Ebenso wollte er keine kinderreichen islamistischen Familien mit mehr als fünf leiblichen Kindern mehr zulassen. Und Grundkenntnisse der deutschen Sprache würden zwingend vorausgesetzt.
Ich bin froh, dass die Kassenärztliche Vereinigung so rasch und unmissverständlich eingeschritten ist. Eine vergleichbare Klarheit hätte ich mir auch vom hessischen Minister für Integration gewünscht;
denn allein unglücklich war die Reaktion des betreffenden Arztes keinesfalls. Herr Minister, man könnte Sie so verstehen, als ob diese nur eine angemessene Reaktion auf ein berechtigtes Anliegen gewesen sei. Aber was könnte dieses berechtigte Anliegen sein? – Ich fürchte mich davor, darauf eine Antwort zu bekommen. Würde dieses Beispiel Schule machen, wären getrennte Parkbänke, Verkehrsmittel, Restaurants der nächste logische Schritt hin zu einer rassistisch orientierten öffentlichen Ordnung in Hessen.
Der Arzt auf dem Land erklärt, mit der Diskussion um Thilo Sarrazin habe sein Verhalten nichts zu tun. Aber seine Aktion passt wunderbar zu der unsäglichen Generalisierung der letzten Tage, ausgelöst durch Sarrazins verkaufsträchtige Äußerung. Wir haben heute schon viel dazu gesprochen. Wir müssen konstatieren, dass mit der Unterstützung von Sarrazin seit Wochen und Monaten wieder einmal eine vermeintliche Überfremdung diskutiert wird.
In der Bevölkerung kursieren die abenteuerlichsten Gerüchte darüber, wie ein imaginäres islamistisches Netzwerk weltweit nach Macht und Einfluss strebt. Muslimische Einwanderer, so wird unterstellt, wollten anderen ihre Kultur aufzwingen. Nichts von alledem wird jemals durch Fakten und Beweise unterlegt, weil es die einfach nicht gibt. Es wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass man sich natürlich nicht gegen sogenannte integrationswillige Muslime und Einwanderer wendet. Aber es bleibt dabei, dass mit diesen Reden ein Gespenst herbeigeredet wird, latent vorhandene Aggressionen so angeheizt werden.
Rassismus im Alltag unterhalb der Schwelle von täglicher Gewalt sowie strukturelle Diskriminierung etwa im Bildungsbereich oder auf dem Arbeitsmarkt finden sich nicht nur im rechtsextremen Lager, sondern inzwischen wieder in der Mitte unserer Gesellschaft. Das auch deshalb, weil im Einwanderungsland Deutschland nicht genügend und nicht genügend breit über Rassismus und seine gegenwärtige neue Erscheinungsform, die Islamfeindlichkeit, gesprochen und gemeinsam darüber nachgedacht wird, wie man ihr begegnen kann. Da haben wir im Landtag Verantwortung. Dazu müssen wir dringend aktiv werden.
Meine Damen und Herren, es ist wahr, wir haben ernsthafte Probleme in diesem Land. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist weit verbreitet. Und das hat seine Gründe in der Zunahme prekärer Beschäftigung, der Not der öffentlichen Haushalte und der menschenunwürdigen Hartz-IV-Praxis. Der allgemeine Anpassungs- und Leistungsdruck steigt.Vor diesem Hintergrund sagen viele,die Einwanderer seien in guten Zeiten gekommen und müssten jetzt in den schlechten wieder gehen.
Dabei ist genug Geld vorhanden. Es gibt in Deutschland weiterhin die Möglichkeit, dass alle hier lebenden Menschen ein Leben in Würde und ohne Existenzängste führen könnten. Der eigentliche Skandal ist doch, dass Banker und Spekulanten in den Krisenjahren mehr staatliche Transferleistungen erhalten haben als alle Arbeitslosen zusammen. Diese Tatsachen sind dank Sarrazin erst einmal aus den Schlagzeigen verschwunden.
Wir haben inzwischen genügend Warnsignale erhalten. Hysterie und Panikmache müssen vermieden werden.Die Menschenwürde und die Persönlichkeitsrechte aller hier lebenden Menschen müssen geachtet und geschützt werden. Auf das Schüren von Ressentiments müssen wir mit Vernunft und Aufklärung reagieren, vor allem mit politischen Maßnahmen und Weichenstellungen, die diese tatsächlichen Nöte der Menschen lindern. Dann wird schnell genug klar, dass die Kleider, die Gewohnheit oder die Sprache unserer Nachbarn keine Bedrohung darstellen oder gar das Ende des Abendlandes bedeuten würden. DIE LINKE wird sich auch zukünftig für eine breite Dis
kussion über das Verständnis von Integration und Rassismus in Hessen verantwortlich zeigen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich möchte zu Beginn das aufgreifen, was Kollege Schäfer-Gümbel am Dienstag in seiner Aussprache zur Regierungserklärung gesagt hat, und noch einmal darauf hinweisen, dass wir vor zwei Wochen eine der, wie ich finde, interessantesten und produktivsten Sitzungen unserer Enquetekommission „Integration und Migration in Hessen“ gehabt haben, in der wir sehr sachlich und auch sehr vertiefend auf die Probleme und auch die Chancen von Zuwanderung auf dem Arbeitsmarkt und für die Wirtschaftssysteme diskutiert haben.
Auch mir ist aufgefallen, dass von den Medienvertretern keiner anwesend war und niemand berichtet hat,während am gleichen Tag das Thema Sarrazin in den Medien rauf und runter diskutiert wurde. Offensichtlich hat das den Grund darin gehabt, dass das Thema einfach die knalligeren und knackigeren Überschriften versprochen hat und das andere eben komplizierter war. Ich weiß es nicht.Auf jeden Fall ist uns das gemeinsam negativ aufgefallen.
Deswegen hat Frau Cárdenas recht, diese Angelegenheit des Arztes aus Wächtersbach passt natürlich dazu. Dieser Arzt hat in seiner Praxis Verhaltensregeln formuliert, die sich gegen die sogenannten islamistischen Großfamilien und gegen verschleierte Patientinnen richten. Wieder haben die Medien ganz groß darüber berichtet. Sogar das Fernsehen war da. Heute beschäftigt sich der Hessische Landtag mit dieser Thematik. Ich habe allerdings das Gefühl, alle sind irgendwie verrückt geworden. Was ist denn los?
Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Auch wir weisen diese Praxis und das Vorgehen des Arztes natürlich zurück. Wir sind alle in diesem Haus einig: So etwas geht gar nicht. – Deswegen können wir diesen Punkt relativ schnell abhandeln. Es ist klar, dass wir in Deutschland auch aufgrund der Vergangenheit bei diesem Thema sehr sensibel sind, und das ist auch richtig. Dennoch sollten wir bei diesem Thema nicht sofort reflexartig in Hysterie verfallen, sondern wie die Causa Sarrazin auch diese Causa sachlich und nüchtern diskutieren.
Ich finde nämlich, eines ist interessant. Offensichtlich müssen wir bei unserer Integrationspolitik nicht nur die großen Baustellen wie Arbeitsmarkt und Schulsystem beachten, sondern auch die Nebenbereiche wie das Gesundheitssystem. Offensichtlich brauchen wir in diesem System mehr interkulturelle Kompetenz sowohl bei Ärzten und deren Angestellten als auch bei den Patienten. Ganz
klar: Allein schon die Wortwahl „islamistische Großfamilie“ zeigt für mich eindrücklich, dass es dort oftmals schon an Begrifflichkeiten hapert. Denn was sind „islamistische Großfamilien“?
Insofern wäre es – ich denke, darüber müssen wir einmal reden – durchaus interessant, zu erfahren, was passiert ist, das den Arzt zu dieser Maßnahme verleitet hat, was für Zustände in der Praxis geherrscht haben. Es kann ja sein, dass er irgendwie schlechte Erfahrungen gemacht hat. Ich weiß es nicht.Er hat sich mittlerweile entschuldigt und zugegeben, dass er über das Ziel hinausgeschossen ist und dass es keine Absicht war, irgendwelche Religionsgemeinschaften zu beleidigen. Das Ziel war wohl, einen geordneten Praxisablauf zu gewährleisten.
Ich finde interessant, dass mittlerweile der Vorsitzende des türkisch-islamischen Kulturvereins von Wächtersbach gesagt hat, dass er das auch verurteilt, aber dass das mit der Entschuldigung für ihn erledigt sei. Ich finde es positiv an dieser ganzen Geschichte: Mittlerweile sind Gespräche mit dem Arzt und dem türkisch-islamischen Kulturverein vereinbart worden.Beide Seiten wollen darüber diskutieren, wie man in Zukunft diese Missverständnisse und Probleme vermeiden kann und wie in Zukunft der Praxisablauf besser gewährleistet werden kann. Ich finde, das ist in solchen Fällen genau die richtige Herangehensweise.
Das zeigt für mich, dass die Bürger vor Ort oft weiter sind als Politik und Medien; denn sie sind offenbar viel stärker bereit, als wir das wahrnehmen, vor Ort konstruktiv und sachlich über die Lösung der Probleme zu diskutieren. Daran können wir als Politik uns öfter ein Beispiel nehmen. – Vielen Dank.