Nach unserer Auffassung – damit komme ich zu unserem Gegenkonzept – muss Selbstständigkeit, muss selbstständiges Handeln einer Schule generell verbunden werden mit einer demokratisch legitimierten Entscheidung der gesamten Schulgemeinde. Die Lehrergewerkschaft GEW spricht in diesem Zusammenhang von einer demokratisch verfassten Schule. Nicht nur das, sie muss immer auch eingebunden sein in eine gemeinsame regionale Planung, um Benachteiligungen einzelner Schulen auszugleichen. Das heißt, wir brauchen unbedingt eine regionale Steuerung, statt die einzelnen Schulen in eine Konkurrenz untereinander um knappe Ressourcen zu bringen.
Wir brauchen auf allen Ebenen zwischen den Schulen und innerhalb der Schulen mehr Kooperation statt Wettbewerb, mehr Team-Teaching statt interner Rankings.
Die Schulaufsicht sollte sich gegenüber den Schulen als Unterstützungssystem präsentieren, nicht als Kontrollinstanz. Schulleiterinnen und Schulleiter sollten ihre Schule weiterhin kollegial und mit pädagogischem Blick leiten, statt zu Managern zu mutieren, ebenso wie sich Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Rolle als Unterstützer, Anreger und Begleiter von Lernprozessen verstehen sollen, denn als Unterrichtsbeamte. Die gesamte Schulgemeinde von Lehrerschaft, Schüler- und Elternschaft darf nicht entmündigt werden, sondern muss im Gegenteil ermuntert werden, an der Gestaltung von Schule aktiv mitzutun und
Ich möchte nicht, dass es demnächst statt: „Bildung ist ein Menschenrecht“, heißt: „Bildung ist teuer, Bildung ist käuflich, und Bildung zu kaufen ist ein Kundenrecht“.
Völlig unterrepräsentiert war in Ihrer Rede das Thema Inklusion. Frau Habermann hat das schon sehr deutlich gesagt. Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention versagt die Landesregierung bislang auf ganzer Linie. Es fehlt offensichtlich jegliche Vorstellung, wie der Anspruch von Kindern mit Behinderungen, in einer Regelschule angemessen unterrichtet und gefördert zu werden, verwirklicht werden soll. Frau Henzler, in meiner Erwiderung auf Ihre Regierungserklärung im vergangenen September habe ich meine Enttäuschung über dieses Versagen der Landesregierung zum Ausdruck gebracht. Ich halte es immer noch für dringend erforderlich, dem Thema Inklusion eine eigene Regierungserklärung zu widmen. Dass Sie heute diesem zentralen Thema der aktuellen bildungspolitischen Debatte so wenige Worte gewidmet haben, ist beschämend.
Ich wiederhole meine Fragen aus dem vergangenen Herbst: Wo und wie schaffen Sie die angemessenen Vorkehrungen, um die Entscheidung der Eltern, ihr behindertes Kind gemeinsam mit anderen in der Regelschule unterrichten zu lassen, zu unterfüttern? Wo bleibt die Gewährleistung der Chancengleichheit für behinderte Menschen? Wann rüsten Sie die Regelschulen dahin gehend aus, dass ein gemeinsamer Unterricht für alle umgesetzt werden kann? Wann erhält die Inklusion ihren Stellenwert in der normalen Ausbildung sowie in der Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte?
Viele Kindertagesstätten haben sich bereits – hier trifft die Bezeichnung wirklich zu – „selbstständig“ auf den Weg der Inklusion gemacht. Inklusion zielt nicht nur auf behinderte Kinder ab, sondern sie umfasst auch lese- und rechenschwache Kinder sowie Kinder, die sich nicht konzentrieren oder ausreichend sozial anpassen können. Ebenso umfasst Inklusion Kinder aus sozial schwachen Familien, aus bildungsfernen Familien, Kinder mit anderem kulturellen Hintergrund, Kinder von Alleinerziehenden,die ganztags arbeiten gehen müssen.Kurzum,sie zielt besonders auf Kinder ab, die in der Familie kein ausreichend anregungsreiches Lernmilieu haben und unterstützt werden müssen.
Das ist eine Herausforderung, der Sie sich in einer Regierungserklärung hätten stellen müssen, Frau Henzler. Die Herausforderung, ein „inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen“ zu verwirklichen, wie es in der von Deutschland ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention heißt,hätte eine eigene Stabsstelle,die an entsprechenden Umsetzungen im Schulgesetz und im Lehrerbildungsgesetz arbeitet,mit einer Unterabteilung,die die Schulen dabei berät,wie sie ab diesem und im kommenden Schuljahr Inklusion umsetzen können, gut brauchen können. Stattdessen haben Sie, Frau Henzler, im Haushalt lediglich Mittel für ein Schild mit der Aufschrift „Inklusion“ an einer Tür im Kultusministerium eingestellt. Das reicht einfach nicht, Frau Henzler.
Stillstand zeigt sich auch beim dringend erforderlichen Ausbau der Schulsozialarbeit. Nicht einmal die Ankündigungen der Regierungsparteien, den Schulträgern hier
Unterstützung zukommen zu lassen, werden umgesetzt. Auch hier:Fehlanzeige,eine weitere Baustelle,die der Bildungsbenachteiligung entgegenwirken könnte, an der Sie aber nicht weiter bauen wollen.
Frau Henzler, machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben. Vielleicht sollten Sie sich dabei helfen lassen.
Genau. – Frau Ministerin, eine letzte Bemerkung.Wenn Sie hier sagen, das Kabinett habe gestern ein Gesetz „beschlossen“ – so Ihre Worte –, dann sagt das viel über Ihr Demokratieverständnis aus. Noch werden Gesetze in diesem Haus beschlossen. Aber dass die Beratungen hier im Parlament die Hessische Landesregierung wenig interessieren,ist leider ständige Praxis in Hessen geworden.– Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Frau Cárdenas. – Für die FDP-Fraktion hat sich ihr Vorsitzender, Herr Rentsch, zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir heute die Möglichkeit haben – die haben Oppositionskollegen bereits ergriffen, die einen mehr, die anderen weniger –, der Kultusministerin für die letzten eineinhalb Jahre ruhiger, effektiver, sorgfältiger und vor allen Dingen den jungen Menschen verpflichteter Schulpolitik zu danken, die wir in Hessen hatten. Herzlichen Dank dafür.
Das ist deshalb so bemerkenswert, weil die Bildungspolitik – das hat man heute wieder erlebt – eines der umkämpftesten Politikfelder ist, die wir im Hessischen Landtag überhaupt haben. Kollege Wagner von den GRÜNEN war recht energisch und echauffiert. Wir haben vor einigen Monaten einmal gesagt, er sei der schulpolitische Dackel der GRÜNEN, der sich an die Wade der Ministerin heftet. Ich glaube, die Ministerin hat gezeigt, dass sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen lässt. Das ist auch richtig so. Kollegin Habermann hat sogar das eine oder andere Lob erteilt. Zumindest habe ich es so verstanden. Frau Kollegin Habermann, vielen Dank dafür.
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir im Rahmen der Schulpolitik hier im Hessischen Landtag das tun, was die Kultusministerin zur großen Überschrift ihrer Politik gemacht hat, nämlich unideologisch und den jungen Menschen verpflichtet Schule besser und immer besser zu machen. Darum muss es gehen.
Wir alle, die wir hier sitzen, ob wir Lehrer sind oder nicht, haben oder hatten mit Schule zu tun. Kollege Greilich ist z. B. Rechtsanwalt. Kollege Wagner hat sich als „Oberlehrer“ – so hat die Kollegin gerade dazwischengerufen – bekannt gemacht. In diesem Landtag sitzen viele Persönlichkeiten, die mit Schule zu tun haben.Wir alle waren auf jeden Fall in der Schule.Davon gehe ich zumindest aus.Je
der hat aus seinem privaten Umfeld erhebliche Erfahrungen mit Schule, ob er Kinder hat oder Menschen kennt, die noch in die Schule gehen, oder ob er mit Lehrern zu tun hat, die jeden Tag vor Ort ihre Frau, ihren Mann stehen und ihre Arbeit tun. Die Frau Kultusministerin hat es vorhin gesagt, Kollege Irmer ebenfalls: Das, was die Opposition hier macht, wenn sie, wie der Kollege Wagner, die Arbeit des Kultusministeriums, der Kultusministerin und der Koalition in so fundamentaler Art kritisiert, ist für viele Menschen häufig nicht nachvollziehbar, weil die Stimmung draußen deutlich besser ist, als Sie, Herr Kollege Wagner, es heute hier behauptet haben.
Herr Kollege Wagner, ich gebe zu, dass mich das, was Sie gesagt haben,auch ein wenig erschreckt hat;denn es klang fast resignierend. Sie haben aus der Sicht eines Oppositionspolitikers gesagt, Dorothea Henzler sei mit Helmut Kohl vergleichbar. Das bedeutet für Sie, dass Sie weitere 14,5 Jahre auf dieser Bank verbringen werden; denn Sie haben sich anscheinend damit abgefunden, dass die Kultusministerin insgesamt 16 Jahre auf diesem Stuhl sitzen wird.
Ich muss sagen:Es tut mir leid für Sie;aber es ist besser für Hessens Schülerinnen und Schüler, dass Sie nicht hier vorne sitzen.
Ich glaube, dass die Situation auch deshalb besser ist – wir haben heute viele Gäste, die selbst im Land unterwegs sind und Erfahrungen mit Schule haben –, weil die 66 Kollegen von CDU und FDP durch dieses Bundesland reisen und in vielfältigen Gesprächen mit Schülern, Lehrern und Eltern immer wieder die Möglichkeit haben, sich selbst ein Bild zu machen. Genauso ist die Frau Kultusministerin häufig unterwegs, besucht die Schulen und diskutiert mit Lehrern, Schülern und Eltern. Ebenso verhält es sich mit dem Herrn Staatssekretär.
Ich will nicht verhehlen, dass ich nicht überall nur Lob bekomme. Größtenteils bekomme ich Lob: Eltern, Schüler und Lehrer bedanken sich nämlich dafür, dass sich die Situation beruhigt hat und der Schulstart so gut war.
Aber es gibt natürlich auch das eine oder andere Problem vor Ort. Herr Kollege Wagner, ich will das unterstreichen: Mit der Schulpolitik werden wir nie komplett dafür sorgen, dass es nur eitel Sonnenschein gibt.Aber wir müssen wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: dass wir die Schulen materiell so ausgestattet haben, dass sie die Möglichkeit haben, frei zu agieren. Das hat die Frau Kultusministerin gemeinsam mit der Koalition geschafft.
Sie sind nicht unterfinanziert. Ich darf als der Aushilfsbildungspolitiker,der ich bin,auch nicht sagen,dass sie überfinanziert sind.Aber sie sind genau richtig finanziert.
Herr Kollege Wagner, das zeigt sich auch daran – die Frau Kultusministerin hat das gesagt –, dass der Etat auch in schwierigen Zeiten weiter wächst. Für diese Landesregie
rung hat nämlich – das ist das Wichtigste – die Bildungspolitik höchste Priorität.Wir investieren Jahr für Jahr weiter in Bildung.Das ist bei keinem anderen Thema der Fall.
Dabei handelt es sich nicht nur um Lehrer.Wir reden davon, dass wir zurzeit ca. 57.000 Lehrer in Hessen haben. Als Schwarz-Gelb 1999 die Möglichkeit hatte, die Regierung zu übernehmen, waren es knapp 50.000.
Wir reden nicht nur über die Tatsache,dass wir vor Ort Erhebliches geschaffen haben. Ich bin gerade darauf hingewiesen worden, dass beispielsweise auch aufgrund des Konjunkturpakets, das Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten – leider ohne die Stimmen der GRÜNEN – beschlossen haben, erhebliche Mittel in die Schulbauten geflossen sind, damit die Schülerinnen und Schüler vor Ort die Möglichkeit haben,in einer besseren räumlichen Umgebung zu lernen.
Wir haben nicht nur dafür gesorgt, dass die Eingangsklassen 1, 5 und 7 verkleinert worden sind. Die Klassen 2, 6 und 8 sind jetzt an der Reihe. Das zeigt, dass wir die Bedingungen in den Eingangsklassen für Lehrer und Schüler immer weiter verbessern wollen, damit weniger Schüler mit mehr Lehrern zu tun haben.Das heißt,die Situation in einer Klasse kann sich verbessern: Die Lehrer können sich individuell um Probleme kümmern; denn – auch das gehört zur Wahrheit – immer mehr Eltern überlassen die Lösung ihrer Probleme den Schulen. Die Lehrer haben es auszubaden.
Wir haben auch gemeinsam dafür gesorgt, dass die Mittel für Lernmittel – das sind Bücher und alles, was damit zu tun hat – deutlich erhöht worden sind: auf 34 Millionen c. Insgesamt werden es dieses Jahr rund 35 Millionen c sein. Das sind knapp 7 Millionen c mehr als zu Beginn. Auch das zeigt, dass wir überall dort, wo wir Einfluss nehmen können,investieren;denn Bildung hat für diese Landesregierung höchste Priorität.
Ich bin mir auch sicher, dass wir dabei nicht nachlassen werden. Aber wir werden sicherlich nicht deshalb nicht nachlassen, weil der Kollege Wagner uns antreibt. Das ist seine Aufgabe als Oppositionspolitiker; das macht er ganz hervorragend.
Allerdings, Herr Kollege Wagner, muss ich Ihnen ein Geheimnis verraten:Wir würden das auch ohne Sie machen. Wir haben uns hier nämlich vorgenommen, für die jungen Menschen, denen wir uns verpflichtet fühlen, die bestmögliche Situation vor Ort zu schaffen. Deshalb machen wir das. Wir machen es nicht für die GRÜNEN, sondern für die jungen Menschen in diesem Land.