Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Wir sind uns vielleicht auch noch darin einig, dass Kinder und Familien das Fundament der Gesellschaft und eigentlich unsere Zukunft darstellen. Alle Investitionen in die Familien sind daher auch Investitionen in die Zukunft. Die Zukunftsfähigkeit unsere Gesellschaft hängt schlicht und einfach davon ab,wie die Kinder aufwachsen können, wie sehr Familien wertgeschätzt werden und ob eine Politik betrieben wird, die versucht, diese Wertschätzung in unterschiedlichsten Facetten zum Ausdruck zu bringen.

Es ist das Anliegen der Hessischen Landesregierung, die richtigen Rahmenbedingungen für die Familien zu schaffen, damit sich deren Lebensumfeld so gestaltet, dass sie sich wohlfühlen, dass sie gerne in Hessen leben, dass sie Hessen als familienfreundlich ansehen, dass sie sich deshalb mit dem Land Hessen identifizieren.Dazu gehört ein unglaublich breites Maßnahmenbündel, das Gegenstand auch der Familienpolitik in unserem Lande ist und von der Mehrheit dieses Hauses bisher getragen worden ist.

Das kann man unter „familienpolitische Offensive“ oder „familienpolitische Maßnahme“ subsumieren. Festzustellen ist doch, dass sich in den letzten Jahren das Lebensumfeld und die Möglichkeiten für Familien in Hessen schlicht und einfach verbessert haben. Es sind doch eine ganze Menge Fortschritte zu nennen, die auch heute schon angesprochen worden oder quasi immer Gegenstand der Debatte sind.

Da ist beispielsweise die Fragestellung der Kinderbetreuung.Wir freuen uns, dass es dem Land Hessen im Konzert mit den anderen Ländern gelungen ist, dem Bund Umsatzsteuerpunkte abzuluchsen. Die Mittel sind jetzt bei uns angekommen,und wir können damit die Plätze für die Betreuung der unter Dreijährigen ausbauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da reden wir doch nicht über Landesmittel, sondern freuen uns, dass wir das Geld zur Verfügung haben, mit dem wir das machen können. Wir legen einen Schwerpunkt auch auf die Erweiterung der Tagespflege. Natürlich planen wir Familienzentren. Die Tatsache, dass Sie diesbezüglich keine Geduld haben, ist ja in Ordnung, aber Sie werden sich in Geduld üben müssen. Was für die Familienzentren an finanzieller Unterstützung zur Verfügung steht, müssten Sie, Herr Merz, eigentlich wissen. Sie sind der Haushaltsgesetzgeber, und Sie können einen Haushaltsplan lesen. Deshalb wissen Sie, wie viel Geld für die Entwicklung der Familienzentren im Haushalt steht.

Wir machen natürlich auch Unterstützungs- und Beratungsangebote. Keiner von Ihnen hat den Familienatlas als Bestandteil einer wesentlichen Informations-, aber auch Unterstützungspolitik für Familien oder Maßnahme für Familien, wie z. B. die Erzieherkampagne, erwähnt. Nein, Sie konzentrieren sich auf einen Aspekt der Familienpolitik in Hessen, nämlich die Familienkarte.

(Widerspruch bei der SPD)

Darauf konzentriert man sich. – Sie sind an dieser Stelle auf den zweiten Punkt des Antrags von CDU und FDP eingegangen. Ihre Fragestellung im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit, die Sie in der letzten Zeit betrieben haben, lässt aber nur einen Schluss zu. Sie ärgern sich maßlos, dass Sie die Familienkarte nicht einführen konnten und an dieser Stelle bisher keine Ideen hatten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mit der Kritik, die sowohl Sie, Frau Schott, als auch Herr Bocklet geäußert haben, diskreditieren Sie – Stand von gestern – 52.541 Familien, die die Familienkarte schon beantragt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Mit dieser Karte erreichen wir über 85.000 Familienmitglieder und über 161.000 Menschen in Hessen insgesamt. Diese Menschen diskreditieren Sie mit Ihrer Diskussion über die Familienkarte.

(Lebhafte Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Bocklet, es ist natürlich relativ einfach, eine solche Debatte auf Pinkelniveau zu führen, wie Sie es getan haben. Das will ich einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Ihren Redebeiträgen, in Ihren Presseerklärungen behaupten Sie, was man mit der 1 Million c, die die Familienkarte kostet, in Hessen alles machen könnte. Rechnen Sie einmal um,wie viele Krippenplätze man für 1 Million c schaffen könnte.Aber es geht ja gar nicht darum, was wir geschafft haben.

Wir zahlen eine Unfallversicherung für Kinder, deren Familien sich das nicht leisten können. In Zusammenarbeit mit einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen, das Teil der Sparkassenorganisation ist, bieten wir Eltern Hilfestellung an, wenn kurzfristig Betreuungsnotstände eintreten. Natürlich gehören dazu auch Rabattaktionen. Auch hinsichtlich der Fragestellung der Elternkompetenz müssen wir noch weiterarbeiten. Aber selbst dann, wenn wir das gesamte Paket fertig gehabt hätten und dann mit der Familienkarte gekommen wären, wäre Ihnen wahrscheinlich doch irgendetwas eingefallen, was noch fehlt.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Warum geben Sie der Familienkarte keine Chance, sich weiterzuentwickeln? Sie kann sich doch auch in der Richtung weiterentwickeln, dass noch weitere Angebote kommen. Es ist z. B. über eine Bildungschipkarte diskutiert worden. Natürlich kann man auch da Überlegungen anstellen, welche weiteren Angebote in diesem Bereich gemacht und entsprechend weiterentwickelt werden können.Herr Bocklet,wenn Sie und Ihre Fraktion jetzt sagen, dass man das machen kann, dass das wichtig wäre und dass das auf den Markt kommen müsse, dann müssten aber auch Sie Geld in die Hand nehmen, um diese Karte zu drucken.Diese Kosten sind in der 1 Million c aber enthalten, die für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgegeben werden. Wenn Sie über 80.000 Karten drucken, dann kostet das ein paar Euro.Das ist alles in dem Betrag schon drin.

Daher sage ich Ihnen:Was mit einem Betrag von 1 Million c an Anerkennung und an Leistungsstruktur für einen Zeitraum von zwei Jahren für die Familien in Hessen geschaffen worden ist und geschaffen wird, kann sich sehen lassen. Das kann keiner kleinreden, auch kein öffentlichrechtlicher Sender, der sich darüber ärgert, dass ein privater Sender die Patenschaft für die Familienkarte mit übernommen hat.

(Beifall bei der CDU und FDP)

Wenn ein privater Sender 160 Spots kostenfrei schaltet, um die Familienkarte zu bewerben, danken wir dafür, und dann akzeptieren wir auch den einen oder anderen kritischen Kommentar der Öffentlich-Rechtlichen. Das sage ich auch als ehemals für die Medienpolitik in Hessen zuständiger Minister.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Letztendlich geht es nur darum, dass wir bei dem vorhandenen Bedarf die Chance haben, dies in Zukunft weiterzuentwickeln – neben all den familienpolitischen Maßnahmen, die ergriffen worden sind und über die wir auch gern im Einzelnen diskutieren können. Dann wissen die

Leute, dass wir das Lebensumfeld und die Bedürfnisse von Familien ernst nehmen und versuchen, Hessen als familienfreundliches Land weiterzuentwickeln.

So positioniert haben wir es bereits als familienfreundliches Land. Nun müssen wir es weiterentwickeln und sehen, welche Angebote, möglicherweise auch über eine Familienkarte, auf den Weg gebracht werden können. Dass wir daneben Kinderbetreuung, Familienzentren sowie unterstützende und beratende Leistungen in unserem Fokus haben, gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, 52.541 Besitzer von Familienkarten zu diskreditieren, indem Sie auf diese billige Art und Weise darüber diskutieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist keine Familienpolitik, in der wir uns wiederfinden und über die wir uns gern mit Ihnen auseinandersetzen. Es handelt sich bei Ihnen einfach nur um Angst und auch um den Ärger darüber, dass Sie an dieser Stelle eigene Versäumnisse erkennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Das Wort hat Herr Kollege Merz, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich wollte mich eigentlich nicht mehr melden, da ich nach dem Beitrag der Kollegin Wiesmann milde gestimmt war,wie ich es meistens bin,wenn sie hier spricht.Das,was sie gesagt hat, war auch überwiegend klug, hatte aber bedauerlicherweise – oder Gott sei Dank, wenn man so will – nicht viel mit dem zu tun, was der Gegenstand dieser Debatte hätte sein sollen, nämlich die Familienkarte. Dazu habe ich von Ihnen relativ wenig gehört.

Mit den allgemeinen Ausführungen zur Familienpolitik könnten wir Familienpolitiker ziemlich viel anfangen. Wenn wir die Debatte so ausgerichtet hätten, wie sie am Schluss von Ihnen geführt worden ist, hätten wir vielleicht sogar etwas Vernünftiges daraus machen können.

Leider ist das anders gelaufen. Leider hatte, wie gesagt, Ihre Rede mit der Familienkarte relativ wenig zu tun. Schließlich kommt der Begriff „Familienkarte“ in dem Antrag dreimal vor, z. B. im Titel. Sie kommt auch an anderen Stellen vor. Darum geht es nämlich eigentlich. Darüber haben Sie bedauerlicherweise nicht geredet. Aber wir haben darüber geredet; denn darum, Herr Minister, sollte es gehen.

Ich sage Ihnen zweierlei. Erstens. Wir sind schon deshalb nicht neidisch, weil wir auf den Gedanken zunächst einmal gar nicht gekommen sind. Ich will Ihnen noch einmal sagen:Auf so einen Gedanken wäre ich – wäre die SPD – nicht gekommen.

Zweitens. Das ist der eigentliche Anlass dafür, dass ich mich noch einmal gemeldet habe: Ich lasse es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie hier behaupten, die Kritik an der Familienkarte sei identisch mit einer Kritik an den Menschen, die sie beantragen. Das ist eine völlig unzulässige und falsche Schlussfolgerung. Wir kritisieren noch nicht einmal die Anbieter. Ich habe das nicht gemacht. Die Kollegen von den GRÜNEN haben das, soweit ich das überblicken kann, auch nicht getan. Auch sonst hat niemand

die Anbieter von Leistungen im Rahmen der Familienkarte kritisiert.

Wenn ich ein Geschäftsmann wäre, würde ich das wahrscheinlich auch machen. Wenn ich ein Geschäft hätte, würde ich diese Plattform nutzen, genauso wie ich als Kunde Möglichkeiten nutze, billiger zu Waren und Dienstleistungen zu kommen. Ich selbst bin Besitzer von zwei oder drei Kundenkarten.

(Zurufe von der CDU)

Ja natürlich, was denn sonst? Ich vergesse sie meistens; das ist aber eine andere Frage.

Aber das ist hier nicht der Punkt. Die Kritik an dieser Karte ist eine Kritik an der Landesregierung. Sie ist eine Kritik daran, dass hier – ich wiederhole das – eine Show veranstaltet worden ist. Aber sie ist keine Kritik an den Anbietern von Vergünstigungen, und sie ist schon gar keine Kritik an denjenigen, die sie in Anspruch nehmen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Merz. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Bocklet zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, mir geht es in der Sache genauso wie meinem Vorredner.Wir haben hier diejenigen aufgezählt, die Sie zusammengebracht haben, um Leistungen über die Familienkarte bereitzustellen. Das haben wir uns angeschaut. Wir haben das sehr genau gemacht. Ich habe nämlich meinen Mitarbeiter prüfen lassen,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

welche Vergünstigungen Familien eigentlich haben, wenn sie keine Familienkarte besitzen. Sie werden merken, dass der Unterschied zwischen den Vergünstigungen für Familien, die keine Familienkarte haben, und den Vergünstigungen für Familien, die eine solche Familienkarte besitzen, zum Teil verschwindend gering ist oder überhaupt nicht existiert.

Das hat man also gemacht: Man hat bei Unternehmen angerufen und sie gebeten, dabei mitzumachen. Die Angebote sind dann zusammengefasst worden. Ich habe es vorhin schon einmal gesagt.

Wir haben dann die Angebote aufgezählt und auf ihre Qualität hingewiesen: Familien haben die Möglichkeit, zu einem Juwelier zu gehen und eine Angelausrüstung zu bekommen. Bei REWE wird auf die Eigenprodukte Rabatt gegeben, und man kann kostenlos auf die Toilette gehen. Wenn man nicht erträgt,dass daran Kritik geübt wird,weil das, was die Leute eigentlich benötigen, nicht bereitgestellt wird – wenn also Kritik an der Qualität der Angebote geübt wird –, hat man wirklich ein dünnes Fell. Dann ist man erwischt worden. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU:Was habt ihr denn gemacht?)

Wer hat „Was habt ihr denn gemacht?“ gerufen? Herr Kollege, als Oppositionspolitiker können wir das nur fest

stellen. Sie sind diejenigen, die handeln. Wir stellen nur fest, dass Sie private Anbieter fragen, die Rabatte geben, die sie im Übrigen auch so geben würden. Sie fassen Angebote zusammen,die es sowieso gab.Die Kritik daran ist, dass das Ganze 1 Million c kostet.