Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Da sind wir uns doch wohl einig?)

Darin sind wir uns einig. – Die spannende Frage ist: Was bedeutet das für die reale Landespolitik? Wenn Sie also sagen, für Sie gelte nicht der maximale Gewinn, sondern der Mensch, frage ich Sie: Wie können Sie eigentlich über

nächste Woche im Bundesrat sitzen und dieses Atomgesetz durchwinken? Wie geht das?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wieder die alte Leier!)

Das ist nicht die „alte Leier“. – Sie haben keine Ahnung, wo der Müll hin soll. Sie lassen sich von RWE auf der Nase herumtanzen, wie es noch selten Manager mit Regierungen getan haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Günter Schork (CDU): Wer hat denn das Moratorium in Gorleben gemacht?)

Also, lieber Herr Kollege Schork,

(Zurufe von der SPD: Eieiei!)

Sie lassen sich von RWE auf der Nase herumtanzen. Das will ich auch noch einmal ausführen. – Ich habe übrigens die Rede von Herrn Boddenberg im Bundesrat nachgelesen, wo er gesagt hat, die Brennelementesteuer als zusätzliche Belastung der Energiewirtschaft müsse sein. Wer jetzt diesen Trick sieht, den diese geldgierigen Energiekonzerne machen – ich bin selten mit so harten Worten dabei –, die nichts, aber auch gar nichts anderes interessiert als ihre Bilanz am Ende des Jahres, nicht das Gemeinwohl, nicht die nachfolgenden Generationen – das Einzige, was die interessiert, ist das Geld und sonst gar nichts –, wer diesen Trick zulässt, wer bei der Brennelementesteuer nicht dafür sorgt, dass dieses Gesetz verändert wird, wer nicht dafür sorgt, dass bei dem Atomgesetz Einspruch eingelegt wird, wo das Risiko für Nachrüstungen am Ende im Zweifel nicht bei den Konzernen liegt, sondern beim Land Hessen landen kann, wer da keinen Widerspruch einlegt, soll sich in Zukunft solche Sätze sparen. Ich sage das sehr deutlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung noch einen schönen Satz gesagt. Sie haben gesagt: „weniger Ideologie, mehr Vernunft“. Auch dazu kann man abstrakt sagen: stimmt. Ich sage Ihnen aber, was die Ideologie angeht, sehr deutlich – Herr Arnold, Herr Milde, alle Haushaltspolitiker wissen es doch –: Wir werden den Haushalt eines Landes mit 50 % Personalkosten und mit inzwischen 10 % Steuereinnahmen, die wir nur für Zinsen und Tilgung ausgeben, mit dem Anteil an die Kommunen und mit allem, was dazugehört, nicht ausgleichen, wenn es nicht auch mehr Einahmen gibt. Sie wissen das; alle wissen das.

Ein Ministerpräsident, der von „weniger Ideologie, mehr Vernunft“ spricht, muss dann auch einmal sagen, was dies bedeutet: Wenn wir über die Schuldenbremse sprechen, dann müssen wir auch über Einnahmen reden. Diese Vernunft verlange ich dann von einem Ministerpräsidenten, der solche Sätze sagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Sie haben gesagt, der Schwerpunkt dieser Regierung liege bei Kindern, Familien und der Bildung. – Ich sehe davon vergleichsweise wenig, um es jetzt einmal vorsichtig auszudrücken.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja!)

Man kann sich darüber streiten, was die Ausstattung von Kindertagesstätten angeht. Worüber man sich aber nicht streiten kann, ist: Wenn wir sagen, wir wollen in diesem Bereich schon bei der frühkindlichen Bildung beginnen, dann können wir nicht einfach sagen, wir machen jetzt eine Verordnung, und die Kommunen zahlen am Ende die Zeche, obwohl wir ihnen etwas anderes versprochen haben. So funktioniert das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung gesagt, dass Sie dafür sorgen wollen, dass Hessen bei der Integration vorne bleibt. Jetzt stellt sich die spannende Frage: Sind wir da wirklich vorne oder nicht?

Dann müssen Sie aber auch eine Antwort auf die Frage geben, was das für den Arbeitsmarkt bedeutet, was das für die Schulen bedeutet, was das für die Anerkennung von Bildungsabschlüssen bedeutet. Auf diese Fragen haben wir von dieser Regierung bisher keine Antworten gehört.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, Sie stehen für eine Energiepolitik ohne ideologische Scheuklappen. Ich war ja sehr froh, dass in Ihrer Rede keine „Monster“ mehr aufgetaucht sind. Irgendwann müssen Sie aber schon die Frage beantworten, ob Sie diesen Fortschritt, dieses qualitativ hochwertige, ökologisch sinnvolle Wirtschaftswachstum – ich habe Ihnen die Arbeitsmarktzahlen aus Nordhessen genannt –, diese Energiepolitik ohne ideologische Scheuklappen, weiter behindern oder endlich fördern wollen. Diese Frage müssen Sie im Laufe des nächsten Jahres beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe mir die Haushaltsanträge von CDU und FDP sehr genau angeschaut. Sie haben jetzt 20 Millionen € für die in der Regierungserklärung angekündigte Stiftung „Miteinander in Hessen“ eingeplant. Ich fand es sehr witzig, im Änderungsantrag von CDU und FDP zu lesen: „Rechtsgrundlage: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten“.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die spannende Frage ist aber auch hier: Es ist ja schön, wenn man von einem „Miteinander in Hessen“ spricht, aber Sie müssen die Frage beantworten, worin dieses Miteinander bestehen soll, was eine solche Stiftung machen soll, welches Ziel Ihre Politik eigentlich haben soll. Diese Frage haben Sie in Ihrer Regierungserklärung nicht beantwortet, aber wir prophezeien Ihnen, es wird der Tag kommen, wo Sie dies tun müssen; denn man kann nicht noch drei Jahre lang Ministerpräsident sein und immer nur sagen: „Ich bin dafür, dass es allen gut geht, ich bin dafür, dass alle nett zueinander sind, aber in der Realität tue ich nichts dafür.“ Ich prophezeie Ihnen, es wird das letzte Mal gewesen sein, dass Sie hier eine solche Rede halten konnten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das nächste Mal werden auch Ihre eigenen Leute sagen: So geht das nicht mehr. – In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir in diesem Parlament zu einer ernsthaften Debatte über die Frage kommen: Welches sind die Zukunftsprobleme dieses Landes, und was tun wir alle dafür,

diese Zukunftsprobleme zu lösen? Der Haushaltsentwurf der Landesregierung für das Jahr 2011 gibt auf diese Zukunftsfragen keine Antworten. Deswegen werden wir ihm nicht zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion der FDP, Kollege Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal dem Herrn Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er mit seiner ersten Regierungserklärung in einer Haushaltsdebatte klargemacht hat, wie erfolgreich Hessen zurzeit dasteht. Ich bin auch dafür dankbar, dass er über die Landespolitik gesprochen hat, wie sich das für einen Landesvater gehört. Auch der Kollege Al-Wazir hat über Hessen gesprochen. Bei einer Landtagsdebatte über die Frage, wo Hessen steht, wohin es sich entwickelt, welche Probleme es hat, sollte man in erster Linie über Hessen reden. Kollege Schäfer-Gümbel, deshalb war ich an einigen Stellen Ihrer Rede ein wenig überrascht – gelinde gesagt – darüber, dass Sie das Weltgeschehen in den Mittelpunkt Ihrer Rede hier im Hessischen Landtag gestellt haben. Ich gebe zu, das wundert mich nicht so richtig, denn Sie haben ja kürzlich in Rheinland-Pfalz mit dortigen SPD-Leuten Plakate aufgestellt. Ich empfehle aber den Sozialdemokraten in Hessen, nicht nur auf Umfragen zu schauen, sondern sich gelegentlich auch mit der hessischen Politik auseinanderzusetzen. Das wäre sicherlich der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es steht mir nicht zu, Ihnen Empfehlungen zu geben, aber ich sage, ich würde das an Ihrer Stelle wenigstens überlegen.

Meine Damen und Herren, der hessische Weg, den CDU und FDP in Hessen gehen, zeigt sich in einer sehr stabilen Koalition, die, das darf man sagen, freundschaftlich zusammenarbeitet, ohne darauf zu verzichten, über einzelne Sachverhalte sehr engagiert zu diskutieren. Das ist ein Markenzeichen der hessischen Landespolitik geworden. Ich weiß, das viele schwarz-gelbe Koalitionen gelegentlich nach Hessen schauen und fragen: Wie macht ihr das? – Wir machen das freundschaftlich, wir machen es so, dass wir die Diskussionen nicht in der Öffentlichkeit führen, sondern hinter verschlossenen Türen um den richtigen Weg für unsere Bürgerinnen und Bürger streiten und dann mit einer gemeinsamen Position nach draußen gehen. Ich meine, so sollte man eine Koalition führen.

In den letzten Tagen gab es in diesem Landtag ein biss chen Aufregung über eine aktuelle Umfrage. Kollege Schäfer-Gümbel sagte vorhin, wir hätten nicht mehr die gesellschaftliche Mehrheit, wenngleich wir noch die parlamentarische Mehrheit haben. Ich denke, wir können uns als Demokraten darauf einigen, dass immer das zählt, was nach einem Wahltermin für einen Landtag als Ergebnis festgestellt wird, und nicht die Annahme, wie gesellschaftliche Mehrheiten potenziell aussehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wenn das die Wahrheit wäre, hätte die Regierung Eichel – ich habe die Zahlen da – nach eineinhalb Jahren Regierungszeit aufgeben müssen. Genauso war es bei Gerhard Schröder und anderen Regierungen. Wir sollten deshalb nicht auf Umfragen schauen, sondern auf die Wahlergebnisse. Ich denke, die Wahlergebnisse für den Hessischen Landtag waren relativ klar. Sie haben vorhin über Vertrauen gesprochen. Sicherlich war unser gutes Wahlergebnis auch dem geschuldet, dass die Menschen nach der Zeit von Frau Ypsilanti das Vertrauen insbesondere in die SPD und in die GRÜNEN verloren hatten. Auch das gehört in einer solchen Debatte zur Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Richtig ist, dass Sie zurzeit in den Umfragen besser dastehen. Das ist eindeutig der Fall. Richtig ist auch, dass die GRÜNEN sehr hohe Stimmengewinne realisiert haben. Wir werden in drei Jahren sehen, ob das bis zum Ende hält. Es geht aber heute nicht um Umfragen. Es geht nicht um Ihr Gefühl, was gesellschaftliche Gruppen in diesem Lande meinen. Wir sollten uns in einer solchen Debatten einfach an die Fakten halten, die für unser Bundesland gelten. Da kommt man zu dem Ergebnis, dass die Daten und Fakten, die wir für Hessen haben, richtig gut sind. Der hessische Weg, den wir gemeinsam eingeschlagen haben, der Weg, den Koalitionsvertrag Punkt für Punkt abzuarbeiten, Stück für Stück das zu machen, was wir den Menschen vor der Wahl versprochen haben, mündet in Ergebnisse, die einfach richtig gut sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin, ich sage das ganz bewusst, den Menschen in den Verwaltungen, in den unterschiedlichen öffentlichen Institutionen, aber auch in der Wirtschaft in unserem Bundesland dankbar, dass sie dazu beigetragen haben, dass die Situation so gut sein kann. Das, was wir hier politisch diskutieren, muss von vielen Menschen in diesem Bundesland umgesetzt werden, z. B. an den Schulen – darauf werde ich noch zu sprechen kommen – und in der Wirtschaft. Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben auch über das Wirtschaftswachstum gesprochen. Kollege Al-Wazir, Sie sagen ja immer, Sie seien jetzt seit elf Jahren nicht mehr an der Regierung, Sie könnten nicht an allem schuld sein. Das trifft dann aber sowohl auf negative als auch auf positive Geschehnisse zu. Wenn man innerhalb von elf Jahren ein so hervorragendes Wirtschaftswachstum in Nord- und Mittelhessen sowie im Rhein-Main-Gebiet hat, dann muss man schon annehmen, das könnte möglicherweise etwas mit der schwarz-gelben Politik in diesen elf Jahren zu tun haben. Darauf müssten sogar Sie kommen, Herr Kollege Al-Wazir.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will zu den Zahlen kommen. Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt – es geht in dieser Debatte ja auch um die Generallinie, wohin sich Hessen entwickelt – den Versuch unternehmen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade im letzten Jahr hatten, die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren. Wir werden über 400 Millionen € einsparen, und wir lassen uns von der Opposition nicht vorwerfen, wir würden nicht sagen, wo wir sparen.

Herr Kollege Al-Wazir, dieser Haushalt zeigt, wo wir sparen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir haben gespart, aber dieser hessische Weg bedeutet auch, dass wir Schwerpunkte setzen. Natürlich hat für die Koalition mit Volker Bouffier und Jörg-Uwe Hahn an der Spitze der Bereich Bildung eine klare Priorität. Ich will das auch deshalb sagen, weil ich, wenn ich politische Diskussionen verfolge, manchmal das Gefühl habe, als ob der Bereich Bildung – so behauptet die Opposition gerne – der potenzielle Steinbruch unserer Regierung sei. Sie wissen, das Gegenteil ist der Fall. Man kann sich über vieles streiten. Es ist in einer Parlamentsdebatte so, dass unterschiedliche Positionen zugespitzt werden, dass man versucht, auf diese Weise Punkte zu machen. Aber in dieser Frage kommen Sie an den objektiven Zahlen, die Schwarz und Gelb für dieses Land zu verantworten haben, nicht vorbei.

Ich habe versucht, darzustellen, wie das aussieht; denn ich glaube, es ist wichtig, dass man die Situation einmal visualisiert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich denke, das geht nicht!)

Wir hatten bei den Bildungsausgaben seit 1999 eine Steigerung von 2,31 auf 3,29 Milliarden €. – Herr SchäferGümbel, das sind keine Windeln, sondern das ist ein Diagramm. Das unterscheidet uns.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist ein Erfolg, weil diese Regierung – auch die Union allein; das gehört ebenfalls zur Wahrheit – Jahr für Jahr die Bildungsausgaben in diesem Land erhöht hat.