Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Meine Damen und Herren, die Situation ist mir bekannt. Ich weiß auch, wer dort was beantragen muss. Aber das passt kein bisschen zu den Äußerungen – das scheint mir jetzt interessant zu sein –, die Herr Bouffier gestern gemacht hat. Es scheint so zu sein, dass er genau diese Position und die rechtlichen Sachverhalte nicht gekannt hat. Ich bin darüber erfreut, Frau Ministerin, dass Sie das so erklärt haben.

(Zuruf von der CDU: Gute Ministerin!)

Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie damit heute das Tor zugemacht, was die Frage nach einer Zwischenlagerung von Atommüll aus den Wiederaufbereitungsanlagen angeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn das die Position der Landesregierung ist, dann kann ich damit leben. Die Erklärung von heute war ja weniger an die Opposition gewandt, sondern sie war mehr an den nicht anwesenden Ministerpräsidenten gewandt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn das heute sozusagen die Erklärung ist, dann können wir damit umgehen. Ich nehme an, dass ich Sie so richtig verstanden habe. – Gut, wenn das so ist, haben wir diesen Punkt abgehandelt.

Ich kann nicht mit Ihrer Haltung insgesamt in der Frage nach der Lagerung von Atommüll umgehen. Das war eben Gegenstand der Debatte. Sie haben auch jetzt an dieser Stelle keine Äußerung dazu gemacht, ob Sie die Möglichkeiten im Bundesrat nutzen – am nächsten Freitag, dem 26. November –, um erstens noch einmal die Frage des Umgangs mit der Steuer zu klären. Das ist die Frage, ob man da noch einmal rückwirkend tätig werden kann. Zweitens ist Folgendes hochinteressant: Die Frau Ministerin sagt – das ist Ihre Argumentation –: Ich möchte einen Anteil an der Brennelementesteuer haben, weil das Land als Atomkraftwerkstandort belastet ist. – Aber gleichzeitig sagt sie, es gebe im Bundesrat keine Zustim

mungspflicht, weil das Land in der Atomfrage durch die Laufzeitverlängerung nicht belastet ist.

(Beifall bei der SPD)

Da macht doch die Intelligenz Salto mortale.

(Zurufe von der CDU: Bei Ihnen vielleicht!)

Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Einerseits wird da eine finanzielle Leistung für eine Mehrbelastung gefordert, aber andererseits wird gesagt, wir seien nicht belastet, und deswegen gebe es keine Zustimmungspflicht. Das passt wirklich nicht zusammen, Frau Ministerin.

Zum Thema Endlagerung möchte ich wirklich nur eine Anmerkung machen. Die Vermerke werden offenkundiger, dass es keine sachliche Entscheidung war, sondern eine politische Entscheidung für Gorleben. Diese Entscheidung hat dann zu Recht dazu geführt, dass Rot-Grün gemerkt hat: Wir müssen diese ganze Frage noch einmal neu aufrollen.

(Zuruf von der CDU: Sie hatten doch zehn Jahre Zeit!)

Jetzt wollen Sie sozusagen Rot-Grün in die Schuhe schieben, dass unter der Regierung Kohl und auch unter Mitwirkung von Frau Merkel hier eine politische Entscheidung getroffen worden ist, die sich im Nachhinein als äußerst problematisch herausstellt. Das halte ich in der Tat für heuchlerisch und schäbig. Die beiden Begriffe sind heute von anderen gefallen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Schönen Dank, Herr Kollege Schmitt. – Für die Fraktion DIE GRÜNEN hat Herr Al-Wazir das Wort. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich bin bei Ihrer Rede dann doch ein wenig stutzig geworden, weil Sie erstens gerade eben – wahrscheinlich haben das die meisten nicht gemerkt – gesagt haben, hoffentlich ist Gorleben geeignet. Im Prinzip haben Sie damit zugegeben, dass Sie – das weiß übrigens auch jeder – nicht wissen, ob Gorleben geeignet ist. Zweitens haben Sie zugegeben, dass Sie dafür sind, dass wir über 4.000 t zusätzlichen hoch radioaktiven Müll mit einer Laufzeitverlängerung produzieren. Aber Sie, die für diese Laufzeitverlängerung sind, haben überhaupt keine Ahnung, wo dieser Müll hin soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das ist das Grundproblem der Atomkraftnutzung überhaupt. Man ist mit einem Flugzeug gestartet, ohne eine Landebahn zu haben, und jetzt hofft man, dass der Sprit so lange reicht, bis irgendwo eine Landebahn auftaucht.

Aber ich will Sie noch einmal sehr konkret etwas fragen, Frau Ministerin. Sie haben gesagt, aus Ihrer Sicht reiche das Zwischenlager in Biblis für die in der Laufzeitverlängerung zusätzlich entstehenden Mengen von Atommüll aus. Im „Spiegel“ war in der Ausgabe 42 eine Meldung zu lesen, dass es Berechnungen gibt, dass die Zwischenlager

kapazität in Biblis für vier zusätzliche Jahre ausreicht. Jetzt frage ich Sie: Was stimmt denn nun? Reicht die Zwischenlagerkapazität in Biblis für eine Laufzeitverlängerung aus, für die Sie sind, oder reicht sie nicht aus? – Wir wären dankbar, wenn wir dazu noch einmal etwas erfahren könnten.

Zweiter Punkt. Wenn Sie der Auffassung sind, dass die Landesregierung bzw. das Land Hessen einen Nachteil durch die Brennelementesteuer hat – Stichwort: Anrechnung, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer –, dann will ich noch einmal sehr deutlich Folgendes wissen: Werden Sie am nächsten Freitag die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu dieser Frage als Land Hessen betreiben – ja oder nein? Das war ein wenig verschwurbelt, wie Sie sich da geäußert haben. Das würden wir gern noch einmal genauer wissen. Denn wenn Sie wollen, können wir z. B. bei Landesregierungen, die vielleicht nicht auf der B-Seite sind, dafür werben, dass ein solcher Antrag dann auch eine Mehrheit bekommt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn es Ihnen wirklich um Interessen des Landes Hessen geht, dann wären wir in dieser Frage gern behilflich.

Dritter Punkt. Sie haben gesagt, das sei nicht vertrauenerweckend, was RWE da macht. Frau Puttrich, ich hatte Ihnen schon ganz am Anfang hier im September gesagt: Sie haben wahrscheinlich gar keine Ahnung, mit wem Sie sich da eingelassen haben. Ich frage Sie jetzt einmal Folgendes: Wenn Sie sagen, dass noch nicht einmal in dieser Frage RWE vertrauenerweckend sei, wieso vertrauen Sie dann der Zuverlässigkeit eines Betreibers, ein Kernkraftwerk, wie Sie sagen, oder ein Atomkraftwerk, wie wir sagen, zu betreiben, wenn er noch nicht einmal in solchen ganz banalen Fragen wie Steuerzahlungen aus Ihrer Sicht vertrauenerweckend ist? Diese Frage müssen Sie hier dann auch beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wer diesen Atomkonzernen die Hand reicht, der muss nachher die Finger nachzählen. Das ist unsere Erfahrung der letzten zehn Jahre. Diese Erfahrung machen Sie jetzt auch gerade. Ich bin sehr dafür, dass wir hier, auch ausgehend von diesen Erfahrungen, eine Debatte darüber führen, wann auch eine schwarz-gelbe Regierung erkennen muss, dass mit der willfährigen Erfüllung von Wünschen von Atomkonzernen Schluss ist, die am Ende einzig und allein ihre Kasse und nicht das Allgemeinwohl und nicht die Sicherheit der Bevölkerung im Kopf haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schönen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Sürmann gemeldet. Die Redezeit beträgt noch 3:26 Minuten.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht leider Gottes immer in demselben Stil weiter. Das gipfelte jetzt darin, dass Herr Schmitt die Ministerin als heuchlerisch bezeichnet hat. Ich finde diese Ausdrucks

weise auch nicht besonders parlamentarisch – insbesondere weil es bei diesem Thema völlig unpassend ist.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben selbst von Heuchelei gesprochen!)

Frau Puttrich hat nichts weiter hier dargestellt als die Tatsache, dass durch den Beschluss 2005 die Frage, wie ich atomaren Abfall entsorge, behindert wurde, sodass wir aufgrund der von Ihnen geänderten Gesetzeslage in Deutschland nicht mehr in der Lage sind, mit Wissenschaft und Forschung vernünftige Konzepte zu entwickeln, wie wir die Entsorgung machen können.

Ich habe es heute Morgen schon einmal gesagt und muss es wiederholen: Es gibt in Europa durchaus Techniken, die hoffnungsfroh sind, dass man die Kernbrennstäbe so weit entladen kann, dass man sie nur 150 Jahre einlagern muss. Da stellt sich übrigens die Frage, ob es jetzt tatsächlich sinnvoll ist, endzulagern, oder ob es nicht sinnvoller ist, nur rückholbar zu lagern, um diese Brennstäbe möglicherweise noch einmal als wertvolle Brennstoffe zu nutzen. Wir weigern uns in Deutschland, diese Technik überhaupt anzuerkennen und anzusehen.

Ich und meine FDP-Fraktion und die Koalition tun das nicht. Ich werde morgen früh nach Mol fahren, wo der Versuchsreaktor steht. Ich habe es schon einmal gesagt: Ich werde hier vor diesem Landtag von den Ergebnissen, die ich dort sehe, auch berichten. Denn wir dürfen nicht zulassen, dass wir die Entsorgungsfrage unabhängig von irgendwelchen Laufzeiten von Kernkraftwerken nicht lösen. Das ist die Verantwortung, die wir jetzt aufnehmen und die Rot-Grün in ihrer Amtszeit nicht nur nicht aufgenommen hat, sondern behindert hat, um ein Argument zu haben, damit man die Kernkraftwerke schließen muss. Das ist leider Gottes die sachliche Wahrheit, die hinter Ihrer politischen Ideologie steht. Das ist das Problem.

Zu den Kapazitäten kann ich Ihnen etwas sagen. Wir haben im Istzustand 277.000 m3 schwach radioaktiven Abfall und 25.000 m3 stärker strahlenden Abfall am Kraftwerk. Es werden durch die Laufzeitverlängerung weitere 10.000 m3 schwach und 5.500 m3 stark strahlender Abfall entstehen, die alle in Biblis gelagert werden können – so zumindest die Aussage von RWE. Aber man kann es wohl glauben, wenn sie sagen, sie hätten die Kapazität.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie glauben nicht einmal mehr, dass das Atomkraftwerk dort steht, wenn die das behaupten. Das ist doch Ihr Problem.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Sürmann. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hat der Kollege eigentlich die Nebentätigkeit als Pressesprecher von RWE angemeldet?)

Herr Kollege Al-Wazir, ich habe das Mikrofon.

Wir haben uns darauf geeinigt, die Tagesordnungspunkte 60, 56 und 57 dem Umweltausschuss zu überweisen. – Das ist richtig so, dem wird nicht widersprochen. Dann ist das geschehen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 17 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen (Aufnahme einer Schulden- bremse in Verantwortung für kommende Generationen – Gesetz zur Schuldenbremse) – Drucks. 18/3138 zu Drucks. 18/2732 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Milde. Bitte schön, Herr Kollege Milde, zur Berichterstattung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Hauptausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen zur Aufnahme einer Schuldenbremse in Verantwortung für kommende Generationen, Drucks. 18/3138 zu Drucks. 18/2732, lautet wie folgt:

Der Hauptausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE bei Enthaltung der Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung anzunehmen.

Ich füge als Berichterstatter hinzu: Wir haben uns zwischenzeitlich schon auf Teilerfolge verständigt, was die gemeinsamen Änderungsanträge angeht. Deswegen mussten wir ein Verfahren wählen, wie wir eine Empfehlung für die zweite Lesung abgeben. Das wurde mit Mehrheit von CDU und FDP gemacht. SPD und GRÜNE haben sich ausdrücklich enthalten, zur Vermeidung einer vorläufigen Entscheidung in der Sache selbst. – Das sage ich als Berichterstatter, denn wir waren alle daran beteiligt.