Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das wird doch alles noch geklärt!)

Dann schreibt der Polizeipräsident Thiel auch noch einen Brief an die Strafverfolgungsbehörden, in dem er auffordert, weiterzuermitteln.

(Holger Bellino (CDU): Bananenrepublik, das ist das, was du willst!)

Nein, Bananenrepublik, das würde ich mir einmal aufschreiben und heute Abend, wenn man zu Hause sitzt, vielleicht noch einmal nachdenken, was man gerade gesagt hat, Herr Kollege.

(Holger Bellino (CDU): Was du da forderst, ist Bananenrepublik! Das sind Behauptungen, die sollen geklärt werden!)

Dann wird berichtet über den Brief, den Herr Thiel geschrieben hat:

Justus Koch, der die Ermittlungen gegen Fahndungschef Z. leitete, hatte vorige Woche in einem von Z. geführten Zivilprozess eine andere Aussage gemacht: Die Polizeiführung sei im Laufe des Verfahrens von der Staatsanwaltschaft informiert worden, dass die Ermittlungen gegen Z. – wenn überhaupt – wohl nur dienstrechtliche Vergehen ans Licht bringen könnten. Dennoch habe das Präsidium auf weiteren Ermittlungen bestanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist denn hier mit der Unschuldsvermutung? Wo ist hier die Unschuldsvermutung? Selbst die Staatsanwaltschaft sagt gegenüber dem Präsidenten der Frankfurter Polizei: Da ist nichts dran, wenn überhaupt, etwas Dienstrechtliches, dagegen müsst ihr dienstrechtlich vorgehen. – Trotzdem wird gesagt: Wir wollen aber, dass weiterermittelt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da stimmt etwas mit der Führungskultur innerhalb der Polizei nicht. Sie sind aufgefordert, endlich etwas an diesem Zustand zu ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es gäbe noch viel zu sagen. Wir könnten hier noch Skandale, Skandälchen, Pannen, Pleiten aufführen, alles aus der Vergangenheit des heutigen Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Was wir gerade in der Öffentlichkeit diskutieren, ist nicht wunderschön. Es ist auch gerade ein Problem für die vielen Beamtinnen und Beamten, die ihren Dienst ordentlich versehen. Aber die Frage, die sich stellt, ist doch: Was für ein Haus hat dieser Ministerpräsident seinem Nachfolger hinterlassen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Petra Fuhrmann (SPD): Einen Saustall! – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Welche Art von Umgang, welche Art von Umgangsformen, welche Art von Führungskultur, Bespitzelungen, Denunziationen? Da werden Akten gesammelt, da werden Büros von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchsucht, nur damit man irgendwelche Dinge gegen andere in der Hand hat. Die Mobbingvorwürfe diskutieren wir schon seit Jahren im Innenausschuss.

Herr Frömmrich, Sie müssen zum Schluss kommen, trotz des hohen Tempos.

Ja, Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. – Darüber diskutieren wir schon seit Jahren im Innenausschuss des Hessischen Landtags. Es sind eben keine Einzelfälle. Es ist ein Führungsproblem. Dieses Führungsproblem hat Boris Rhein als Staatssekretär sogar seinerzeit zugegeben. Es sind die Hinterlassenschaften des Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers.

Sie sind aufgefordert als Mehrheit in diesem Haus, die die Regierung stellt, endlich dafür Sorge zu tragen, dass diese Führungsprobleme bei der hessischen Polizei abgestellt werden und dass wir eine neue, eine kollegiale Führungskultur in der hessischen Polizei bekommen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Danke schön, Herr Frömmrich. – Ich darf Herrn Schaus das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Redewendung sagt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. – Hätten sich die Landesregierung und die CDU- und die FDP-Fraktion diese einfache Weisheit zu eigen gemacht, wäre uns Abgeordneten, der Öffentlichkeit, der hessischen Polizei und nicht zuletzt den Betroffenen vieles erspart geblieben. Auch Sie hatten in den vergangenen Monaten und Jahren genug Hinweise, dass es in der hessischen Polizei heftig rumort. Stattdessen haben Sie die Probleme ignoriert, geleugnet, heruntergespielt, und Sie haben, noch schlimmer, diejenigen öffentlich beschimpft, die auf Probleme in der Polizei hingewiesen haben.

Herr Ministerpräsident Bouffier, ich sage Ihnen deshalb als langjährigem Innenminister: Wo Kritik als Feindschaft empfunden wird, hat Führung versagt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Richtig!)

Nicht Kritik ist das Problem, sondern Ihr Versagen, damit umzugehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Weil Ihr Führungsstil und das von Ihnen eingesetzte Führungspersonal Teil des Problems und nicht der Lösung sind, haben sich mehr und mehr Polizistinnen und Polizisten verzweifelt an andere gewandt: an die Fraktionen im Landtag, an die Presse, an die Öffentlichkeit, an die Staatsanwaltschaft und die Gerichte. Deshalb haben Sie und niemand anderes es zu verantworten, dass die hessische Polizei seit Monaten nicht aus den Schlagzeilen kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

„Spiegelonline“ titelte am 3. November: „Hessischer Intrigantenstadl“... „um offenbar manipulierte Akten“. Die „Frankfurter Neue Presse“ berichtete am 8. November über „böswillige Strafversetzungen, geheime Personalakten,... willkürliche Suspendierungen“ und „Verfolgung Unschuldiger“ und spricht von einem „Willkürregime“.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist wie bei Berlusconi!)

Die „FAZ“ schrieb am 10. November: „Die Affäre droht das Grundvertrauen in die Solidität der Polizei zu erschüttern.“

Die „HNA“ spricht am 13. November von „übler Nachrede, Verleumdung und Rufmord“ im Polizeipräsidium Frankfurt. Die „Oberhessische Presse“ befindet am 13. November: „Landespolizeipräsident Nedela“, „der den Polizeiapparat zu einem Schreckensregime umgestaltete“. Last, but not least die „Fuldaer Zeitung“. Das sollte Ihnen zu denken geben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Unser Kampfblatt!)

Die „Fuldaer Zeitung“ schreibt am 12.11., meine Kollegin Faeser hat schon darauf hingewiesen:

Die Führung der hessischen Polizei präsentiert sich irgendwo zwischen Mafia und kleinkariertem Intrigantenstadel. …

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Der Fisch stinkt vom Kopfe her, und der war als Innenminister lange Jahre Bouffier. Sein offensichtlich durch Manipulation gesteuertes System brach ohne ihn zusammen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

So weit das Zitat aus der „Fuldaer Zeitung“ vom 12.11. Herr Bauer, da von einem erfolgreichen Start des Ministerpräsidenten zu sprechen, ist in diesem Zusammenhang mehr als vermessen.

(Beifall bei der LINKEN)

So könnte ich bis morgen fortfahren. Ich teile nicht alles, was in der Presse veröffentlicht wird. Es geht vor allem nicht um das Versagen der Polizistinnen und Polizisten, die machen einen guten Job. Es geht um schlechte Führungsbedingungen, Herr Minister Rhein. Es geht hier um das Versagen des Ministers, seines Staatssekretärs und ihrer leitenden Beamtinnen und Beamten, die die hessische Polizei in ein derartiges Fahrwasser gebracht haben.

Herr Ministerpräsident, wenn Ihr Nachfolger sich nun scheibchenweise von dem von Ihnen eingesetzten Personal und Führungsstil absetzt und zaghaft die Forderungen der Opposition aufgreift, dann begrüßen wir dies ausdrücklich. Aber es zeigt doch sehr deutlich, wo die Probleme liegen: nicht in der Opposition, nicht in Einzelfällen, sondern in Ihrem Erbe, das Ihrem Nachfolger nun um die Ohren fliegt.

Im Land Hessen sind im System Koch/Bouffier harte Zeiten ausgebrochen: ernorme Arbeitsverdichtung und Belastung, hoher Druck, Personalmangel und Stellenabbau. Wer da nicht mitkann oder sich anpasst, droht aufgerieben zu werden.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Als 2009 zahlreiche Berichte über Mobbing und weitere schwere Vorwürfe an uns herangetragen wurden, stellte DIE LINKE im September 2009 den Berichtsantrag mit dem Titel „Mobbingfälle in der hessischen Polizei – Aufklärung statt Abwiegelung“. Ich bin im Nachhinein sehr froh darüber, dass ich bei der Beantwortung des Berichtsantrags am 11. Februar 2010 im Innenausschuss die Herstellung der Öffentlichkeit verlangt habe, sodass ich nun aus dem Protokoll zitieren darf. Herr Bouffier, Sie meinten damals, dass intern alles hervorragend funktioniere,

und warfen mir vor, eine schmutzige Medienkampagne zu betreiben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Aha!)

Sie sagten wörtlich, im Protokoll nachzulesen auf Seite 12: „Nicht in einem einzigen Fall bin ich jemals darauf angesprochen worden.“ Ich konkretisierte, dass immer mehr Fälle in der Öffentlichkeit auftauchten und sich weitere Personen direkt an die Fraktionen gewandt hätten. Herr Greilich warf mir deshalb, Seite 19 des Protokolls, „Rufmord an der hessischen Polizei“ vor. Nun gut, Herr Greilich, das kennen wir von Ihnen. Worauf Sie, Herr Bouffier, zu den Mobbingvorwürfen sagten, ebenfalls Seite 19 des Protokolls:

Das weise ich in aller Form zurück. Das ist nicht nur blöd, das ist auch ehrenrührig. Es ist doch völlig klar, hier geht es darum, der Regierung einen anzuhängen.

Ich endete dann im Folgenden mit der Bemerkung, Seite 23 des Protokolls:

Sie sind offensichtlich nicht bereit, warum auch immer, sich bestimmten Fragen zu nähern, wie die Situation zu verbessern ist. Ich denke, dass der Polizeidienst nicht mit anderen vergleichbar ist, sondern durchaus einer ist, der in besonderer Art und Weise unserer Aufmerksamkeit bedarf. Deswegen fände ich es gut, einmal darüber nachzudenken, eine unabhängige Anlaufstelle zu schaffen, die unabhängig von dem System der sozialen Ansprechpartner ist, das Sie beschrieben haben …

Mitte Februar habe ich erstmals einen Ombudsmann vorgeschlagen. Die SPD hat dankenswerterweise im April einen Gesetzentwurf mit ähnlichen Intentionen in den Landtag eingebracht. Die Reaktionen der Regierung und der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion waren: Unfug, Hetze, Rufmord. – Heute ist der Landespolizeipräsident abberufen, die Leiterin des LKA umgesetzt, die Besetzung der Stelle des Präsidenten der Bereitschaftspolizei Gegenstand eines Untersuchungsausschusses, und nahezu täglich hören wir neue Berichte zu Vorwürfen aus der Polizei, aus der Presse, aus Gerichtsverhandlungen und von Staatsanwaltschaften. Ende letzter Woche vermerkt Ministerpräsident Bouffier in der „FAZ“ zu den Vorwürfen plötzlich: