Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Danke, Frau Faeser. – Herr Bauer, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er entschuldigt sich jetzt dafür, dass er am Thema vorbeigeredet hat!)

Das machen Sie auch nicht, Herr Schäfer-Gümbel. – Meine Damen und Herren! Frau Faeser, ich habe deutlich gemacht, dass es Probleme gibt. Die Probleme werden angegangen und sachgerecht gelöst. Ich habe aber auch gesagt: Bei einer Organisation von 18.000 Bediensteten, davon allein 15.000 Polizisten, kann man diese Fälle nicht zum System erklären. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Nancy Faeser und Petra Fuhrmann (SPD))

Das ist der entscheidende Unterschied. Sie können doch in größeren Einheiten, in denen es Fehlverhalten Einzelner gibt, nicht immer die Schuld am Kopf suchen. Das ist in Schulen nicht der Fall. Das ist bei größeren Behörden nicht der Fall. Deshalb muss man sagen: Der Einzelfall muss natürlich untersucht werden, juristisch und disziplinarrechtlich. Das wird aufgearbeitet.

(Nancy Faeser (SPD): Ach ja!)

Aber Sie können doch nicht allen Ernstes sagen, dass die Erfolge bei der hessischen Polizei alle Zufall sind und die Misserfolge sich Ministerpräsident Bouffier ans Bein binden soll. Das geht nun wirklich nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke, Herr Bauer. – Wir fahren in der Rednerliste fort. Als Nächster spricht Herr Frömmrich für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, das Problem ist folgendes: Das, was Sie hier gerade abgeliefert haben – auch das, was Sie auf die Kurzintervention der Kollegin Faeser hin gesagt haben –, lief nach dem Motto: Da sind 18.000 Polizeibeamte, und da sind Einzelfälle. Daraus sollte man nicht so einen großen Aufriss machen.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Bauer, genau das ist das Problem der Vergangenheit. Ganz genau das hat dieser ehemalige Innenminister immer getan. Deswegen haben wir heute die Probleme bei der hessischen Polizei, und deswegen diskutieren wir auch darüber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss doch auch Ihnen Anlass dazu geben, einmal darüber nachzudenken, ob da irgendetwas nicht rund läuft, wenn seit Wochen oder fast seit Monaten die Führungsebene der hessischen Polizei durch alle Zeitungen und alle Gazetten getrieben wird – mit Vorwürfen, die keine Petitessen sind, sondern mit eklatanten Vorwürfen bis hin zur Verfolgung Unschuldiger. Sie stellen sich dann hierher und tun so, als sei das alles in einem Apparat von 18.000 Beamtinnen und Beamten etwas, was eben mal vorkommen kann. Das ist eben nicht der Fall. Es geht hier um die Führungsetage der hessischen Polizei. Deswegen sollten Sie anders darüber reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Es besteht überhaupt kein Streit zwischen uns. Dieser neue Innenminister hat, nachdem er sein Amt angetreten hat, gewisse Entscheidungen getroffen, die auch bei uns durchaus auf Zustimmung treffen. Zu der Art, wie er den Beauftragten für die Polizei eingesetzt hat, sage ich gleich noch etwas. Sie haben gerade auch in den höchsten Tönen diesen neuen Innenminister als stattlichen und neu im Amt angekommenen gelobt. Das war fast schon so etwas wie eine

(Zurufe von der CDU: Na, na!)

kleine Liebeserklärung. Ich wollte das etwas anders ausdrücken. Herr Kollege Bauer, wo Sie das alles so erwähnt haben, hat nur noch gefehlt, dass Sie gesagt haben: „im Unterschied zu seinem Vorgänger“. Das hätten Sie noch anfügen müssen. Denn dann wäre die ganze Sache perfekt gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das ist nämlich das Problem. Deswegen diskutieren wir es nicht nur anhand dieses neuen Innenministers, sondern deswegen diskutieren wir auch die Verantwortung des heutigen Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenministers. Deswegen bitte ich darum, dass wir das nicht wieder tun. Es sind keine Einzelfälle, über die wir diskutieren.

(Holger Bellino (CDU): Natürlich!)

Es ist eine Fülle von Fällen, die vorgekommen sind. Diese Fülle von Fällen sollten wir auch analysieren.

(Holger Bellino (CDU): Woher wissen Sie das?)

Wir sollten sie auch bewerten. Deshalb hat meine Fraktion einen Vorschlag in die Debatte eingebracht, in dem wir sagen: Wir wollen jemanden haben, der extern ermittelt und sich genau anschaut, was da eigentlich vorgekommen ist und welche Strukturen zu welchen Problemen geführt haben. Derjenige soll dann einen Bericht abgeben und sagen, wie Lösungsvorschläge aussehen sollten. – Das ist ein Vorschlag, den wir in die Debatte eingebracht haben. Das hat überhaupt nichts mit dem Einmischen in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu tun. Aber ich glaube, dass man hier grundsätzlich einmal analysieren muss, warum es überhaupt zu solchen Problemen gekommen ist und wie wir diese Probleme abstellen können. Das ist eben nicht die Art, wie Sie mit dem Problem umgehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Man muss auch dazu sagen, dass Sie erst gehandelt haben, als das Wasser Ihnen Unterkante Oberlippe stand. Erst dann, als alles nicht mehr zu halten war, hat doch der neue Innenminister gehandelt und den Landespolizeipräsidenten Nedela in den Ruhestand versetzt.

Dann kam die Frage, was mit der LKA-Präsidentin Thurau ist. Erst ist gesagt worden: Unschuldsvermutung, schauen wir, wie es ausgeht. – Nachher ist auch sie von ihrem Amt entbunden worden.

Jetzt diskutieren wir über den Präsidenten der Frankfurter Polizei, Herrn Thiel, der sich offensichtlich auch in staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingemischt hat. Zumindest berichten die Zeitungen darüber.

(Alexander Bauer (CDU): Und das glauben Sie alles?)

Es sind doch keine Petitessen, über die wir hier reden. Es sind ernsthafte Probleme in der Führungsstruktur der hessischen Polizei. Tun Sie endlich etwas, damit sich diese Führungsstrukturen ändern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch nicht die böse Opposition gewesen, die über Probleme in der Führungsstruktur geredet hat. Es ist doch dieser Innenminister gewesen, der als Staatssekretär beim Gewerkschaftstag der Gewerkschaft der Polizei zugegeben hat, dass es Führungsprobleme innerhalb der hessischen Polizei gibt. Wenn Sie die Erkenntnis haben, dass es diese Führungsprobleme gibt, dann sollten Sie endlich auch handeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): Er hat doch gehandelt!)

Was müssen wir hier Revue passieren lassen? Wir haben es mit einem ehemaligen Landespolizeipräsidenten Nedela zu tun, der in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist. Wir diskutieren mit diesem Ministerpräsidenten und ehemaligen Innenminister seit Jahren darüber, wie die Führung der hessischen Polizei organisiert ist und wie die Führungsstruktur und die Führungskultur dieses Landespolizeipräsidenten waren. Es ist immer gesagt

worden: Das stimmt alles nicht, das ist alles Quatsch, die Opposition macht nur Klamauk. – Jetzt haben wir es, der neue Innenminister hat ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

„Einzelfall“ Thurau. Schauen Sie sich bitte die Berichte über das an, was in dem Zusammenhang Frau Thurau vorgeworfen wird. Sie soll in einem Prozess gegen Kriminalbeamte gelogen haben. Das ist doch kein Vorwurf, den man gerade so wegwischen kann. Das ist die Präsidentin des Hessischen Landeskriminalamtes. Es gibt den Vorwurf, dass sie im Prozess gelogen hat. Dann gibt es einen zweiten Vorwurf, dass sie Unschuldige verfolgt hat. Schauen Sie sich an, was dann weiter berichtet wird in der „Frankfurter Neuen Presse“:

Drei Kripobeamte durchwühlen heimlich das Büro ihres Chefs, sammeln monatelang angeblich belastende Unterlagen gegen ihn und übergeben diese, sauber abgeheftet in einem Ordner, an Frankfurts damalige Polizeivizepräsidentin Sabine Thurau …

Was sind das für Zustände innerhalb der hessischen Polizei?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Da durchsuchen Beamte die Dienstzimmer von Kollegen, da wird denunziert, da wird bespitzelt,

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

und da sagen Sie, das ist ein ganz normaler Vorgang, und wir haben kein Problem mit der Führungskultur der hessischen Polizei? Natürlich, das sind Indizien dafür, dass wir diese Probleme haben, und diese Probleme müssen endlich abgestellt werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Dann wird behauptet, man habe sich nicht eingemischt. Hier kann man dem Hessischen Rundfunk lauschen. In „hr-Info“ wird gesagt:

LKA-Chefermittler notiert: 22.08.2006, 15:30 Uhr; Anruf Thurau. Sie will den Kollegen B. zur Aussage gegen Z. animieren.

25.05.2007: Frau Thurau ist jedes Ergebnis der Ermittlungen recht, nur nicht die Einstellung des Verfahrens.

(Günter Rudolph (SPD): Hört, hört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das? Wo ist da die Unschuldsvermutung gegen andere? Warum kommt die Unschuldsvermutung immer nur ins Gespräch, wenn es um die oberen Etagen der hessischen Polizei geht, und nicht, wenn es darum geht, wie mit ganz normalen Beamtinnen und Beamten umgegangen wird?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Das wird doch alles noch geklärt!)