Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht so, wie er jetzt vorliegt und wie er auch noch einmal durch die Regierungsfraktionen geändert worden ist, einer, der das hessische Krankenhauswesen nach vorne bringt. Er eröffnet vor allen Dingen die Strukturen, die wir benötigen. Mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir, was wir schon im alten Krankenhausgesetz hatten: einen roten Faden – ich sage bewusst: „einen roten Faden“ – in dem Sinne, dass wir versuchen, uns auf den Rahmen zu konzentrieren, den das Land mit der Gesetzgebung vorgeben muss. Ansonsten sagen wir aber: Wir sollen denjenigen, die vor Ort die Arbeit machen und die Verantwortung tragen, auch die Freiheit geben, diese Entscheidungen selbst zu vertreten. – Diese Philosophie wird in diesem Krankenhausgesetzentwurf umgesetzt.

Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren natürlich die unterschiedlichsten Herausforderungen und Problemlagen geben wird, denen wir uns stellen müssen. Wir haben in Hessen einen Mix von Krankenhausträgern aus dem privaten, frei-gemeinnützigen und kommunalen Bereich. Es ist gut, dass wir diesen Mix, eine unterschiedliche Angebotsvielfalt von Institutionen und für alle Bürgerinnen und Bürger, die es benötigen, vor Ort Gott sei Dank sowohl Ärzte im ambulanten Bereich als auch gute Krankenhäuser haben.

Liebe Frau Schott, dass Sie versuchen, die medizinischen Leistungen in unserem Bundesland herunterzureden, muss man Ihnen fast übel nehmen. Das ist politisch einfach eine richtige Unverschämtheit,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

weil damit möglicherweise der Eindruck erweckt wird – der wirklich falsch ist –, dass man in Hessen keine gute medizinische Versorgung bekommen könnte. Sowohl im ärztlichen als auch pflegerischen Bereich arbeiten alle mit Hochdruck und vollem Engagement, und das wissen wir auch.

Ich sage das auch zur Kollegin Schulz-Asche: Wir haben in dem Bereich unterschiedliche Konzepte, und wir versuchen, in einem parlamentarischen Streit den richtigen Weg zu eruieren, wo es dort langgeht. Wir waren, wenn ich mich richtig erinnere, 2006 gemeinsam in Holland. Wir haben uns dort die Situation angeschaut, und jeder zieht aus

solchen Sachen unterschiedliche Schlüsse. So ist das bei Parteien. Ich glaube aber, dass wir bei dieser Sache jetzt den richtigen Schritt gehen, und ich bin dem Gesundheitsminister, dem Ministerium und auch dem vorigen Gesundheitsminister dankbar, dass wir beim Thema Hygiene versuchen, mit der Art und Weise, wie wir dieses angehen, eines Problems Herr zu werden, das mittlerweile leider ein großes ist.

Das Thema Hygiene, multiresistente Keime, entwickelt sich in Krankenhäusern auch deshalb zu einem Problem, weil wir in Deutschland anders als in den Niederlanden leider kein Screening von Patienten machen. Die Holländer screenen sozusagen jeden Patienten, der ins Krankenhaus kommt, auf potenzielle Keime, damit er sie nicht auf andere Patienten überträgt. Wir wollen jetzt wenigstens dafür Sorge tragen – wir sind mit dem Bundesgesundheitsminister in Gesprächen –, dass Risikopatienten auf solche Keime gescreent werden. Das wäre ein Vorteil. Ich glaube auch, dass das möglich ist. Einige Kliniken machen das; die Wiesbadener HSK macht das z. B. sehr vorbildlich.

Wir brauchen auf einer zweiten Ebene – ich gebe zu, dass es da ein Umdenken gibt, und das sage ich auch zu Frau Kollegin Schulz-Asche, da wir das lange diskutiert haben –, bei den Hygienikern, also Ärzten, die sich nur mit diesem Bereich beschäftigen, mehr Professionalität, weil leider viele Krankenhäuser dieses Thema nicht ernsthaft genug angegangen sind.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich: Wir sind hier in einem Diskurs; wir diskutieren das, und teilweise gibt es dann auch Übereinstimmungen. Ich glaube, dass wir an diesem Punkt nachlegen müssen.

Letzter Punkt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir in Hessen eine ausgeglichene stationäre Krankenhausversorgung erhalten. Das ist ziemlich schwierig, weil natürlich die Masse der Krankenhäuser erst einmal hier im Ballungsraum sitzt. Im Ballungsraum haben wir im stationären Bereich eine deutliche Überversorgung, während wir in anderen Teilen des Bundeslandes doch eher Probleme haben. Wir werden erstens dafür sorgen müssen, dass wir im Ballungsraum Rhein-Main eher Krankenhäuser und Krankenhausbetten abbauen. Das wird eine der zentralen Aufgaben sein. Zweitens werden wir dafür sorgen müssen, dass die Qualität mindestens gleich bleibt, wenn nicht steigt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, es über die Qualität zu versuchen. Drittens müssen wir auch dafür Sorge tragen, in den ländlichen Gebieten unseres Bundeslandes die stationären Strukturen zu erhalten. Aber – –

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege.

Vielen Dank. – Letzter Satz. Ich glaube, dass es da natürlich auch immer um die Frage gehen muss: Ist ein Ort, nur weil er ein kleines Krankenhaus hat, auch medizinisch gut versorgt? Auch das gehört zur Realität. Auch bei einem kleinen Krankenhaus muss es um Qualität gehen. Daher lautet meine Botschaft an alle Kommunalpolitiker: Nicht darum kämpfen, dass man vor Ort ein Krankenhaus hat, sondern darum, dass man vor Ort eine gute und qualitativ

hochwertige Versorgung hat, das muss das Ziel sein. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Dr. Spies zu Wort gemeldet.

Also Herr Kollege Rentsch, diese letzte Bemerkung muss man doch noch einmal aufgreifen. Erster Punkt. Sie haben völlig recht: Wir müssen dafür sorgen, dass die Krankenhausversorgung insbesondere im ländlichen Raum mit einer ausreichenden Zahl an stationären Behandlungseinheiten gewährleistet wird. Sie haben völlig recht: Wir müssen dafür sorgen, dass im Ballungsraum überschüssige Betten abgebaut werden. – Leider wollen Sie jetzt ein Gesetz beschließen, mit dem Sie genau das nicht tun können, weil Sie die Planung über die Betten abschaffen, statt sie zu stärken. Genau deshalb erreichen Sie an dieser Stelle das völlige Gegenteil von dem, was Sie wollen.

Zweiter Punkt. Ich höre mit Freude, dass es auch bei der FDP die Erkenntnis gibt, dass es im Leben auch manchmal Spielregeln geben muss, z. B. bei der Hygiene,

(Florian Rentsch (FDP): Machen wir doch!)

auch wenn die Frage der Verordnung über MRSA, mit Verlaub, im Bereich des Krankenhauswesens selbstverständlich ein überschaubares Problem ist, angesichts der vielen, die man hat.

Herr Kollege Rentsch, gerade für die Aufrechterhaltung der Hygienestandards ist es aber zuallererst erforderlich, dass man genug Leute hat. Deshalb ist es umso erforderlicher, den Krankenhäusern genug Personal zu sichern, damit die Hygienespielregeln jeden Tag und jede Stunde auf jeder Station erhalten werden können. Genau deshalb greift Ihr Gesetzentwurf viel zu kurz, gerade an den von Ihnen angesprochenen zentralen Stellen. Schade, dass Sie sich nicht so richtig getraut haben.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Dr. Spies. – Für die Landesregierung, Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Hessischen Krankenhausgesetz wird heute, so denke ich, mit der Mehrheit dieses Hauses ein Gesetz verabschiedet, das in der Fachöffentlichkeit, in der Fachpresse und bei all denjenigen, die betroffen sind, als das zukunftsfähigste Krankenhausgesetz eines Bundeslandes in Deutschland dargestellt wird. Es kann gut möglich sein, dass die SPD an dieser Stelle der Überzeugung ist, dass das, was Krankenhausträger, niedergelassene Ärzte, Kassenärztliche Vereinigung und viele andere sagen – mit Ausnahme von ver.di –, durchaus seine Berechtigung hat, dass man es möglicherweise nicht erkannt hat und dass man stattdessen an Instrumenten festhält, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie zum Scheitern verurteilt sind.

Wer heute noch meint, Bedarfsplanung im Krankenhauswesen anhand von Bettenzahlen und mit der Gießkanne über das Land zu steuern, der liegt fehl. Heute sind Krankenhäuser dazu da, sektorenübergreifend gemeinsam mit dem ambulanten Bereich den Versuch zu unternehmen, die Versorgung für unser Land sicherzustellen. Sie haben in der Zwischenzeit einen vollkommen anderen Auftrag. Deswegen ist die Debatte, die Herr Kollege Rentsch eben angestoßen hat, die richtige. Es wird sich nicht nur über die Zahl von Betten entscheiden, sondern über die Qualität von Krankenhäusern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es geht um eine qualitative Versorgung in regional begrenzten Einheiten. Deswegen sind diese sechs Versorgungszentren, die wir zu bilden versuchen, zusammen mit Gesundheitskonferenzen, wobei erstmalig der ambulante Bereich eingeschlossen wird, aber auch Patientenfürsprecher und viele andere, der Weg, eine Bestandsaufnahme zu machen, wie eine regionale Versorgungssituation aussieht, um daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen.

So etwas hat ein Krankenhausgesetz in einem Land bisher noch nie vorgesehen. Mir ist auch egal, wer es erfunden hat oder wer es nicht erfunden hat. Diese Landesregierung und wahrscheinlich die die Landesregierung tragenden Koalitionsfraktionen werden das umsetzen, weil sie es beschließen werden.

Dann kommt permanent natürlich der Versuch, zu sagen: Wir haben eine Trägervielfalt, wir haben ein ökonomisches Problem, wir haben ein Wettbewerbsproblem. Wie kriegen wir es in den Griff? – Diese Frage ist berechtigt. Wir kriegen das aber nicht in den Griff, indem wir – das ist die stereotype Forderung von den GRÜNEN und der SPD – Personalmindeststandards festschreiben. Sie haben von der ersten bis zur dritten Lesung nichts dazugelernt. Ich muss es wirklich sagen. Deswegen versuche ich es in der dritten Lesung noch einmal.

Personalmindeststandards könnten wir im Hessischen Krankenhausgesetz regeln. Das ist keine Frage. Aber die Konsequenz wäre: Wir hätten keine Chance, dass Kostenträger das an irgendeiner Stelle refinanzieren.

Erlauben Sie Zwischenfragen?

Nein. – Das heißt, die Krankenhäuser müssten diese zusätzlichen Kosten, vorausgesetzt dass die Standards höher wären als die, die wir zum jetzigen Zeitpunkt haben, selbst tragen. Das würde die ökonomisch schwierige Situation insbesondere bei den Krankenhäusern, um deren Erhalt wir uns gemeinsam bemühen, massiv verstärken. Gerade die kommunalen Träger wären überhaupt nicht in der Lage, dies umzusetzen, weil es dafür keine Refinanzierung gibt. Außerdem kann man doch nicht einen Personalmindeststandard nach dem anderen über alle Träger hinweg überstülpen. Überall sind unterschiedliche Gegebenheiten.

Ich habe schon einmal im Rahmen der zweiten Lesung versucht, es Ihnen zu erklären: Der Stadtstaat Bremen hat versucht, im GKV-Finanzierungsgesetz eine Ermächtigung hinzubekommen, dass man auf Landesebene Personalmindeststandards einführen kann. Dies ist nicht gelungen. Es ist gescheitert, aber nicht nur an einer kleinen,

sondern an einer großen Mehrheit der Länder, weil man an vielen Stellen gesehen hat, dass man damit anders umgehen muss, als es hier verlangt wird.

Deswegen ist unter bundesrechtlichen Gesichtspunkten und unter dem Gesichtspunkt, wie man das gesetzlich umsetzen kann, die Forderung nach Personalmindeststandards schlicht und einfach falsch. Sie ist rechtlich nicht möglich; es sei denn, wir oder die Krankenhäuser zahlen es aus der eigenen Tasche. Aber dann kommen Sie wieder und sagen, sie sind in einer wettbewerblich schwierigen Situation. Deswegen verstehe ich eine solche Argumentation nicht.

Entweder Sie erkennen es, und wir bemühen uns gemeinsam darum, in einer sektorenübergreifenden Planung die Versorgungsstrukturen insbesondere auch in ländlichen Gebieten mithilfe von Krankenhäusern in unserem Land zu stärken, wir versuchen, Kompetenzen herauszuarbeiten, die an unterschiedlichen Krankenhäusern vorhanden sind, wir versuchen, über ein Netzwerk von koordinierenden und kooperierenden Krankenhäusern bis hin zur Einbeziehung des ambulanten Bereichs einen Weg hinzubekommen, eine optimale Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger herzustellen; oder wir versuchen, mit zentralistischen, planerischen Methoden unsere Krankenhäuser in den Ruin zu treiben. Die Landesregierung hat sich für den ersten Weg entschieden, und ich denke, das ist auch der richtige.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Spies gemeldet.

Herr Staatsminister, erlauben Sie mir, auf zwei Punkte, die Sie eben angesprochen haben, kurz einzugehen, weil man in Ihrer Rede die Offenheit für grundsätzliche Erwägungen durchaus gehört hat.

Erstens. Natürlich haben Sie, und zwar Sie in Person, sehr wohl die Möglichkeit, die Refinanzierung von Personalstandards anzugehen; denn die Berechnung der Finanzierung der Krankenhäuser funktioniert, indem man einen krankheitsspezifischen Multiplikationsfaktor mit dem Landesbasisfallwert multipliziert und daraus einen Wert errechnet.

Der Landesbasisfallwert ist eine Eurozahl. Die wird zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern ausgehandelt, und sie muss von Ihnen genehmigt werden. Ihre Vorvorgängerin im Amt hat den ersten Landesbasisfallwert, der für Hessen berechnet wurde, nicht genehmigt, sondern hat ihn zurück in die Schlichtung geschickt, weil er nach ihrer Auffassung zu niedrig war.

Genau an dieser Stelle ist das Instrument, mit dem Sie auf die Frage Einfluss nehmen können, ob ein durch das Land Hessen gesetzlich vorgegebener Standard in der Finanzierung der hessischen Krankenhäuser erfüllbar ist oder nicht. Deshalb bleibt das Instrument Genehmigung des Landesbasisfallwertes durch den Sozialminister eines, mit dem Sie agieren können.

Zweiter Punkt. Herr Staatsminister, wenn ich Ihre Offenheit in der Frage richtig interpretiere und dabei höre, dass Sie sagen, es kann nicht Sache des Landesgesetzgebers

sein, sondern muss auf anderer Ebene geregelt werden, dann gehe ich allerdings davon aus, dass das Land Hessen die Initiative des Landes Bremen im Deutschen Bundesrat für die Einführung von Personalstandards auf Bundesebene zukünftig unterstützen wird. Denn das wäre genau die Ebenenverschiebung, die Ihrem Anspruch auf Übereinstimmung der Vorgaben mit der Finanzierung entspricht. Wenn es darauf hinausliefe, würden wir uns allerdings freuen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht.

Dann lasse ich jetzt in dritter Lesung über den Gesetzentwurf abstimmen. Wer dem Gesetzentwurf der Landesregierung über ein Zweites Gesetz zur Weiterentwicklung des Krankenhauswesens in Hessen, Drucks. 18/3482 zu Drucks. 18/3431 zu Drucks. 18/2750, zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Zustimmung von CDU und FDP und Gegenstimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der Fraktion DIE LINKE ist dieser Gesetzentwurf angenommen und wird somit zum Gesetz erhoben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 71 auf:

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken und des Hessischen Hochschulgesetzes – Drucks. 18/3485 zu Drucks. 18/3467 zu Drucks. 18/2527 –

Berichterstatter ist Herr Abg. Grumbach. Bitte schön, zur Berichterstattung.