Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass dazu vonseiten der Opposition nichts über den Rhein gerufen wird und nicht deutlich gemacht wird, dass es ein Skandal ist, so mit einer Fachhochschule umzugehen, die bundesweit und weit darüber hinaus allerhöchste Anerkennung genießt. Ich finde, es ist notwendig, das hier im Landtag noch einmal festzuhalten.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Was hat das mit dem Krankenhaus zu tun?)
Meine Damen und Herren, bevor wir die Debatte fortsetzen, möchte ich auf der Tribüne unseren ehemaligen Landtagskollegen und Staatssekretär Willi Görlach begrüßen. Herzlich willkommen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wolff, wir haben am Dienstag in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs und davor im Ausschuss über Geisenheim geredet. Es ist ja nicht so, dass dieses Thema nicht besprochen wurde.
Die dritte Lesung ist aber nicht wegen Geisenheim, sondern wegen des besagten § 10 Abs. 2 Ihres Entwurfs nötig geworden. Die SPD-Fraktion hat gesagt, sie möchte gerne eine dritte Lesung durchführen, weil sie ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf hat. Auch ich möchte für meine Fraktion sagen, dass wir diese verfassungsrechtlichen Bedenken nachvollziehen können. Frau Wolff, auch wenn jetzt vorweihnachtliche Harmonie in diesem Landtag Einzug erhält – vielleicht ist es auch nur die zunehmende Müdigkeit, die sich langsam bemerkbar macht –, so heißt das natürlich nicht, dass diese Kritik in der Substanz nicht bestehen bleibt.
Wir haben in der Anhörung vom Dekan des Fachbereichs Medizin der Frankfurter Universität klar gehört, dass es eine sehr gut nachvollziehbare Kritik an der Veränderung gibt. Es geht um die Frage der Stellung des Dekans. Es geht um die Frage: Hat der Dekan weiterhin ein Widerspruchsrecht im Aufsichtsrat? Wir sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, dieses Recht zu erhalten. Was Sie im Moment machen, ist eine Stärkung des Präsidiums und eine Schwächung des Dekanats. Die Fachkompetenz in allen Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, liegt aber ganz klar beim Dekan und nicht beim Präsidenten.
Deswegen ist es natürlich sinnvoll, wenn man die Freiheit von Forschung und Lehre garantieren will, dass man auch den Dekan in dieser Position belässt.
Ich finde, Frau Dorn hat den entscheidenden Punkt angesprochen, nämlich die Frage: Warum ändert man es über
haupt? Was ist das Motiv dafür? Die „Frankfurter Rundschau“ hat geschrieben: Es gab innerhalb von zehn Jahren nur einen einzigen Fall, in dem ein Dekan von diesem Widerspruchsrecht überhaupt Gebrauch gemacht hat. Wir haben im Ausschuss nachgefragt, ob Sie, Frau Ministerin, diese Zahl bestätigen können, ob Sie die Fälle, über die wir hier reden, überhaupt beziffern können. Das konnten Sie nicht. Sie sprachen im Ausschuss von einem „theoretischen Problem“.
Frau Ministerin, ich finde, gerade in Ihrem Zuständigkeitsbereich gibt es mehr als genug reale Probleme, die Sie einmal anfangen könnten zu lösen. Ich frage mich, warum Sie jetzt anfangen, irreale Probleme zu lösen, die in der Praxis überhaupt nicht bestehen, und damit riskieren, dass Sie hier ein verfassungswidriges Gesetz verabschieden.
Es wird jetzt vermutlich eine juristische Prüfung des Gesetzes geben müssen. Das ist dann eben so. Dann müssen wir gespannt darauf warten, was passiert.
Ich will noch einen Grund nennen, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen. Der Grund liegt darin, dass sich dieses Gesetz auf die Privatisierung der Unikliniken in Gießen und Marburg bezieht. Wir sind der Meinung, dass die Hochschulmedizin grundsätzlich in die öffentliche Hand gehört. Wir sind – im Gegensatz zur rechten Seite des Hauses – nicht der Meinung, dass sich diese Privatisierung bewährt hat, sondern wir sind der Meinung, dass das sowohl für die Patienten als auch für Forschung und Lehre negative Folgen hatte.
Deswegen wird es Sie wenig überraschen, meine Damen und Herren, dass wir den Gesetzentwurf ablehnen. Ich denke aber, wir sollten sehr ernst nehmen, dass es verfassungsrechtlichen Bedenken und dann eventuell eben ein Nachspiel außerhalb dieses Plenargebäudes gibt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in der Debatte anlässlich der zweiten Lesung Herrn Kollegen Spies schon darauf hingewiesen, dass die von ihm angeführten Urteile des Bundesverfassungsgerichts nicht einschlägig sind. Frau Wolff hat es schon gesagt: Von der Vehemenz, mit der das in der zweiten Lesung vorgetragen wurde, ist in der dritten Lesung schon nicht mehr viel zu spüren.
Ich habe in der zweiten Lesung schon darauf hingewiesen, dass Forschung und Lehre in den unterschiedlichsten Bereichen Rechnung getragen wird, im Vorstand, im Aufsichtsrat und am Ende bei der Rechtsaufsicht durch das
Ministerium. Alle diese Möglichkeiten gibt es. Alles, was wir in § 10 Abs. 2 ändern – das wird hier ja kritisiert –, führt zu einem effizienteren, effektiveren Verfahren. Das ist in den Klinika im Zusammenwirken von Dekan und Präsidium auch notwendig. In diesem Sinne haben wir das modernste Klinikgesetz, das es in Deutschland gibt.
Wir haben das privatisierte Universitätsklinikum Marburg und Gießen. Das hat bisher kein anderes Bundesland.
Die Erfahrungen, die wir mit diesen Änderungen bisher gemacht haben, sind außerordentlich positiv. Dass Sie das ideologisch so nicht sehen können, ist klar. Das wundert niemanden, Frau Wissler.
Ich sage: Das Gesetz hat sich bewährt. Die Änderungen, die wir vornehmen werden, führen dazu, dass die Universitätsmedizin in Hessen noch schneller und effizienter vorangetrieben werden kann. In diesem Sinne bin ich sehr gelassen, wenn es auf die verfassungsrechtliche Prüfung zugeht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in dritter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken und des Hessischen Hochschulgesetzes, Drucks.18/3485 zu Drucks. 18/3467 zu Drucks. 18/2527, seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf bei Zustimmung der Fraktionen der CDU und der FDP und Ablehnung durch die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE angenommen und hiermit zum Gesetz erhoben worden ist.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Abschiebestopp für kosovarische Staatsangehörige – Drucks. 18/2988 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE hat sich bereits im Sommer letzten Jahres für einen Abschiebestopp und ein Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo eingesetzt, noch bevor die Massenabschiebungen von Roma aus Deutschland begannen – leider vergeblich. Obwohl ein Drittel der Betroffenen Kinder und Jugendliche sind, steht das Kindeswohl bei der Debatte über die Rückkehr der Roma bisher nicht im Mittelpunkt. Dabei bedeutet eine Abschiebung oft das Ende des Bildungswegs.
Inzwischen gibt es für das Thema eine weitaus größere und vor allem kritischere Öffentlichkeit, sodass wir die Zeit gekommen sehen, die Forderungen nach einem Blei
berecht insbesondere für Roma aus dem Kosovo erneut in den Landtag einzubringen. Wir erhoffen uns zum jetzigen Zeitpunkt eine andere und ernsthaftere Debatte über dieses Thema.
Am 12. April dieses Jahres besiegelten die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kosovo endgültig die Abschiebung von mindestens 10.000 Roma in den Kosovo. Weitere 4.000 Menschen, darunter viele Ashkali und auch Serben aus mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebieten, müssen nun ebenfalls verstärkt mit ihrer Abschiebung rechnen.
Diese mehr als 14.000 Menschen werden nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland aus den sozialen Beziehungen gerissen, die sie sich hier aufgebaut haben. Es werden Kinder aus Deutschland abgeschoben, die hier geboren sind und dieses Land als ihre Heimat ansehen. Es werden Alte und Kranke in die medizinische Unterversorgung und damit den Tod abgeschoben. Für viele, die durch ihre erzwungene Flucht vor zehn Jahren noch traumatisiert sind, bedeutet die Abschiebung eine zweite Vertreibung, mit allen psychologischen Folgen.
All dies ist hinlänglich bekannt. Es gibt eine Vielzahl von Studien und Berichten von Nichtregierungsorganisationen, der OSZE, dem UNHCR, dem Menschenrechtskommissar des Europarats und anderen über die schlimme Situation gerade der Angehörigen der Minderheit der Roma im Kosovo. Es gibt eine Legion von Berichten von engagierten Journalistinnen und Journalisten, die das unerträgliche Schicksal der Abgeschobenen für Zeitungen, Radio und Fernsehen dokumentiert haben. Die Wirtschaft des Landes liegt völlig am Boden, und die Roma sind von der allgemein immens hohen Arbeitslosigkeit aufgrund ihrer Ausgrenzung in besonderem Maße betroffen.
Wir LINKE stehen mit unserer Forderung nach einem Bleiberecht für diese Menschen nicht allein. Die Migrationskommissarin der Deutschen Bischofskonferenz hat in einer Pressemitteilung davor gewarnt, Menschen in unsichere und unwürdige Verhältnisse abzuschieben. Ich will an dieser Stelle auch gern auf den Osterappell 2010 verweisen, in dem vor Abschiebungen in den Kosovo gewarnt und eine humanitäre Aufenthaltsregelung für Roma aus dem Kosovo gefordert wurde.
Wie bereits im Jahr 2000 hat sich eine Reihe aktiver und ehemaliger Bundestagsabgeordneter fraktionsübergreifend gegen die Abschiebung von Roma gewandt, darunter Dr. Hermann Otto Solms, Prof. Dr. Schwarz-Schilling, Claudia Roth, Barbara Lochbihler und viele andere. Ich will aus ihrem Schreiben eine Passage zitieren, die mir besonders am Herzen liegt:
Deutschlands historische Verantwortung gegen über den Roma kann sich nicht allein in historischen Gedenkveranstaltungen erschöpfen. Deutschland hat sich zur historischen Verantwortung für den Holocaust an den Juden bekannt und praktische Maßnahmen wie ausländerrechtliche Sonderregelungen in diesem Zusammenhang ergriffen; siehe z. B. die gesetzliche Regelung für jüdische Kontin gentflüchtlinge. Gegenüber den Roma scheint die historische Verantwortung in der Praxis keinerlei Niederschlag zu finden. Wie anders lässt es sich erklären, dass routinemäßig Roma, und darunter auch Alte, Kranke, Kinder und Jugendliche, jetzt in den Kosovo abgeschoben werden, ohne dass politisch Verantwortliche gegenüber solchen Maßnah
Diese Frage kann ich nur an jene weiterreichen, die sich im parlamentarischen Raum weigern, unverantwortlichen Abschiebungen Einhalt zu gebieten, und jene humanitäre und historische Verantwortung von sich weisen. Bisher wird der Völkermord an den Sinti und Roma nicht mit der realen Verfolgungssituation auf dem Balkan in Verbindung gebracht. Im Schnitt verlor jede zweite Romafamilie auf dem Balkan Familienangehörige im Holocaust.
Dieses Schicksal ist jedoch, wie das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin feststellt, für politische Entscheidungen irrelevant. Ich bin auf Ihre Antworten in der parlamentarischen Aussprache sehr gespannt. Wir alle sollten uns klarmachen, welche vielleicht einmalige Chance sich unserem Landtag mit diesem Thema bietet.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal deutlich machen, dass ich ziemlich irritiert darüber bin, dass wir einerseits diese Situation haben und ich andererseits eine Einladung zu einer Ausstellung mit dem Titel „Hornhaut auf der Seele“ vorfinde, die hier im Januar stattfindet. Wir haben schöne Einladungen, wir haben schöne Ausstellungen. Aber was hat das mit dem praktischen Leben zu tun?