Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle einig, dass der Zivildienst nicht komplett durch die neue Gesetzgebung ersetzt werden kann. Aber ich bin frohen Mutes, dass wir einen Großteil hier auffangen werden.

Die Zahlen in Hessen hat Kollege Bocklet schon angesprochen. Da geht es um knapp 3.500 Freiwillige, die ihren Dienst leisten. Es gibt eine Vielzahl von zusätzlichen Personen, die hier gern ihren Dienst leisten würden und leider keinen Platz bekommen. Ich denke, dass wir hier in Hessen auch vieles bewegen können.

Ich finde es auch richtig, dass es in diesem Gesetz Anreize für junge Menschen gibt, die eventuell auch Vorteile im Hinblick auf die Ausbildung und eine Art Fortbildung für die Ausbildung im Studium oder auch später im Beruf bekommen. Hier sollten Anreize geschaffen werden, dass junge Menschen mehr darauf zugreifen.

Ich möchte die Gelegenheit aber auch einmal nutzen, den 3.500 Freiwilligen zu danken, die hier für uns in Hessen ganz viel leisten. Ich habe regelmäßig Kontakt mit FSJLeuten, die in vielen Bereichen – ob es im Kindergarten ist, im Sport oder in Krankenhäusern – eine unglaublich gute Arbeit leisten, die für uns im sozialen Engagement sehr wichtig ist. Von hier aus einen herzlichen Dank für das Engagement. Sie tun einen wichtigen Dienst für die Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einige Sätze noch zum Antrag der GRÜNEN. Ich sehe diese Doppelstruktur durchaus, aber wir haben sie schon. Wir haben momentan schon die Zivildienststruktur und die FSJ-Struktur. Ich behaupte, den Zivildienstleistenden oder den FSJlern ist egal, woher das Geld kommt.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn sie weniger bekommen?)

Das hat Willi van Ooyen richtig gesagt. Das muss ich ihm zugestehen. Es ist eine Aussetzung der Wehrpflicht. Es kann jederzeit wieder dazu kommen, dass die Wehrpflicht wieder eingesetzt wird. Deswegen ist es wichtig, dass gewisse Strukturen erhalten bleiben. Deswegen halte ich es auch für richtig. Ich glaube, wir werden uns da nicht ins Gehege kommen. Denn in den letzten Jahrzehnten sind wir uns in diesem Punkt auch nicht ins Gehege gekommen.

Abschließend möchte ich sagen: Ich bin wirklich sehr gespannt, wie sich das alles entwickelt. Ich bin frohen Mutes. Das, was jetzt vorgelegt worden ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich glaube, dass wir uns das alles in Ruhe anschauen müssen. Wir müssen das bewerten und beobachten. Das ist etwas Neues. Aber ich glaube, wir gehen mit dem Gesetz und mit dem, was da auf Bundesebene passiert, in die richtige Richtung. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Burghardt. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Roth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es liegen uns zwei Anträge vor, die einen Punkt gemeinsam haben, in dem festgestellt wird, dass das Engagement junger Menschen im Rahmen der Freiwilligendienste eine besondere Anerkennung verdient. Das will ich zu Beginn meiner Rede ausdrücklich feststellen und den jungen Menschen, die seit vielen Jahren in diesem Dienst tätig waren und

jetzt aktuell tätig sind, herzlich für das danken, was sie dort leisten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Viele junge Menschen in unserem Land wollen sich aktiv in die Gesellschaft einbringen. Dieses zivile Engagement muss bestmöglich gefördert und unterstützt werden. Die Jugendfreiwilligendienste wie das freiwillige soziale, ökologische oder demokratische Jahr, andere sind zu nennen, haben in den vergangenen Jahren großen Zuspruch erfahren und sind langjährig erprobt. Sie eröffnen im Übergang zwischen Jugend- und Erwachsenenphase jungen Menschen die Chance, sich persönlich und beruflich zu orientieren und zu engagieren. Von diesem Einsatz profitieren nicht nur die Jugendlichen selbst – auch die –, davon profitiert ganz besonders unsere Gesellschaft. Deshalb müssen wir diese Freiwilligendienste und damit die Zivilgesellschaft stärken.

(Beifall der Abg. Torsten Warnecke (SPD) und Wolfgang Greilich (FDP))

Die Chance ergibt sich im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht und des damit verbundenen Wegfalls des Zivildienstes für die Zivilgesellschaft, nämlich attraktive und gut ausgestattete Freiwilligendienste weiterhin konsequent zu stärken.

Der geplante Bundesfreiwilligendienst bedeutet in diesem Zusammenhang – ich füge es direkt hinzu – eine sinnlose Doppelstruktur.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Er bedeutet mehr Bürokratie und unnötige Kosten.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie die FDP! – Heiterkeit bei der SPD)

Was wir brauchen, ist ein einheitlicher und attraktiver Freiwilligendienst für alle jungen Menschen. 80.000 Menschen interessieren sich jährlich für das FSJ oder das FÖJ. Das sind derzeit fast doppelt so viele, wie wir an Plätzen zur Verfügung stellen können. Die von der Bundesregierung geplanten 35.000 Plätze im Bundesfreiwilligendienst werden deshalb auch vor dem Hintergrund der eben angesprochenen Ausweitung auf andere Generationen in keinem Fall ausreichen. Das kann nicht zufriedenstellen. Deshalb fordern wir, die Mittel aus dem wegfallenden Zivildienst konsequent und vollständig in den Ausbau der Freiwilligendienste zu investieren und die Dienste dauerhaft auf eine solide Finanzierungsgrundlage zu stellen. Wir legen Wert darauf, dass diese Freiwilligendienste beschäftigungsneutral sind, und schließlich, dass den Freiwilligen ein angemessenes Taschengeld gezahlt wird.

(Beifall der Abg. Regine Müller (Schwalmstadt) (SPD))

Herr Burghardt, jetzt kommt der entscheidende Punkt: Bei dem, was Sie vorgetragen haben, kann es tatsächlich passieren, dass wir in ein und derselben Einrichtung, je nachdem, in welchem Dienst jemand ist, zwei unterschiedliche Entgelte, also Taschengeld, zahlen. Das wäre eine Katastrophe.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Günter Schork (CDU): Das ist keine Katastrophe!)

Doch, es ist eine. Für diejenigen, die ein freiwilliges soziales Jahr machen und über einen anderen Dienst drin

sind, ist das ein Riesenproblem. Reden Sie mit den Menschen in den Einrichtungen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Keinerlei Zwangsdienste mehr!)

Wir haben an der Stelle jedenfalls die Chance, den Freiwilligendienst im Dialog mit der Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln, und das ist eine riesige Chance für unsere Gesellschaft.

Zum guten Schluss: Allen Jugendlichen, die sich in diesem Bereich engagieren, sollte der Dienst, den sie dort leisten, auf die Wartezeiten beim Studium angerechnet werden oder aber auch den Zugang zu einer Ausbildung erleichtern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu den beiden Anträgen. Wir haben uns mit beiden auseinandergesetzt und beide gewürdigt. Wir würden dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uneingeschränkt zustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem Antrag der CDU würden wir in den Punkten 1 und 4 zustimmen, die Punkte 2 und 3 lehnen wir ab. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Roth. – Für die FDP-Fraktion Herr Mick, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich, bevor ich auf die Anträge zu sprechen komme, noch einmal betonen, dass ich es außerordentlich begrüße, dass es die jetzige Bundesregierung geschafft hat, die Wehrpflicht auszusetzen. Das war eine langjährige Forderung von uns Liberalen. Dass dies Verteidigungsminister zu Guttenberg nun umsetzt, ist ein großer Erfolg der neuen Bundesregierung, und ich begrüße das ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Ein zweiter positiver Punkt, den ich hier zu Beginn hervorheben möchte, ist die äußerst positive Entwicklung der letzten Jahre, was die Freiwilligendienste angeht. Auch die neueste Shell-Studie hat bestätigt, dass die Bereitschaft unter jungen Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren, stetig wächst. Das ist etwas, worüber wir uns hier alle gemeinsam freuen können. Noch einmal zu den Zahlen: Beim jetzigen freiwilligen sozialen Jahr liegt das Verhältnis der nachgefragten Plätze zu den angebotenen bei 3 : 1, je nachdem wie man rechnet. Einige sagen, es seien 2 : 1, aber unsere Zahlen besagen 3 : 1; und es sind bis jetzt nur 5 % der Jugendlichen eines Abschlussjahrganges. Es ist natürlich klar, dass die Aussetzung der Wehrpflicht und der Wegfall des Zivildienstes hier eine erhöhte Nachfrage mit sich bringen werden. Insoweit ist es nur konsequent und richtig, dass zunächst einmal die bestehenden Angebote der Freiwilligendienste gestärkt werden.

Da kann ich die Kritik der Kollegen Bocklet und Roth auch nicht ganz nachvollziehen. Wie war es denn bisher?

Bisher zahlt der Bund einen Zuschuss zu den Freiwilligendiensten der Länder. Für das FSJ, also das freiwillige soziale Jahr, gibt es einen Zuschuss von 72 €, und zum freiwilligen ökologischen Jahr, also dem FÖJ, einen Zuschuss von 153 €. Das ist ein vollkommen unter schiedlicher Zuschuss, der überhaupt nicht gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der FDP)

Dieser Zuschuss wird jetzt geändert, und wir zahlen von der Bundesebene für alle Freiwilligendienste pauschal 200 €. Das ist zunächst einmal zu begrüßen und positiv. Dass Sie daraus noch etwas Negatives ableiten, finde ich absolut unsachlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum Zweiten müssen Sie sehen, dass die Länder noch etwas drauflegen. Das ist nur ein Zuschuss zu den pädagogischen Angeboten der Länder. Das heißt, jedes Land regelt für sich selbst noch einmal den Zuschuss unterschiedlich. Soweit ich weiß, sind es in Hessen 50 €. Das ist aber von Land zu Land unterschiedlich, und insofern kann man das gar nicht vergleichen. Auch die Kontingentierung in der Förderung der bisherigen Plätze wird aufgehoben, d. h. dass die Länder jetzt mehr Freiheiten haben als vorher. Insofern wird diese Säule des Länderfreiwilligendiens tes deutlich gestärkt, und es ist der höchste Zuwachs an Förderung, den die Freiwilligendienste seit ihrem Bestehen erfahren haben. Insofern ist das auch ein Punkt, wo wir uns als Jugendpolitiker aller Fraktionen eigentlich freuen und worauf wir stolz sein könnten. Man kann natürlich immer mehr verlangen. Ich denke aber, wir sollten uns erst einmal darüber freuen, dass es so weit gekommen ist. Das ist ein großartiger Erfolg dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, dann kommen wir zur zweiten Säule. Das ist die Einführung des sogenannten Bundesfreiwilligendienstes. Dieser steht allen Altersgruppen offen, und er wird ein ganz anderes Konzept beinhalten als die Freiwilligendienste der Länder. Der Bund wird eigene Schwerpunkte setzen und für diesen Freiwilligendienst eigene Konzepte vorlegen. Es ist richtig, dass er mit 500 € pro Platz gefördert wird. Es werden in den nächsten Jahren 35.000 Plätze geschaffen werden. Natürlich ist das nötig, um zunächst einmal den Wegfall des Zivildienstes zu kompensieren; denn es muss auch den Trägern vor Ort möglich sein, die bisher Zivildienstplätze anbieten, diese bei der Bundesverwaltung möglichst unbürokratisch in Freiwilligenplätze umzutauschen.

Insofern ist es nur konsequent, dass dafür zunächst einmal eine Bundesverwaltung vorgehalten wird. Auch der Vorwurf der Doppelstrukturen greift zu kurz. Auch wegen der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern wäre es den Ländern mit ihren bisherigen Freiwilligendiensten gar nicht möglich, diesen großen Stellenzuwachs abzuwickeln. Insofern muss zunächst einmal diese Doppelstruktur vorgehalten werden. Daher greift der Vorwurf zu kurz und geht ins Leere.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme gleich darauf. – Herr Kollege Bocklet, was den angeblichen Aufbau von Bürokratie angeht, der hier beklagt wird: Das Gegenteil ist der Fall. Es ist geplant, beim bisherigen Bundesamt für den Zivildienst mittelfris

tig bis zu 1.000 Stellen einzusparen. Daher kann man sagen, dass trotz der angeblich beklagten Doppelstrukturen ein deutlicher Bürokratieabbau stattfinden wird.