Protokoll der Sitzung vom 01.02.2011

Herr Minister, Sie sollten den Menschen dann auch erklären, dass Hessen zwar vielfältige kulturelle Angebote hat, dass in der Landesregierung aber großer Wert auf die

deutsche Leitkultur gelegt wird und dass sich die Zuwanderer bitte darauf einstellen sollen.

Herr Minister, der letzte Punkt, zu dem ich sprechen möchte, sind die Branchen, die Sie aufgezählt haben, die Schwerpunkte der hessischen Außenwirtschaftsförderung darstellen sollen. Es überrascht nicht, dass das die Finanzdienstleistungen, Industrie, Verkehr und Logistik umfasst. Aber bemerkenswert finde ich doch, dass Sie als einen der wichtigsten Bereiche Umweltschutz und Energieeffizienz bezeichnen, wo Sie diesen Bereich im Inland doch so konsequent benachteiligen, z. B. durch den Ausbau von Kohlekraftwerken, Autobahnen und Flughäfen. Aber so gesehen ist es vielleicht auch kein Wunder, dass die Ökobranche Exportförderung braucht; denn hier in Hessen hat sie leider nicht viel zu lachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, aber vielleicht sollten Sie erst einmal in Hessen Ihre Haltung bezüglich Umweltschutz und Energieeffizienz überdenken, bevor Sie ankündigen, diese Branche auch noch zum Schwerpunkt der Außenwirtschaftsförderung zu machen.

Meine Damen und Herren, vielen Dank. – Wenn Herr Staatsminister Wintermeyer seine Zwischenfrage stellen möchte, kann er sie jetzt gerne stellen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist eine Endfrage, keine Zwischenfrage!)

Frau Kollegin Wissler, Herr Wintermeyer hat sich anders entschieden. Er wird jetzt gleich eine Kurzintervention starten. – Vielen Dank für Ihren Beitrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe das getan, was Frau Wissler von mir verlangt hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Her- mann Schaus (DIE LINKE): Weiter so!)

Ich wollte nur als Abgeordneter eine Frage stellen und habe von ihr gehört, ich solle eine Kurzintervention machen. Dann habe ich eben einen solchen blauen Zettel abgegeben.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Wissler, ich möchte nicht Ihre Rede bewerten. Ich glaube, das kann jeder für sich selbst. Aber während Ihrer Rede wollte ich Ihnen die Frage stellen – als Sie Minister Posch aufgefordert haben, sich bei seinen Besuchen im Ausland für Menschenrechte einzusetzen, und dabei verschiedene Staaten genannt haben. Komischerweise haben Sie z. B. einen Staat wie Venezuela nicht genannt. Meines Wissens waren Sie selbst in Venezuela und haben Hugo Chávez besucht. Ich stelle Ihnen jetzt die Frage: Haben Sie an sich selbst genau denselben Maßstab angelegt wie den, den Sie eben gerade vom Herrn Minister gefordert haben? Denn wenn ich die Bemerkungen von Amnesty International und auch der entsprechenden Menschenrechtsorganisationen aus Lateinamerika richtig lese, dann zählt Venezuela nicht unbedingt zu den Ländern, in denen die Demokratie nach vorn gebracht wird,

in denen die Menschenrechte geachtet werden, in denen die Pressefreiheit geachtet wird. Da würde mich einmal interessieren, was Sie mit Ihrem Freund besprochen haben.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Wintermeyer. – Frau Wissler hat Gelegenheit zur Antwort.

Herr Minister, zuerst einmal würde ich mich durchaus freuen, wenn Sie meinem Rat öfter folgen würden – wie Sie das jetzt hier getan haben. Ich glaube, dann würde in Ihrer Politik einiges besser werden.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich sage gerne etwas zu Venezuela. Bedauerlicherweise ist das kein Ziel der Delegationsreise der Hessischen Landesregierung. Es wäre sicher ganz nett, auch einmal dorthin zu fahren. Dort könnten Sie bestimmt neue Eindrücke gewinnen.

Herr Minister, leider hat mich der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, nicht persönlich empfangen. Das war leider offensichtlich nicht möglich.

Ich will darauf hinweisen: Im Gegensatz beispielsweise zu Saudi-Arabien gibt es in Venezuela durchaus demokratische Wahlen,

(Widerspruch bei der CDU)

dort gibt es Gewerkschaften, die sich frei organisieren können.

(Judith Lannert (CDU): Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden!)

Dort gibt es keine Hinrichtungen. Meines Wissens können dort Frauen Berufe ausüben – und das trifft bei den Ländern, in die Sie dieses Jahr fahren, nicht überall zu.

Aber natürlich haben Sie recht: In allen Ländern muss man ein kritisches Auge darauf werfen, ob es dort Fehlentwicklungen gibt. Deshalb haben wir auf unserer Delegationsreise – und das erwarte ich vom Minister – nicht nur mit dem Außenministerium der Regierung gesprochen und alles blind geglaubt, was uns dort erzählt wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Vielmehr haben wir uns auch mit Organisationen der Zivilgesellschaft getroffen. Ich selbst habe dort kleine lokale Radiostationen und Bürgerschaftskomitees besucht, habe mich beispielsweise mit Studierendengruppen getroffen. Herr Minister, genau das finde ich den wichtigen Punkt: Wenn Delegationsreisen ins Ausland gemacht werden, darf man nicht alles glauben, was einem dort die Regierungsvertreter erzählen, sondern man muss sich ein eigenes Bild von der Lage machen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Deswegen kann ich nur meine Aufforderung an Minister Posch wiederholen: Wenn Sie nach Saudi-Arabien, nach Libyen, nach China fahren, treffen Sie sich dort auch mit

Oppositionellen, mit Regimegegnern, und sprechen Sie vor allem die Menschenrechtsverletzungen offensiv an. Nehmen Sie keine Rücksicht darauf, dass das vielleicht die Geschäfte stören könnte. Herr Minister, das fordern wir von Ihnen. Das halten wir für eine Selbstverständlichkeit für den hessischen Minister. Sie fahren nicht als Vertreter von Siemens dorthin. Sie fahren als Vertreter der hessischen Bevölkerung dorthin. Als solcher sind Sie Demokratie und Menschenrechten verpflichtet.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Als Nächster spricht Herr Dr. Arnold für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Posch hat in seiner Regierungserklärung ein neues Konzept, ein optimiertes Konzept für die Außenwirtschaft vorgetragen.

Ich bin ein Stückchen enttäuscht, dass die Kollegen von SPD und GRÜNEN – Frau Wissler, Ihren Beitrag möchte ich nicht kommentieren –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das hat der Staatsminister schon gemacht!)

nicht darauf eingegangen sind.

Ich möchte nochmals eines deutlich machen. Was Kollege Siebel vorgetragen hat – ich sehe ihn gerade nicht –, diese Verbindung, die in diesem Antrag herausgekommen ist, zwischen Außenwissenschaft, Bildungsfragen und Entwicklungszusammenarbeit, ist sicherlich wichtig. Aber ich möchte einfach einmal sagen – wir werden es ja im Ausschuss weiter diskutieren –: Wir sollten uns dabei nicht überheben. Wir sollten uns über das unterhalten, was wir tun können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, worüber wir uns heute unterhalten – und ich finde es gut, dass Sie, Herr Siebel, das sagen –, ist eine Sache, für die wir uns gemeinsam interessieren müssen. Denn es geht um hessische Unternehmen und um die Frage, ob wir weiterhin exportstark sind. Es geht auch um die Frage, wie wir mittelständische Unternehmen dabei unterstützen können, dass sie ihre Produkte besser vermarkten können. Da geht es nicht nur um den Inlandsmarkt, sondern vor allen Dingen auch um den Export.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, interessant ist das, was bereits in den Beiträgen von Minister Posch und vom Kollegen Lenders deutlich wurde: Der Mittelstand in Hessen hat eine bemerkenswert hohe Exportrate. 40 % des hessischen Mittelstandes haben Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland. Das sind nicht nur die größeren Mittelständler, sondern sogar die Kleinstunternehmen – also die bis zu zehn Mitarbeiter – haben einen beachtlichen Anteil von Geschäftsbeziehungen ins Ausland, nämlich 33 %. Bei den kleinen Unternehmen steigt dieser Wert auf 39 %. Bei den mittleren Unternehmen liegt dieser Wert natürlich höher, dort liegt er bei fast 60 %.

Aber eines ist doch klar. Hier wurde vorgetragen, dass von dem hessischen Export gut 50 %, also der größere

Teil, nach Europa gehen. Dieses Europa mit 27 Ländern und über 500 Millionen Einwohnern ist natürlich unser Hauptexportgebiet – dorthin gehen 60 % unseres Exports.

Aber bei den anderen Ländern steigt unser Exportanteil, und dort sind die Schwierigkeiten ein bisschen größer. Das ist nicht nur ein Sprachproblem. Dort lautet die Frage auch: Wie sind die steuerlichen Bedingungen? Wie sind die gesellschaftsrechtlichen Bedingungen? Wie bekomme ich Arbeitskräfte? Was muss ich dort beachten?

Jede Reise einer Wirtschaftsdelegation in ein solches Land bringt neue Erkenntnisse: Schaut man beispielsweise auf Brasilien mit seinen verschiedenen Bundesländern – wie bei uns, 18 an der Zahl –, so stellt man fest, dort existiert in jeder einzelnen dieser Provinzen eine andere Umsatzsteuerquote. So etwas können wir uns gar nicht vorstellen. Das sind Fragen, die natürlich eine große Rolle spielen.

Aber noch einmal zurück zu dem, was hier vorgetragen wurde. Herr Minister Posch hat klar gesagt: Wir haben uns neu aufgestellt, auch mit der Hessen-Agentur. Wir haben ein Konzept, das im Grunde genommen darauf zielt, dass wir zum einen jene Handelspartner, bei denen wir im Export besonders stark sind – nämlich die europäischen Staaten, aber auch die USA –, weiterhin pflegen. Das ist der erste Schwerpunkt, der hier ganz klar vorgetragen wurde.

Zum Zweiten aber müssen wir natürlich auch bevölkerungsstarke Länder, in denen es eine starke Nachfrage gibt, in den Fokus nehmen, und zwar diejenigen, die ein besonders starkes Wachstum haben und dadurch für unsere eigene mittelständische Wirtschaft interessant sind. Das sind die BRIC-Staaten – das sind Brasilien, Russland, Indien und auch China –, und das ist durchaus auch der Nahe Osten: die Golfstaaten und Saudi-Arabien.

Wer einmal Teilnehmer einer solchen Wirtschaftsdelegationsreise war – das sind weiß Gott keine Vergnügungsreisen, sondern sie sind mit vielen Gesprächen vollgepackt –, der wird Folgendes feststellen: Diejenigen, die dort Geschäftsbeziehungen angehen, der Mittelstand, die Unternehmer, müssen das selbst tun. Aber die Politik, die eine solche Delegationsreise führt, ist im Grunde genommen der Türöffner für solche Aktivitäten.

Es ist sehr klar, dass, wenn ein Minister oder ein Staatssekretär eine solche Delegationsreise führt, der Kreis der Gesprächspartner ein ganz anderer ist, als wenn ein Unternehmer, ein Mittelständler aus Deutschland nach China, nach Brasilien oder nach Saudi-Arabien fährt.

Ich durfte selbst an solchen Delegationsreisen teilnehmen. Dabei habe ich klar gesehen, dass beispielsweise in den Provinzen in China nicht unbedingt der dortige Gouverneur der entscheidende Gesprächspartner ist, sondern der Generalsekretär der Kommunistischen Partei. – Eigentlich müsste das Sie begeistern, aber das will ich jetzt nicht weiter ausführen.