Meine Damen und Herren, der 14-Punkte-Plan von Bund und Ländern ist eine gute Grundlage, die Lebensmittelsicherheit in Deutschland – und damit auch in Hessen – zu verbessern. Jedoch können diese Maßnahmen nur erfolgreich sein, wenn die folgenden Punkte auch EU-weit geregelt werden:
erstens Trennung der Produktionsströme von technischen Fetten und Futtermitteln, zweitens Erstellung einer verbindlichen Positivliste der zulässigen Einzelfuttermittel, drittens Erlass von Regelungen zur Absicherung des Haftungsrisikos von Futtermittelunternehmen, viertens Einführung einer Meldepflicht für alle privaten Prüflaboratorien in der EU sowie ein koordinierter Ansatz für ein EUweit intensiviertes Dioxin-Monitoring.
Leider fanden nicht alle diese Punkte des Aktionsplans der Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Zustimmung der EU-Kommission. Eine verbindliche Positivliste der Einzelfuttermittel überzeugte die Kommission nicht, und eine Absicherung des Haftungsrisikos hatte die Kommission bereits im Jahr 2008 abgelehnt. Dies soll vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens nach Aussage des Kommissars Dalli jedoch nochmals geprüft werden.
Meine Damen und Herren, die durch den Dioxinskandal wirklich Geschädigten sind unsere Landwirte und die Lebensmittel produzierenden Betriebe.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Und die Verbraucherinnen und Verbraucher!)
In Deutschland wurden vorsorglich alle Betriebe, die potenziell kontaminiertes Futtermittel erhalten haben, gesperrt. In der Spitze waren das 4.760 Betriebe. Sie bleiben auf ihren Produkten sitzen und geraten deshalb in ernste Schwierigkeiten. Sie haben auch den Verfall der Schweinefleischpreise zu verkraften. Das liegt daran, dass der Verbraucher entsprechend weniger kauft und die Bestände preislich reduziert werden müssen.
Die Risiken von Futtermittelverunreinigungen müssen von der Futtermittelindustrie gemeinschaftlich getragen werden. Es kann nicht sein, dass nach der Insolvenz eines
Der aktuelle Fall ist aber gänzlich ungeeignet, in sozialromantischer Sichtweise eine kleinteilige Biolandwirtschaft zu fordern.
Die Vermutung, dass Biobetriebe regelmäßig weniger belastete Lebensmittel liefern als konventionelle Höfe, bestätigt sich nicht.
Die Biolandwirtschaft will die Umwelt durch den Verzicht auf Kunstdünger und Pflanzenschutzchemie schonen, und sie will den Tieren mehr Freiraum geben, als es in der konventionellen Landwirtschaft der Fall ist. Dazu gehört, dass die Viehhalter auf Biobetrieben die Tiere im Freien halten, weil das als artgerecht angesehen wird – im Gegensatz zur reinen Stallhaltung. Die Tiere sind den Giften ausgesetzt, die in Gras und Boden lauern, z. B. Cadmium, Blei, Quecksilber oder Dioxine.
Diese Stoffe sind in freier Natur praktisch überall zu finden. Die Dioxinaufnahme über Lebensmittel war vor 20 Jahren etwa zehnmal so hoch wie heute. Auf der einen Seite ist unsere Lebensmittelherstellung auf dem Weltmarkt immer noch nicht konkurrenzfähig, auf der anderen Seite erwarten insbesondere die Länder der Dritten Welt, dass wir unsere Märkte für ihre Produkte öffnen. Deshalb geht der Trend in Europa in Richtung arbeitsteilige Produktion von Lebensmitteln. Die Menschen in Europa brauchen bezahlbare Lebensmittel. Viele können sich den Luxus teurer Ökoprodukte einfach nicht leisten.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege von Zech, auch auf die Gefahr hin, dass Sie mir böse sind, weise ich Sie darauf hin, dass die Redezeit langsam zu Ende geht.
Ich komme gleich zum Schluss. – Deshalb müssen aber alle am Markt angebotenen Lebensmittel gesundheitlich unbedenklich sein.
Die arbeitsteilige Produktion von Lebensmitteln kann aber nur funktionieren, wenn wir Vertrauen in die Akteure setzen können. Allen ehrlichen und integren Verantwortlichen in der Lebensmittel- und Futtermittelproduktion muss es ein Anliegen sein, dass kriminelle und fahrlässige Handlungen unterbleiben oder verhindert werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr von Zech, eines kann ich an Ihrer Rede am allerwenigsten verstehen: Die Giftstoffe, die in die Erde gekommen sind, befinden sich dort sozusagen seit der Schöpfung. Die haben nichts damit zu tun, wie wir unser Leben, unsere industrielle Produktion, unsere Landwirtschaft und Sonstiges gestalten. Es ist also nicht so, dass wir sie vorher freigesetzt haben und sie deshalb jetzt in der Erde sind.
Wir verseuchen unsere Umwelt und beklagen uns dann, dass wir nicht mehr essen können, was diese Welt hervorbringt. Da greift Ihre Logik merkwürdig kurz.
Dioxin ist gefährlich; das wissen wir alle. Doch mit dem Reden über Grenzwerte, die die Belastung unserer Lebensmittel mit Dioxin überwiegend nicht erreicht, wird der Bevölkerung suggeriert, Dioxine seien Gifte, die unterhalb eines bestimmten Grenzwerts ganz unschädlich seien und erst, wenn sie diesen überschritten, problematisch würden.
Dioxin sammelt sich in unserem Fettgewebe an, und jede auch noch so kleine Menge erhöht die Konzentration eben dort. Es kann also keinen Grenzwert für unsere Nahrung geben, unter dessen Schwelle das Vorkommen von Dioxin unbedenklich ist. Deshalb haben Dioxine wie PCB und viele andere langlebige Chemikalien in unseren Nahrungsmitteln nichts zu suchen, auch nicht in für die Gesundheit unbedenklichen Mengen.
Da Dioxine, zu denen übrigens auch das als Seveso-Gift bekannte TCDD gehört, so fettliebend sind, finden sie ihren Weg in unsere Nahrungsmittel zu 80 % über die Verfütterung von Fett in der Tiermast. Die restlichen 20 % stammen tatsächlich aus der Umwelt. Bei den 20 %, die aus der Umwelt stammen, handelt es sich um keine Naturkonstante; denn auch diese Hintergrundbelastung ist zum allergrößten Teil das Ergebnis diffuser, für unbedenklich gehaltener Einträge von Giftstoffen aus Verbrennungsanlagen, aus der chemischen Industrie, aus technischer und landwirtschaftlicher Anwendung oder aus Unfällen – was im Einzelfall häufig schwer zu unterscheiden ist. Kurzum: Das meiste Gift haben wir selbst freigesetzt.
Warum erzähle ich Ihnen das hier alles? Wir sind schließlich nicht im Bio-Leistungskurs. Aber die Verantwortlichen wollen uns weismachen, dass die aktuellen Dioxinbelastungen in Lebensmitteln durch das Fehlverhalten einzelner schwarzer Schafe verursacht wurden. Sie hätten die ganze Branche in Misskredit gebracht, so Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner und so auch CDU und FDP in ihrem Dringlichen Antrag.
So sehen dann auch die Lösungsstrategien aus: Schwarze Schafe fängt man, indem man bessere Kontrollen hat, oder man schreckt sie durch höhere Strafen ab. So weit ist das alles machbar, ist das alles richtig. Aber das grundlegende Problem einer Gefährdung unserer Nahrungsmittelproduktion durch Umweltgifte wie Dioxin ist damit nicht wirklich zu lösen. Die Engführung der Diskussion seitens der verantwortlichen Politiker, der Agrarlobbyisten und der Vertreter der Nahrungsmittelindustrie auf schwarze Schafe, Strafen und Kontrollen sollte grundle
Hat es aber nicht. Zum Leidwesen der Profiteure dieses Markts, der für Milliarden von Euro gut ist, werden landauf, landab in jeder Illustrierten und in jeder Talkshow das Elend der Massentierhaltung, die Risiken eines unregulierten Weltmarkts und die gesundheitlichen Folgen eines übermäßigen Fleischkonsums diskutiert.
Öffentlich diskutiert wird, ob ethische und Gesundheitsgründe, Gründe des Klimaschutzes und der Verteilungsgerechtigkeit dagegen sprechen, dass wir uns weiterhin eine derart ressourcenverschwendende und umweltzerstörende Fleischproduktion leisten. Ganz ohne K-Wort wird in der öffentlichen Debatte die Systemfrage gestellt.
Die Verantwortlichen bemühen sich hingegen, das System zu perfektionieren. Immunisiert durch Sofortmaßnahmenkataloge und Zehnpunktepläne, versuchen sie, die kritischen Fragen aus dem Geschäft der politischen Regelung herauszuhalten.
dass die Nahrungsmittelindustrie immer neue Probleme mit gefährlichen, nicht deklarierten Inhaltsstoffen, mit gepanschten und verseuchten Nahrungsmitteln erzeugt und dass weder BSE, Hormone noch das Gammelfleisch überwunden sind. Wir müssen auch eingestehen, dass, was die Schweinegrippe betraf, eine unverantwortliche Massentierhaltung der Ausgangspunkt für neue Krankheitserreger war.
Darüber hinaus ist der Fleischkonsum in unserer Gesellschaft kein Modell für die gesamte Weltbevölkerung. Dafür ist die Produktion zu klimaschädlich und verbraucht zu viele Ressourcen und Flächen. Der weitgehend unkontrollierte Weltagrarmarkt – Wettbewerb um jeden Preis, ohne soziale oder ökologische Leitplanken – treibt das Geschäft der Massenerzeugung an.
Dumpingpreise dominieren, wobei in Deutschland nicht nur die Qualität und der Verbraucherschutz auf der Strecke bleiben. Wir alle kennen die Bilder von brandgerodeten Urwäldern: Auf den frei gewordenen Flächen wird jetzt Soja für Tiermast produziert. Wir wissen, dass die Reste der Hähnchen, deren Filetstücke wir in der Landtagskantine gegessen haben, nach Afrika exportiert werden.
Eine Studie im Auftrag der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen zeigt, dass in Ghana noch Anfang der Achtzigerjahre der gesamte Konsum von Hühnerfleisch aus der heimischen Produktion bestritten wurde. Die EU hat in sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen die Marktöffnung erzwungen. Gegen die Billigimporte aus der EU waren die Bauern aber chancenlos. Ohne Einkommen leiden sie jetzt Hunger. So paradox das klingt: Billiges Hühnerfleisch macht Hunger.
Das System der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU – GAP – ist keineswegs auf den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft ausgerichtet. Das trifft nicht nur Ghana, sondern auch Hessen. Wie die Krise bei der Milchproduktion gezeigt hat, geht der Riss auch mitten durch den Bauernverband: auf der einen Seite die Großproduzenten, die sich der Lobbyvertretung in Brüssel sicher sein
können, auf der anderen Seite Klein- und Familienbetriebe, die genau aufgrund dieser auf Industrieproduktion ausgerichteten Lobbyarbeit in ihrer Existenz gefährdet sind. Das ist der Typus Betrieb, den wir in Hessen überwiegend haben.
Wir subventionieren hier enorme Umweltschäden, die durch die massenhafte Produktion von qualitativ fragwürdigem Mastfleisch entstehen. In den Importländern, die wir mit gefrorenem Hühnerklein und Schweinehälften zwangsbeglücken, ruinieren wir die kleinbäuerlichen Strukturen. Das kann und darf nicht Ziel einer deutschen, einer europäischen Agrarpolitik sein.
Nicht nur ökologisch, sondern auch volkswirtschaftlich ist das eine ruinöse Politik. Wir subventionieren diese Massenproduktion. Wir müssen für die dadurch verursachten Umweltschäden aufkommen. Wir geben wiederum Geld aus, um die Bauern zu stützen, die durch diese Subventionswirtschaft verdrängt werden. Wir zahlen zur Kompensation der Klimaschäden. Wir zahlen, um Menschen in anderen Ländern vor dem Hungertod zu retten, und vieles mehr. Diese Bilanz kann nur negativ ausfallen.