Ein weiteres Beispiel. Die Frauenquoten in diversen Gremien der hessischen Ministerien sind zum Teil skandalös niedrig. Der Bericht deutet allerdings nicht einmal in einem Nebensatz an, dass – und vielleicht sogar wie – dieser Missstand angegangen werden könnte. Das ist mindestens bedauerlich. Das Beispiel des Kunstbeirates deutet darauf hin, dass es auch anders laufen kann.
Frau Kollegin Schott, entschuldigen Sie bitte. – Es ist eine extreme Unruhe hier im Saal. Ich möchte Sie bitten, der Rednerin zu folgen oder Ihre Gespräche außerhalb des Saales fortzuführen. Danke schön.
Die Gleichgültigkeit des Berichts gegenüber der Frauengleichstellung wird auch daran kenntlich, dass der Bericht wenig oder gar keine Hinweise gibt, welche Instrumente hilfreich und wirksam sind, welche es nicht sind und warum das jeweils so ist.
Um bei dem genannten Beispiel zu bleiben: Im Kunstbeirat des Landes Hessen wurde in den letzten drei Jahren die Frauenquote um 37,5 Prozentpunkte gesteigert. Sie liegt jetzt bei 50 %. Das ist sehr erfreulich. Aber: Mann und Frau findet keinen Hinweis, wie und warum das gelungen ist und ob und wie solche Erfahrungen auf andere Bereiche übertragen werden könnten.
Der dritte Punkt der Gleichgültigkeit: Es gibt keinen Hinweis auf eine Intensivierung der Aktivitäten der Landesregierung bzw. des Hessischen Sozialministeriums. Ich bleibe exemplarisch bei den Gremien der Hessischen Landesregierung. Beim hessischen Wirtschaftsministerium beträgt die Frauenquote beispielsweise durch
schnittlich 21 %. Beim Umweltministerium ist es wahrscheinlich so schlimm, dass erst gar keine Zahlen genannt werden. Herr Minister, vielleicht habe ich den Satz überlesen, vielleicht habe ich ihn überlesen, obwohl ich danach gesucht habe – falls dem so sein sollte, zeigen Sie ihn mir bitte –: Wo steht der minimale Satz, dass Sie in den nächs ten drei Jahren verstärkt daran arbeiten wollen, diesen Missstand zu beheben?
Wo wollen Sie, wo kann und will die Hessische Landesregierung denn sonst aktiv werden, wenn nicht bei den Gremien der hessischen Ministerien? Das ist doch die erste Stelle, an der Sie handeln müssen.
Der Bericht erweckt an verschiedenen Stellen den Eindruck, als ob Chancengleichheit und das Ziel der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem durch die Teilzeitarbeit von Frauen auch in höheren und Führungspositionen verwirklicht werden könnten. Dass auch Männer verstärkt auf Teilzeit orientiert werden sollten, scheint nicht zu den Zielen zu gehören.
Der Bericht ist das eine. Was viel schwerer wiegt, ist die Politik, die von Schwarz-Gelb – nicht nur von SchwarzGelb – in den letzten Jahren betrieben worden ist. Diese Politik wirkt allen Bemühungen um die Gleichstellung der Frauen und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegen.
Die Landesregierung betreibt eine systematische Politik der Verknappung personeller Ressourcen. Sinngemäß heißt es auf Seite 61 des Berichts: Auch in Zukunft wird es stetig knapper werdende Stellenkapazitäten geben. – Gleichzeitig wurden und werden die Wochenarbeitszeiten ausgedehnt. Außerdem betreiben Sie eine Politik der Lohnsenkung, auch im öffentlichen Dienst. Neben Ihrer neoliberalen Ideologie ist der Grund hierfür die Senkung der Steuern in den letzten zehn Jahren durch SPD, GRÜNE, FDP und CDU. Unter der großen Steuersenkungs- und „Schuldenbremse“-Koalition wird sich dieser Trend noch verstärken. Damit betreiben Sie eine den Zielen des Gleichberechtigungsgesetzes systematisch zuwiderlaufende Politik. Warum?
Die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit geht eindeutig zulasten einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Personalabbau führt zu steigender Intensivierung der Arbeit. Wer aber erschöpft von der Arbeit kommt, hat für Familienpflichten keine Kraft mehr. Und schließlich: Bei sinkenden Löhnen wird Teilzeitarbeit finanziell immer weniger attraktiv.
Wer ernsthaft für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist, muss endlich aufhören, mit einer Verlängerung von Wochenarbeitszeiten und mit durch Personalabbau bedingter Arbeitsverdichtung zu einer Verschlechterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beizutragen. Schaffen Sie Arbeitsbedingungen, die eine solche Vereinbarkeit ermöglichen.
Fangen Sie in Ihren eigenen Häusern an, und sorgen Sie dafür, dass wir nicht noch einmal 100 Jahre dafür brauchen. Vor etwa 100 Jahren haben wir angefangen, die Ge
schichte an der Stelle zu verändern. Gleichstellungspolitik für Frauen, 100 Jahre Frauentag, Wahlrecht für Frauen – all diese Dinge: Wir brauchen nicht noch einmal 100 Jahre, sondern wir brauchen jetzt Veränderungen für die Frauen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute über den Bericht zum Hessischen Gleichberechtigungsgesetz. Dieser Bericht wird alle drei Jahre vorgelegt. Er ist mit etwas Verspätung vorgelegt worden. Das nehmen wir auch zur Kenntnis.
Dieser Bericht ist leider nicht besonders rosig. Wer ihn sich genau angesehen hat – ich gehe davon aus, dass ihn sich zumindest die frauenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher intensiv angeschaut haben –, stellt fest, dass wir auf der Stelle treten. Das kann man an den Zahlen einfach ablesen.
Ich habe versucht, herauszufinden, ob andere Bundesländer bedeutend besser dastehen als Hessen. Da gibt es zwar den einen oder anderen kleinen Ausschlag; aber wenn man die Flächenländer im Westen nimmt, muss man feststellen, dass die Situation in Hessen nicht außergewöhnlich ist, dass es hier nicht besser oder schlechter aussieht als in anderen westlichen Flächenländern. Die Problematik bleibt also auf der Tagesordnung.
Dabei muss man sich überlegen, dass wir dieses Gesetz bereits seit 16 Jahren haben und seit 16 Jahren an diesem Thema arbeiten. Wir müssen sehen, wo wir heute angekommen sind. Wenn wir jetzt mit dem Finger auf die Wirtschaft deuten, gleichzeitig aber sehen müssen, wie schwer uns die Umsetzung im öffentlichen Dienst gelingt, erkennen wir, dass diese Schuldzuweisungen vielleicht doch ein bisschen schnell erfolgen. Ich glaube nämlich, dass wir zumindest die objektiven, die juristischen Hindernisse ausgeräumt haben.
Dennoch stellen wir fest, dass wir auf der Stelle treten. Es ist hier gesagt worden, dass der Anteil der Frauen in der B-Besoldung bei 12 % liegt. Der Anteil der Professorinnen beträgt 20 %. Das ist zwar eine positive Entwicklung, aber natürlich ist das noch weit von einer Parität entfernt.
Man stellt auch fest, dass die Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst massiv ist und dass diese Möglichkeit fast ausschließlich von Frauen genutzt wird. Da liegt der Verdacht nahe, dass dies eine Ausweichreaktion auf die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, dass mithilfe des öffentlichen Dienstes sozusagen schwierige Betreuungssituationen vor Ort kompensiert werden.
Das ist leider das einheitliche Bild des Berichts. Wenn man in die Berichte anderer westlicher Flächenländer schaut, erkennt man, dass diese Tendenz auch dort abzu
lesen ist. Wenn man sich die verschiedenen Gruppen, die in dem hessischen Bericht aufgeführt sind, genau anschaut, stellt man fest, dass bei den Arbeitern deutlich weniger Frauen berufstätig sind, dass bei den Angestellten weniger Frauen berufstätig sind – auch wenn man sagen kann, dass der Anteil stagniert, mit einer ganz leicht negativen Tendenz – und dass es bei den Beamtinnen einen Zuwachs von 3 % gegeben hat. Man sieht, dass es intern eine Verschiebung an dieser Stelle gibt.
Aus meiner Sicht ist es immer sehr einfach, pauschale Antworten zu geben. Wir haben das auch an anderer Stelle erlebt: Es werden in der Politik immer ganz einfache Lösungen angeboten, die sich am besten in einem Wort oder in einem Satz zusammenfassen lassen. Die LINKEN kümmern sich immer um das Thema „Nehmt den Reichen, gebt den Armen“, oder um das Thema „Wir führen eine Mindestlohndebatte“. Jetzt haben wir die Debatte über die Frauenquote.
Ist es tatsächlich so, dass die Einführung der Frauenquote alle Probleme lösen könnte? Ich glaube, dass jemand, der sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt, diesen Satz auf keinen Fall so unterschreiben würde.
Die Probleme sind vielschichtig. Wir haben sie hier auch an anderer Stelle schon intensiv diskutiert. Das reicht vom Steuerrecht bis zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ich habe mir einmal den Atlas zur Gleichstellung angeschaut, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben wird: Stand Dezember 2010. Die Zahlen aus dem Jahr 2007 bilden die Grundlage dafür. Das passt ein Stück weit zu der Jahreszahl unseres Berichts.
Man muss, wenn man Zahlen miteinander vergleicht, immer darauf achten, dass man eine Korrelation von Zahlen nicht mit einer Kausalität verwechselt. Es wird immer gesagt: Das passt so schön zueinander, und deshalb muss es auch einen Zusammenhang geben. – Deshalb muss man so etwas immer sehr vorsichtig betrachten.
Man sieht, dass die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern in den ehemaligen Ostländern bei unter 10 % liegen, während sie in den Westländern zum Teil über 25 % ausmachen. Wenn man die Karte danebenlegt, aus der man ersehen kann, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was die Kinderbetreuung betrifft, unterstützt wird, kann man, auch wenn man es anhand der beiden Berichte nicht hundertprozentig belegen kann, doch signifikant daraus ableiten, dass es wahrscheinlich einen engen Zusammenhang mit der Frage gibt: Wie können sich Frauen trotz Familie beruflich einbringen?
Es ist die große Hoffnung, dass uns die vielen Milliarden Euro, die in den letzten wenigen Jahren in diesem Bereich investiert worden sind, vielleicht ein Stück weit den Zahlen im Osten näher bringen können, wobei man natürlich auch sagen muss, dass die wirtschaftliche Struktur im Osten ein Stück weit anders ist und dass die Lohngefälle aufgrund des Übergangs nicht so hoch sind. Von daher kann man das auch nicht 1:1 vergleichen.
Ich möchte einmal Frau Dorn ansprechen, die jetzt eine junge Mutter ist. Ich erlebe das auch am eigenen Leibe.
Also, ich bin keine junge Mutter, sondern ein junger Vater. Das möchte ich nur einmal klarstellen, da ich schon wieder Gelächter höre. Bei uns ist diese Position halt gegendert. Wir sind an dieser Stelle eine zukunftsgewandte Partei.
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Man soll das Familienbild junger Familien von heute ein Stück weit neu bewerten und neu betrachten. Vielleicht ist das, was man empfindet, nur eine Ausnahme, oder das, was man in seinem Freundeskreis erlebt, ist die Wahrnehmung der Situation einer bestimmten Schicht. Aber ich glaube schon, dass junge Frauen, die heute in eine Familie eingebunden sind, sehr wohl in der Lage sind, für ihre Überzeugungen, für ihre Ideen und für ihr Bild von Familie einzutreten. Es fehlt vielleicht zum Teil an Möglichkeiten, diese Familienplanung umzusetzen. Das habe ich gesagt.
Aber das Bild von der armen, hilflosen Frau, die zu Hause dem Mann ausgeliefert ist, trifft zumindest auf meine Frau nicht zu.
Wenn sie sich verwirklichen will, teilt sie mir das auch sehr deutlich mit. Ich glaube, die Kollegin Dorn und andere Kolleginnen in diesem Raum sind ebenfalls in der Lage, sich in ihrer Familie zu artikulieren und sehr wohl für ihre Überzeugungen zu streiten.