Meine Damen und Herren, Frau Ypsilanti hat nicht begriffen, dass der demokratische Verfassungsstaat gekennzeichnet ist durch die Grundspannung zwischen Freiheit und Gleichheit, zwischen dem Pluralismus individueller Lebensentwürfe und der Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, zwischen liberalen und sozialen Grundwerten.
Wer dieses Spannungsverhältnis zugunsten sozialistischer Ordnungsvorstellungen verschieben will, greift zwangsläufig in grundlegende Rechte des Einzelnen ein.
Meine Damen und Herren, in der Forderung nach mehr Staat, einem öffentlichen Beschäftigungssektor und einer Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums sind sich Ypsilanti und Lötzsch sehr nahe, wie im Übrigen in vielen anderen Politikbereichen.
Ich zitiere den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse, der vor wenigen Tagen zu demselben Thema im Bundestag wörtlich Folgendes gesagt hat:
Wer am Traum von einer gerechten Gesellschaft und einer gerechteren Welt festhalten will …, der kann das nur …, wenn er... radikale Kommunismuskritik übt, wenn er nicht kalkuliert naiv von Wegen zum Kommunismus schwadroniert; sonst diskreditiert er... sich moralisch und politisch.
Für CDU und FDP steht der Mensch im Mittelpunkt ihres Handelns. Grundlage ist das christliche, humanistische und freiheitliche Menschenbild, zu dem Freiheit und Verantwortung des Einzelnen ebenso gehören wie Bürgersinn und Solidarität.
So steht es in der Präambel des Koalitionsvertrags zwischen FDP und CDU in dieser Wahlperiode. Ich füge hinzu: Wir sagen – das ist unser Bekenntnis –, der Einzelne soll in eigener Verantwortung und Freiheit seine Kräfte und auch seine Talente entfalten können, im Eigennutzen und zum Nutzen der anderen. Nur dort, wo seine Kräfte nicht reichen, soll der Staat helfend eingreifen. Wir glauben, dass unsere Bürger ihr Leben selbst gestalten und für sich selbst sorgen können. Nur Menschen, die für sich selbst Verantwortung übernehmen, können auch für das Gemeinwohl Verantwortung tragen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hinzufügen: Ich behaupte nicht, dass unsere gesellschaftlichen Verhältnisse nicht verbesserungsbedürftig seien.
Ich behaupte nur, dass unsere auf Freiheit, Marktwirtschaft und Demokratie angelegte Gesellschaft neben vielen weiteren einen besonderen Vorteil gegenüber dem Kommunismus und dem Sozialismus besitzt. Unser freiheitliches System ist lernfähig und reformierbar. Totalitäre Systeme sind es nie. Totalitäre Systeme leben davon, dass sie Heilslehren verkünden und das Gegenteil bewirken. Deshalb ist es völlig richtig, wenn von Dohnanyi in einer Fernsehdiskussion Gorbatschow zitiert. Er hat gesagt:
Wir wollen nie wieder die Menschen dazu verführen, dass sie eine Hoffnung haben, die wir ihnen am Ende aufzwingen müssen.
Ich füge hinzu: Wir müssen nicht Wege zum Kommunismus oder zum Sozialismus suchen, sondern Wege zu mehr Freiheit in unserem Staat.
Meine Damen und Herren, Herr Schäfer-Gümbel, wir wollen heute von Ihnen wissen: Wie steht Ihre Fraktion zu den Äußerungen Ihrer Vorgängerin und Landtagskollegin? Warum widersprechen Sie Frau Ypsilanti nicht, wenn sie vom „demokratischen Sozialismus“, von „Systemveränderung“ und vom „Terror der Ökonomie“ spricht?
Was sagen Sie zu der offen zur Schau getragenen Sympathie Ihrer Vorgängerin zu den Kommunisten aus der Linkspartei im Institut Solidarische Moderne? Man darf sich nicht ausmalen, wo wir gelandet wären, wenn Frau Ypsilanti im Jahr 2008 in Hessen mit Unterstützung der LINKEN die Regierungsmacht erhalten hätte.
Herr Schäfer-Gümbel, auch deshalb wollen wir wissen: Sind Sie nach wie vor Anhänger dieser Ideen von Frau Ypsilanti? Wollen Sie „systemverändernde Reformarbeit“? Ehrlich gesagt, wundern würde es mich nicht. Schließlich hat Frau Ypsilanti Sie nach ihrer verheerenden Wahlniederlage selbst zu ihrem Nachfolger vorgeschlagen.
und Sie sind es geblieben, wenn Sie sich nicht distanzieren. Herr Schäfer-Gümbel, ich sage Ihnen auch:
Sie behaupten in diesen Wochen gebetsmühlenartig, die SPD sei wieder auf dem Weg nach oben. Die SPD ist nicht auf dem Weg nach oben. Die SPD Hessen ist auf dem Weg immer weiter nach links. Meine Damen und Herren, das ist die Fahrtrichtung, die Sie eingeschlagen haben.
Herr Präsident, ich komme mit einem Zitat aus dem Munde von Herrn von Dohnanyi zum Schluss, der vor wenigen Tagen wörtlich Folgendes sagte:
Ich halte politische Koalitionen der SPD mit der LINKEN auf allen Ebenen für einen kardinalen Fehler. Man muss sie mit demokratischen Kräften, die eine soziale und marktwirtschaftlich orientierte Verbesserung der Welt wollen, bekämpfen.
Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt ihr Vorsitzender, Herr Schäfer-Gümbel.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wagner, das, was Sie uns gerade abgeliefert haben, ist intellektuell anspruchsfreier als das, was Sie uns als Antrag vorgelegt haben, und das war schon ziemlich schwierig.
Ihre Ausführungen zur Verantwortung des Staates und der Einzelnen spotten der Bergpredigt Hohn. Es wird dem Anspruch christlicher Nächstenliebe oder dem, was in der Bergpredigt als politischer Auftrag formuliert wird, nicht gerecht. Als ich Ihren Antrag gesehen habe, habe ich mir überlegt, wie wir darauf reagieren, weil wir ein bisschen die Vermutung hatten, was Sie hier heute veranstalten. Im ersten Moment dachte ich mir: nicht schon wieder die alte Platte. – Dann habe ich mir überlegt: Eigentlich ist es schreiend komisch, was Sie hier immer wieder veranstalten.
Aber ich habe mich jetzt entschieden, Ihren Anspruch, den Sie in der allerersten Zeile Ihres Antrags niedergelegt haben, nämlich das Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und sozialer Marktwirtschaft, sehr ernst zu nehmen und mit Ihnen darüber zu reden. Ihnen geht es bei dem Antrag doch eigentlich darum, die Sozialdemokratie und den demokratischen Sozialismus, der in Abgrenzung zum Kommunismus ins Godesberger Programm gekommen ist, zu diskreditieren.
Herr Wagner, gleich zu Beginn will ich Ihnen sagen: Weder die abstrusen Vorstellungen von Frau Lötzsch
noch die abstrusen Vorstellungen eines Herrn Wagner können für unser Verständnis von Freiheit, Demokratie und sozialen Marktwirtschaft Orientierung sein.
Das will ich Ihnen in aller Kürze an vier Punkten erläutern, weil ansonsten die Zeit nicht ausreichen würde.
Erstens. Warum dieser Tagesordnungspunkt? Ganz offensichtlich ist das noch immer Ausdruck Ihres Traumas und Ihrer Traumaverarbeitung der Wahlniederlage von 2008.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Trauma 2009!)
Herr Wagner, ich sage Ihnen aber sehr offen: Die Spätfolgen haben wir erlebt. Herr Koch ist jetzt weg. Herr Bouffier ist im Amt, und Sie merken mittlerweile: Es wird nicht einfacher für Sie.