Weil ich lange genug in diesem Haus bin und weiß, dass manchmal in der Hitze der Debatte vielleicht eine Bemerkung gemacht wird, die man so nicht gemeint hat, wollte ich zum Ausdruck bringen: Es besteht für jeden Kollegen immer die Möglichkeit, hierher zu gehen und seine Position darzulegen.
Mir liegt nicht daran, Entscheidungen des Ältestenrats zu kommentieren. Mir geht es einfach nur um den Stil hier.
Meine Damen und Herren, es war eine sehr laute Debatte. Ich will einen Satz aufgreifen, den Herr Kollege Wagner von den GRÜNEN vorhin genannt hat. Sie haben unter anderem die Frage gestellt, ob man die Fragen, die Frau Ypsilanti gestellt habe, nicht stellen dürfe. – Selbstverständlich. Sie beschäftigen eigentlich alle. Das Problem sind nicht die Fragen, sondern die Antworten, die sie uns gibt.
Diese Gesellschaft sucht Orientierungm; das stimmt. Um diese Orientierung müssen wir uns alle bemühen. Das gilt für Abgeordnete, für Parteien und natürlich auch für eine Landesregierung. Wir versuchen auch, diese Orientierung zu geben.
Sie sagen, sie sei falsch. – Wenn wir in diesem Hause, wie schon so oft geübt, prominente Stimmen in der Öffentlichkeit von Mitgliedern dieses Hauses oder von Angehörigen einer Fraktion bzw. einer Partei miteinander diskutieren, ist das weder neu noch ungehörig. Ich finde, das gehört hierher. Zu dem, was uns Frau Lötzsch empfohlen
hat, möchte ich einfach nur sagen: Sie gibt Orientierung und empfiehlt uns – das ist der Kernsatz –, immer wieder die „Wege zum Kommunismus“ zu suchen. Und sie fügt hinzu: egal, „ob in der Opposition oder in der Regierung“.
Meine Damen und Herren, das Einzige, was wir hier als Wegweisung gern gewusst hätten, ist, ob die Fraktion der LINKEN, die diesem Hause angehört und eine politische Bedeutung einnimmt, dies teilt oder nicht. Bei dem durchaus interessanten Vortrag von Frau Wissler habe ich nicht in einem einzigen Satz gehört, dass sich die Fraktion DIE LINKE von dieser Wegweisung distanziert. Solange das so ist, ist es richtig, dass wir das hier miteinander deutlich aufarbeiten.
Das hat vergleichsweise wenig mit Rosa Luxemburg und vielen anderen zu tun, sondern damit, ob wir, jeder sozusagen in seiner politischen Verantwortung, unserer Bevölkerung im Jahre 2011 – nach unseren Erfahrungen, die wir in Deutschland gemacht haben, und nach dem, was im Namen des Kommunismus alles geschehen ist – diese Wegweisung, diese Empfehlung des Sozialismus bzw. zunächst einmal des Kommunismus geben.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben in einer Anfangsbemerkung Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass Sie diese Empfehlung nicht teilen. Bis dahin bin ich voll dabei.
Was ich nicht verstehe und was ich auch für völlig unangemessen halte, ist, dass Sie zu Beginn Ihrer Rede – ich habe gesehen, dass Sie sie schriftlich haben; deshalb gehe ich davon aus, dass Sie es bewusst so geäußert haben – das Bekenntnis von Frau Lötzsch, immer wieder Wege zum Kommunismus zu suchen, in gleicher Weise behandelt haben wie das Bekenntnis des Kollegen Dr. Wagner zur sozialen Marktwirtschaft. Das ist schlichtweg unmöglich.
Wenn wir über den Sozialismus reden – Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben sich jetzt gemeldet, daher haben Sie Gelegenheit –, frage ich:
Was empfiehlt uns denn Frau Ypsilanti, eine Persönlichkeit, die in der hessischen Politik durchaus Aufmerksamkeit findet? Wenn ich mich recht erinnere, haben wir hier aus unterschiedlichsten Lagern schon immer Debatten gehabt, wenn sich jemand aus diesem Hause geäußert hat. Auch das ist nicht ungewöhnlich und durchaus in Ordnung.
Herr Schäfer-Gümbel, dann hätte ich von Ihnen gern gewusst: Teilen Sie die Empfehlungen von Frau Ypsilanti? Sie haben hier lautstark und munter alles Mögliche vorgetragen, doch zu dieser Sache keinen einzigen Satz gesagt. Das ist die Wahrheit.
Es geht nicht darum, die große demokratische Tradition der Sozialdemokratie in Abrede zu stellen. Es geht auch nicht um die spannende Frage, wer sich mehr für Demo
kratie verantwortlich fühlt oder wer mehr zu verantworten hat als der andere. Dies alles sollte meines Erachtens unter Demokraten nicht streitig sein. Es muss aber doch um die Frage gehen, wenn Sie uns – ich zitiere – „die Überwindung der Verhältnisse“ empfiehlt und von „Terror der Ökonomie“ spricht, was das eigentlich heißt. Da nützt mir auch der Hinweis auf ein Buch von 1957 nichts.
Herr Schäfer-Gümbel, was ich gern wissen möchte, ist Folgendes: Teilen Sie diese Position? Ist das die Auffassung der hessischen SPD, wenn wir über Wegweisung sprechen? Das ist die Frage, um die es geht.
Sehen Sie, Sie gehören zu denen, die da ganz empfindlich reagieren. – Ich finde es völlig unangemessen, um ein zurückhaltendes Wort zu wählen, dass Sie vorhin in Ihrer Rede – ich habe mitgezählt – viermal den Fraktionsvorsitzenden der CDU für intellektuell unterbelichtet erklärt und die CDU-Abgeordneten Reif, Irmer und Dr. Wagner als „Hetzer“ bezeichnet haben. Wenn Sie das für respektvoll halten, dann haben Sie noch erheblichen Nachholbedarf, meine Damen und Herren.
Ich möchte Ihnen sagen, dass es richtig ist, dass wir gemeinsam darum ringen, welches der Weg für die Zukunft sein kann.
Herr Wagner, ich habe sehr wohl wahrgenommen und für in Ordnung befunden, dass Sie – zwar auch pflichtgemäß – gesagt haben, die LINKEN müssten es sich schon gefallen lassen, dass man das nicht für in Ordnung halte, und dann haben Sie sozusagen eine Suada auf diese Seite des Hauses abgelassen. Dann habe ich nur noch Begriffe wie „die Marktradikalen“ und all so etwas gehört. Glaubt denn jemand im Ernst, dass wir in der Bevölkerung an Vertrauen gewinnen, wenn wir so diskutieren?
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn die Debatte auf diese Weise beantragt?)
ich habe jetzt zwei Beispiele genannt, helfen hier nicht weiter. Wenn hier jemand vorträgt, er wolle gern in der Tradition der Sozialdemokratie für den demokratischen Sozialismus werben, dann akzeptiere ich das. Aber dann
Die Utopie wird man schwer bestreiten können. Aber Sie sollten nicht außer Acht lassen, dass sämtliche realen Systeme, die unter diesem Label angetreten sind, am Schluss zu Unfreiheit und in der Regel auch zu Diktaturen geführt haben.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)
Die Begriffe der Demokratie, des Sozialismus und des Gemeinwohls sind so oft missbraucht worden, dass wir in der Wortwahl sehr darauf achten sollten, dass wir klarmachen, was wir meinen.